Jetzt erst recht: Van der Bellen bleibt Bundespräsident
In einer Medienaussendung, mit der die HOSI Wien drei Tage vor der Stichwahl am 22. Mai eine Wahlempfehlung für Alexander van der Bellen abgab, hieß es, die Wahl zwischen ihm „und Norbert Hofer sollte Lesben und Schwulen und allen Menschen, die nicht der Heteronormativität entsprechen, nicht wirklich schwerfallen. Der Vergleich sollte sie sicher machen. Und nicht nur der Vergleich der Haltungen der beiden Kandidaten in Sachen Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen im speziellen, sondern ganz generell in Sachen Umgang mit Minderheiten und Benachteiligten.“
Nun ja, für manche aus dieser Gruppe scheint das gar nicht so selbstverständlich zu sein, wie die eine oder andere Reaktion auf Facebook zeigt, in der die Wahlempfehlung der HOSI Wien kritisiert wurde. Da outete sich etwa eine Transgenderperson als glühende Hofer-Unterstützerin bzw. Van-der-Bellen-Ablehnerin, weil sie sich seit der Ankunft der vielen Flüchtlinge nicht mehr sicher auf Wiens Straßen fühlen könne. Abgesehen davon, dass man auch nicht davor gefeit ist, von einem Inländer blöd angestänkert oder gar körperlich attackiert zu werden, ist die Vorstellung, Hofer könnte als Bundespräsident persönlich für die Reduzierung der Flüchtlingszahlen sorgen, doch etwas – na ja, sagen wir: – weltfremd.
Aber das ist ja leider nichts Neues: Auch bei früheren Wahlgängen musste man ja ziemlich perplex zur Kenntnis nehmen, dass gar nicht so wenige Schwule – Lesben wahrscheinlich nicht so häufig – ihre Stimmen tatsächlich Parteien geben, die klar und offen homophob agieren und agitieren, was ja nur uns AktivistInnen in unserer Parallelwelt so abwegig, ja unfassbar und nicht nachvollziehbar zu sein scheint.
Und dabei hatten wir genau diese falschen Vorstellungen von der Funktion des Bundespräsidenten und vom Anforderungsprofil an ihn in besagter Aussendung angesprochen: „Auch wenn Hofer es in seinem Wahlkampf anders darzustellen versucht hat: Es wird weder die Mehrheit des Nationalrats noch eine neue Regierung oder ein neuer Regierungschef gewählt, sondern der höchste Repräsentant des Staates. Und dabei sollten die positiven Eigenschaften und persönlichen Qualitäten maßgeblich im Vordergrund stehen.“
Obiges Beispiel zeigt jedenfalls, dass in den „eigenen Reihen“, im Bekannten- und Freundeskreis noch viel individuelle Überzeugungsarbeit geleistet werden kann – wozu bei dieser Gelegenheit ausdrücklich ermuntert werden soll! Hier schlummert ein erhebliches Potential, das noch für die Wiederwahl van der Bellens gewonnen werden könnte!
Problematisches Demokratieverständnis
Hofer und seine Partei, die FPÖ, stehen ja nicht nur für Ausgrenzung und Hetze gegen Minderheiten, für Diskriminierung und gegen Gleichstellung, sondern dazu kommt noch das krude und problematische Amts- und Demokratieverständnis Hofers.
In besagter Medienaussendung haben wir übrigens anhand eines konkreten Beispiels aufgezeigt, dass Hofer und seine Partei nicht nur für Ausgrenzung und Hetze gegen Minderheiten, für Diskriminierung und gegen Gleichstellung stehen, sondern – was erschwerend hinzukommt – einem kruden und problematischen Amts- und Demokratieverständnis anhängen.
Seine Vorstellung von Rechtstaatlichkeit hat Hofer exemplarisch in einer Presseaussendung im Jänner 2015 kundgetan: Aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs aus 2013 waren mit Beginn 2015 die Einschränkungen im Fortpflanzungsmedizingesetz gefallen, die Lesben diskriminiert hatten. 2014 hatte der VfGH schließlich auch das Verbot der Fremdkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare als verfassungswidrig aufgehoben. Beide Entscheidungen hat die FPÖ scharf kritisiert.
Hofer und FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl forderten in diesem Zusammenhang, dass „sowohl Adoptionsrecht als auch Ehe und Familie als schützenswertes Gut in der Verfassung verankert werden“. Das mögliche künftige Staatsoberhaupt Österreichs stellt sich bei dieser Gelegenheit also explizit gegen „Minderheitenthemen“ und äußerte tatsächlich die Sorge, dass „die Mehrheit unter die Räder“ komme. Wenn es nach Hofer geht, soll (durch eine juristisch fragwürdige Praxis) die Diskriminierung von Lesben und Schwulen also gesetzlich so verankert werden, dass sie durch Urteile des Verfassungsgerichtshofs nicht mehr beseitigt werden kann.
Auch damit disqualifiziert sich Herr Hofer für die Ausübung des von ihm angestrebten Amtes“, betonte HOSI-Wien-Obfrau LUI FIDELSBERGER damals in der Aussendung: „Denn der Bundespräsident hat alle Menschen in Österreich zu vertreten und im Ausgleich von Interessen gerade in menschenrechtlichen Fragen darauf zu achten, dass die Rechte von Minderheiten gewahrt bleiben.“
So oder so: Van der Bellen bleibt Präsident
Wenn frustrierte und politikverdrossene WählerInnen den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassen möchten, dann sollten sie einen solchen als aller erstes der FPÖ verpassen, einer Partei, die in den Jahren 2000–2006 als Teil der blau-schwarz-orangen Koalition der korruptesten Regierung der Zweiten Republik angehört hat; einer Partei, die Kärnten ruiniert und zu einem gescheiterten Bundesland gemacht hat, das sich heute in einem schlimmeren Zustand als Griechenland befindet. Etliche Protagonisten von damals haben bereits ihre verdiente Gefängnisstrafe abgesessen, andere warten noch darauf. Zehn Jahre nach Ende der siebenjährigen blau-schwarzen Herrschaft in Österreich sind die Gerichte immer noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt, und bis heute hat das schwarze Justizministerium alle Hände voll zu tun, das Schlimmste von zentralen Akteuren jener Regierung abzuwenden. Über soviel Vergesslichkeit und Verdrängen bei den österreichischen WählerInnen kann man nur den Kopf schütteln.
Die HOSI Wien ruft dazu auf, bei der Wiederholung der Stichwahl endlich die Gelegenheit zu nutzen, der FPÖ und ihrer populistischen Propaganda einen Denkzettel zu verpassen und ihren antidemokratischen Machenschaften und Mätzchen eine deutliche Abfuhr zu erteilen.
Die HOSI Wien ruft dazu auf, die Wahl Alexander van der Bellens zum Bundespräsidenten zu bestätigen. Als – wenn auch bescheidenes – Zeichen unserer Unterstützung haben wir ihm die Rückseite dieses Heftes kostenlos zur Verfügung gestellt.
Aber egal, wie die Wahl ausgehen oder wie oft sie noch wiederholt wird: Für uns ist und bleibt Alexander van der Bellen der einzig legitime Bundespräsident für die nächsten sechs Jahre. Selbst wenn ihm durch das putschartige Manöver des Verfassungsgerichtshofs der Sieg vom 22. Mai gestohlen werden sollte, würde sich daran nichts ändern!