§ 209: UNO-Ausschuß für Menschenrechte fordert gleiche Altersgrenzen
Nach Europäischer Menschenrechtskommission und Europa-Parlament sieht auch der UNO-Ausschuß für Menschenrechte in unterschiedlichen Mindestaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen eine Menschenrechtsverletzung. Er forderte Österreich auf, die diskriminierende Bestimmung des § 209 StGB aufzuheben.
Wie jeder Unterzeichnerstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ist auch Österreich gemäß Artikel 40 dieses Pakts verpflichtet, dem UNO-Ausschuß für Menschenrechte auf dessen Aufforderung hin regelmäßig Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung und Umsetzung der durch die UNO-Menschenrechtskonvention garantierten Rechte zu erstatten. In der Praxis passiert das rund alle zehn Jahre. Österreichs dritter periodischer Bericht war eigentlich bereits 1993 fällig, wurde aber erst 1997 vorgelegt. Der Bericht (Dokument CCPR/C/83/Add.3) nimmt nur einmal Bezug auf Lesben und Schwule, allerdings nicht durch Hinweis auf den menschenrechtswidrigen § 209, sondern – der Bericht ist nach den einzelnen Artikeln des Pakts geordnet – unter der Überschrift des Artikels 17 (Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung … ausgesetzt werden). Da überkommen Österreich Zweifel, ob dieser Schutz des Privatlebens nicht auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten müßte. Unter der Randnummer 127 heißt es da (Übersetzung aus dem Englischen durch den Autor): Es ist umstritten, ob eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ebenfalls als Familie anzusehen ist. Obwohl es diese Auffassung gibt, ist sie von der Gesellschaft noch nicht akzeptiert worden.
Vertreter der Berichtsstaaten müssen dann den Mitgliedern des Ausschusses in einer mündlichen Anhörung auch Rede und Antwort stehen. Am 30. Oktober 1998 war es soweit: Drei Stunden dauerte die Befragung der drei österreichischen Beamten Klaus Berchtold vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, Christian Manquet vom Justiz- und Wolf Szymanski vom Innenministerium durch den Ausschuß in Genf.
Wie aus dem Protokoll der Sitzung hervorgeht (Dokument CCPR/C/SR.1719 vom 4. November 1998), wurde jedoch nicht die Frage gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, sondern das diskriminierende Mindestalter von den Ausschußmitglieder angesprochen. Dies ist wohl auf den „Alternativ-Bericht“ zurückzuführen, den die HOSI Wien – wie berichtet (vgl. LN 4/1998, S. 35 [und Aussendung der HOSI Wien vom 25. 9. 1998]) – im September 1998 dem Ausschuß in Genf übermittelt hatte. Darin wiesen wir auf die menschenrechtswidrige Bestimmung des § 209 hin.
Sowohl Berchthold als auch Manquet gingen auf die Frage des Ausschußmitglieds Yalden bezüglich § 209 ein. Berchthold räumte ein (Randnummer 30 des Protokolls), daß diese Bestimmung in der als diskriminierend betrachtet werden könnte, verwies aber auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahre 1989, wonach § 209 nicht verfassungswidrig sei. Die Situation mag sich vielleicht seither geändert haben, aber die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind gleich geblieben, sodaß eine Novellierung der Bestimmung bisher unmöglich war. Manquet wies (Randnummer 37) auf die Abstimmung im Nationalrat im November 1996 hin, die unentschieden ausgegangen ist, sowie auf die Novelle des Strafgesetzbuchs im Juli 1998, durch die die Angehörigendefinition im § 72 (Zeugnisentschlagungsrecht) auf gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen ausgedehnt wurde.
Noch in der mündlichen Zusammenfassung der dreistündigen Anhörung führte die Ausschußvorsitzende als einen Hauptkritikpunkt an, daß das Strafrecht Homosexuelle weiterhin diskriminieren würde (Randnummer 68 des Protokolls).
§ 209 aufheben!
Am 5. November 1998 verabschiedete dann der Ausschuß seine „abschließenden Bemerkungen“, die am 11. November veröffentlicht wurden (Dokument CCPR/C/79/Add.103). Darin formulierte der Ausschuß u. a. dreizehn „häuptsächliche Kritikpunkte und Empfehlungen“ (principal subjects of concern and recommendations). Unter der Randnummer 13 heißt es: Der Ausschuß ist der Ansicht, daß das bestehende Gesetz über das Mindestalter für sexuelle Handlungen von männlichen Homosexuellen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung darstellt. Er ersucht, daß Gesetz zu ändern, um solche diskriminierende Bestimmungen zu beseitigen.
Nach dem im Juli 1998 neuerlich fehlgeschlagenen Versuch im Nationalrat, § 209 abzuschaffen, hat die HOSI Wien ihre Strategie verstärkt, diese Menschenrechtsverletzung durch Internationalisierung zu bekämpfen. Und diese Strategie hat sich – dank des konsequenten und unermüdlichen Einsatzes der HOSI Wien – als recht erfolgreich erwiesen, was sich nicht zuletzt durch vier Verurteilungen Österreichs durch das Europäische Parlament manifestiert – vier Verurteilungen, die letztlich ausschließlich der Lobby-Arbeit der HOSI Wien zu verdanken sind (vgl. auch nachfolgenden Artikel). Daß jetzt auch noch der UNO-Ausschuß für Menschenrechte diese Rechtslage kritisiert und Österreich zur Streichung des unterschiedlichen Mindestalters aufgefordert hat, ist nicht nur eine Genugtuung für uns, sondern auch eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser Strategie, die wir auch gerade in Ausnutzung der österreichischen EU-Präsidentschaft im letzten Halbjahr 1998 fortgeführt haben und die wir auch – nicht zuletzt mit der Anti-Schwimmer-Kampagne fortsetzen werden. Über beide Themenbereiche berichten wir an anderer Stelle in diesem Heft.
Nachträgliche Anmerkungen:
Siehe auch Presseaussendung der HOSI Wien vom 10. Dezember 1998.
Unter diesem Link können sämtliche Verfahrensschritte im Überprüfungsverfahren nach dem Menschenrechtspakt verfolgt und alle relevanten Dokumente heruntergeladen werden: die Zeile „CCPR – International Covenant on Civil and Political Rights“ anklicken und dann den jeweiligen Berichtszyklus (in diesem Fall den dritten) aufrufen.