„Aus dem Leben“
2001 war ich für die HOSI Wien Koordinator der Ausstellung „Aus dem Leben – Die nationalsozialistische Verfolgung der Homosexuellen in Wien 1938-45“. Sie war ein Projekt im Rahmen von EuroPride und vom 14. Juni bis 12. Juli 2001 auf dem Wiener Heldenplatz zu sehen.
Die Ausstellung zeigte die Verfolgung anhand von offiziellen und privaten Dokumenten, die auf und in 14 rosa Säulen präsentiert wurden.
Außen wurden „typische“ Dokumente behördlicher Verfolgung reproduziert: u. a. Strafanzeigen der Polizei, Hausdurchsuchungsberichte, Aktenstücke aus Gerichtsverfahren, lapidare Meldungen über die Aberkennung des akademischen Grads, den Selbstmord eines Verhafteten, den Tod an der Front im Zuge der sogenannten „Frontbewährung“, die Überstellung in ein KZ, die Überweisung in ein Wiener Spital zur „freiwilligen“ Kastration und schließlich auch ein Dokument aus der Nachkriegszeit: der Widerruf der Anspruchsberechtigung nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) durch das Sozialministerium, als es herausfand, daß der Betreffende nicht den roten Winkel der politisch Verfolgten, sondern den rosa Winkel der Homosexuellen trug.
Im Inneren der Säulen, das durch Gucklöcher in Nabelhöhe einsehbar war, waren ganz persönliche Dokumente reproduziert – Briefe, Karten, Fotos –, die von der Kriminalpolizei und der Gestapo im Zuge ihrer Amtshandlungen beschlagnahmt und den Akten beigelegt worden waren.
Kuratiert wurde die Ausstellung von HANNES SULZENBACHER und NIKOLAUS WAHL, die auch die Archivrecherche durchgeführt und die Ausstellungsobjekte zusammengestellt haben. Thomas Geisler zeichnete für die Ausstellungsgestaltung und -architektur verantwortlich.
CHRISTIAN HÖGL (www.creativbox.at) gestaltete nicht nur das Layout und Design für das Plakat und den Flyer, sondern auch die LN-Sonderausgabe (Nr. 88 vom Juni 2001), in der alle Exponate der Ausstellung reproduziert wurden und Hintergrundbeiträge zum Thema NS-Verfolgung von GUDRUN HAUER, RAINER HOFFSCHILDT, CLAUDIA SCHOPPMANN, HANNES SULZENBACHER, NIKO WAHL und mir erschienen. Christian wandelte später die Exponate und Beiträge zu einer Online-Ausstellung um, die nach wie vor im Internet besucht werden kann: www.ausdemleben.at.
Wie meist kümmerte ich mich auch um die Finanzierung des Projekts und verfasste die dafür notwendigen Subventionsansuchen. Das Ausstellungsprojekt wurde vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und von der Stadt Wien (MA 18/Wissenschafts- und Forschungsförderung) gefördert. Unterstützt wurde das Projekt auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Die Herausgabe der Sonderausgabe der LAMBDA-Nachrichten wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur finanziell unterstützt. Die Übertragung der Exponate und Beiträge in eine permanente Online-Ausstellung wurde durch eine Förderung der Stadt Wien (MA 13, zuständig für u. a. Bildung, Jugend und Soziales) ermöglicht.
Anschlag
Bereits am 12. und 13. Juni 2001 war die Ausstellung auf dem dafür vorgesehenen Rasenstück des Heldenplatzes aufgebaut worden, denn der Tag der Eröffnung, der 14. Juni, war ein Feiertag, an dem die mit dem Aufbau beauftragte Firma nicht arbeitete. Irgendwann in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni kam es zu einem Anschlag auf die Ausstellung: Ein oder mehrere unbekannte/r Täter rissen elf der vierzehn Säulen aus ihrer massiven Verankerung und warfen sie um. Die Säulen selber wurden dabei nicht beschädigt. Offenbar hatte niemand den Anschlag wahrgenommen, obwohl der Platz nur 200 m vom Bundeskanzleramt und vom Sitz des Bundespräsidenten entfernt ist. Die HOSI Wien beschloss, die Ausstellung wie geplant am Abend des 14. Juni zu eröffnen.
Die Wiederaufstellung der Säulen erfolgte noch am Freitag, den 15. Juni. Dies dauerte einen halben Tag. Eine Säule – jene, die die nie erfolgte Wiedergutmachung thematisierte – wurde aber absichtlich nicht wieder aufgerichtet, um an den Vandalenakt zu erinnern. Im Laufe der Ausstellung sollte sie aber dreimal von (wohlmeinenden?) Unbekannten wieder aufgestellt (und danach von uns wieder umgelegt) werden.
Fotos vom Anschlag finden sich in der Sektion „Zeitreise“. Ein ausführlicher Bericht über den Anschlag und seine Folgen findet sich in den LN 3/2001 sowie in der Online-Ausstellung.