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Warum ich mir keine „linke“ Mehrheit mehr wünsche

Veröffentlicht am 26. Juni 2024

Die nächsten Nationalratswahlen werden spannend; aber derzeit erscheinen nur zwei Koalitionsmöglichkeiten realistisch.

Jahrzehntelang habe ich mir in meinen Artikeln in den LAMBDA-Nachrichten die Finger gegen die rechte ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Parlament wundgeschrieben und eine („linke“) Ampel-Mehrheit herbeigesehnt. Jahrelang habe ich meine LN-Kolumne mit dem Ceterum censeo abgeschlossen, so und so viele Jahre rechte Mehrheit im Nationalrat und so und so viele Jahre ÖVP in der Bundesregierung seien genug.

Besagte rechte Nationalratsmehrheit besteht seit 1983, also mittlerweile seit mehr als 40 (!) Jahren. Die ÖVP sitzt seit 1986 (!) ununterbrochen in der Bundesregierung; von den rund sieben Monaten im Jahre 2019, in denen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein (1949–2024) eine Beamtenregierung führte, kann man dabei ruhig absehen, denn in der war die ÖVP trotzdem stark vertreten.

Heute wünsche ich mir, ehrlich gesagt, keine „linke“ Mehrheit bzw. Ampel-Koalition aus SPÖ, Grünen und NEOS mehr. Denn mittlerweile vertreten diese Parteien in Sachen „Gender“-Politik problematische Positionen. Im Fall des Falles drohen u. a. ein Selbstbestimmungsgesetz wie in Deutschland (Personenstandseintrag nicht aufgrund biologischer Fakten, sondern subjektiver Gefühle – wobei ich hier Transsexualität ausdrücklich ausnehmen möchte) oder sogar die staatliche bzw. gesetzliche Anerkennung von vermeintlichen neuen Geschlechtern jenseits von weiblich und männlich – von Phantomgeschlechtern also, die noch nie jemand wirklich gesehen hat. Ich halte dieses postfaktische irrationale Gender-Geschwurbel für genauso lächerlich und kindisch wie etwa das durchgeknallte Geschwurbel der Corona-Leugner oder Flacherdler (vgl. auch meinen Blog-Beitrag vom 5. Mai 2024).

Außerdem besteht die realistische Gefahr, dass eine Ampelregierung das „non-binäre Gendern“ für den amtlichen Schriftverkehr und die offizielle Textproduktion der Republik gesetzlich verankern wird.

Alle drei Parteien wenden in ihren Texten diese Form des „Genderns“ bereits an, also mit Sonderzeichen – und, was noch schlimmer ist, mit damit verbundener neuer Grammatik, Rechtschreibung und Sprachlogik, die in erster Linie darauf hinauslaufen, die korrekten männlichen Formen einfach bzw. der Einfachheit halber wegzulassen. Ich halte diese Form des Genderns nicht nur für Vandalismus an der Sprache, sondern vor allem für eine dogmatische und sektiererische Ideologie (vgl. meinen Blog-Beitrag vom 10. Juni 2024).

Zur Illustration drei Beispiele für meine Sprachkritik an der „neuen“ Grammatik und Rechtschreibung: Bei den Grünen heißt es etwa „dem Bundesfinanzreferent:in“ (statt „dem Bundesfinanzreferenten“), bei den NEOS z. B. „Du bist stolze Europäer:in“ (dem inhaltlichen Kontext zufolge könnte auch ein Mann gemeint sein), und bei der SPÖ werden sogar „wir“ und Wien zu einer Frau: „Wir in Wien sind Vorreiterin…, „Wien ist Vorreiterin“ bei allem Möglichen – und Unmöglichen. Soll das originell sein? Aber immerhin wenigstens nicht „Vorreiter*in“ – man wird ja bescheiden.

Jedenfalls darf man getrost davon ausgehen, dass die ideologisch verbohrten Sprach-Nazis in der SPÖ, bei den Grünen und den NEOS keine Ruhe geben werden, bis diese Form des sprachlichen Genderns gesetzlich verankert wird. Ich habe daher beschlossen, keine Partei mehr zu wählen, die sich das non-binäre Gendern auf ihre Fahnen geheftet hat (vgl. mein Blog-Beitrag vom 10. März 2024).

Bei der EU-Wahl am 9. Juni habe ich diesen Beschluss bereits umgesetzt und das erste Mal in meinem Leben ungültig gewählt, denn natürlich sind ÖVP und FPÖ für mich ebenfalls nicht wählbar. (Warum ich der SPÖ meine Stimme nicht geben werde, hat noch einen weiteren Grund, nämlich ihr Verhalten bei der Rede Wolodymyr Selenskyjs im österreichischen Parlament am 30. März 2023 – vgl. die vier letzten Absätze meines Blog-Beitrags vom 12. April 2023).

 

Sonder- statt Kreuzzeichen

Nun könnte man einwenden, diese Dinge seien doch Nebensächlichkeiten in Anbetracht anderer, viel wichtigerer Probleme und Anliegen. Das mag schon sein, aber für mich ist die Sache doch grundsätzlicher Natur: Ich kann Politiker und Parteien einfach nicht ernst nehmen, die einen solchen Unsinn vertreten, zumal große Skepsis in Hinblick auf den vorgeblichen Nutzen und den Zweck angebracht ist. Und wenn das Gendern auch noch bevormundend und diktatorisch durchgesetzt wird, wie das im grünen Einflussbereich heute bereits geschieht, dann hört sich der Spaß auf.

Non-binäres Gendern geht automatisch einher mit dem wissenschaftsfeindlichen Glauben, es gebe mehr als zwei Geschlechter. Aus Ermangelung wissenschaftlicher Fakten bleibt den Anhängern dieser Theorie eben nur mehr der Glaube. Und das stört mich ungemein. Ich halte dieses Gender-Geschwurbel in der Tat für ein Projekt der Gegenaufklärung – und daher potentiell für gefährlich; das ist alles andere als eine harmlose Spinnerei. Es ist eine abstoßende Mischung aus vermeintlich fortschrittlichem Populismus und sektoidem Glauben; die neue „Religion“ wird mit unsympathischer Verbissenheit, ekelhafter Intransigenz und missionarischem Eifer propagiert. Die dazugehörige Volks-Frömmelei manifestiert sich in diesem Fall nicht durch Kreuz-, sondern Sonderzeichen. Vor einer Ampelkoalition, die auf diesem Gebiet Politik macht, graut mir.

 

Koalitionsspekulationen

Man muss sich allerdings eh keine große Sorgen machen, dass es bei der Nationalratswahl im September zu einer „linken“ Mehrheit und danach zu einer Ampelkoalition kommen könnte. Eine solche Mehrheit ist weit und breit nicht in Sicht. Realistischerweise gibt es ohnehin nur zwei wahrscheinliche Ergebnisvarianten: ÖVP und FPÖ erreichen eine Mehrheit – in dem Fall werden sie eine gemeinsame Regierung bilden. Da fährt die Eisenbahn drüber; da brauchen die beiden Parteien erst gar nicht versuchen, uns Sand in die Augen zu streuen.

Sollten ÖVP und FPÖ keine gemeinsame Mehrheit zustande bringen, heißt das indes noch lange nicht, dass sich automatisch eine Ampelmehrheit ausgeht. Viel realistischer ist es, dass auch SPÖ, Grüne und NEOS auf keine gemeinsame Mehrheit kommen werden – ja, und dann bleibt ohnehin nur eine Koalitionsmöglichkeit übrig: ÖVP+SPÖ+NEOS oder Grüne. Denn es ist davon auszugehen, dass keine Partei mit FPÖ und ÖVP in eine Dreier-Koalition gehen wird.

Auf einen solchen Ausgang der Wahlen deuten sowohl das Ergebnis der EU-Wahlen als auch die aktuellen Umfragen durchaus hin, wobei aus heutiger Sicht immer noch die ÖVP stärker sein wird als die SPÖ. In diesem Fall beiße ich dennoch gerne in den sauren Apfel einer ÖVP-Regierungsbeteiligung – meiner jahrzehntelangen Abneigung zum Trotz. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Vorausgesetzt, die ÖVP erfüllt diesen Zweck, nämlich Gesetze auf Basis von bloßem Gender-Geschwurbel zu verhindern.

Ich werde wohl wieder ungültig wählen. Die KPÖ kommt diesmal für mich auch nicht in Frage, denn sie ist immer noch viel zu russlandfreundlich; wie sie gendert, habe ich daher gar nicht erst untersucht. Andere Kleinparteien kommen für mich sowieso nicht in Betracht. Ich weiss, es ist demokratiepolitisch verwerflich, ungültig zu wählen, aber derzeit könnte ich mich nicht überwinden, irgendein geringeres Übel zu wählen. Es ist ein echtes Dilemma. Aber vielleicht gibt es ja noch das eine oder andere genderkritische Signal von den NEOS.

 

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