OSZE: Hassverbrechen bekämpfen
Das jährliche Implementierungstreffen der sogenannten menschlichen Dimension der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), mit derzeit 56 Mitgliedsstaaten die größte internationale Organisation in Europa, fand dieses Jahr vom 2. bis 13. Oktober in Warschau statt. Der Autor dieser Zeilen, der seit 1991 regelmäßig fast jedes Jahr an Konferenzen und Tagungen der OSZE als NGO-Vertreter für die ILGA, die ILGA-Europa und EPOA teilgenommen hat, war vom 10. bis 12. Oktober in der polnischen Hauptstadt und hat zum Tagesordnungspunkt „Grundfreiheiten – Versammlungsfreiheit“ im Namen der ILGA-Europa und der European Pride Organisers Association (EPOA) ein mündliches Statement abgegeben und darin vor allem die menschenrechtswidrigen Verbote der Lesben- und Schwulenparaden in Moskau im Mai (vgl. LN 4/2006, S. 25 ff) und in Riga im August (vgl. LN 5/2006, S. 24 f) angeprangert.
Auch die ILGA-Europa hielt dieses Jahr wieder eine Nebenveranstaltung ab, und zwar zum Thema „Die Rolle der Religion bei der Förderung von Toleranz und den Rechten von LSBT-Personen“. Vortragende dabei waren Diane Fisher, eine Priesterin der Metropolitan Community Church, einer in den USA ins Leben gerufenen christlichen Kirche, die sich in erster Linie an LSBT-Personen wendet, Chris Newlands, Priester der Church of England, und Bashy Quraishy, Vorstandsvorsitzender des Europäischen Netzwerks gegen Rassismus (ENAR).
Newlands ergriff dann auch im Plenum der Konferenz das Wort für die ILGA-Europa, die verstärkt die religiöse Monopolrolle des Vatikans bei der OSZE in Frage stellen möchte. Der Heilige Stuhl ist ja Mitglied der OSZE mit Sitz und Stimme und kann mit seinem Veto jede Entscheidung in der Organisation blockieren. Die Überraschung bei vielen Delegationen der Mitgliedsstaaten war denn auch recht groß, als plötzlich ein anglikanischer Priester im Namen der ILGA-Europa sprach und mit Vehemenz für die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen eintrat. Im Vorjahr sind die ILGA-Europa und der Vatikan im Plenum der Konferenz „aneinandergeraten“, weil sich der Vatikanvertreter dagegen aussprach, dass die OSZE „sexuelle Orientierung“ in ihr Mandat zur Bekämpfung von Hassverbrechen explizit aufnimmt.
Das in Warschau ansässige OSZE-Büro für „demokratische Institutionen und Menschenrechte“ (ODIHR), das die jährlichen Implementierungstreffen vorbereitet, widmet sich seit 2003 verstärkt der Bekämpfung von Hassverbrechen. ODIHR listet in seiner Arbeitsdefinition von Hassverbrechen „‚Rasse‘, nationale oder ethnische Herkunft, Sprache, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Alter, geistige oder körperliche Behinderung, sexuelle Orientierung oder andere ähnliche Faktoren“ als jene Kategorien auf, nach denen einschlägige Täter ihre Opfer gezielt aussuchen.
Am 12. Oktober präsentierte ODIHR seinen Bericht über Hassverbrechen in der OSZE-Region für den Zeitraum Jänner bis Juni 2006: Challenges and Responses to Hate-Motivated Incidents in the OSCE Region. ODIHR dokumentiert darin auch homophob motivierte sowie nicht strafrechtlich relevante Ereignisse („incidents“). Der Bericht in englischer Sprache kann als PDF-Dokument vom ODIHR-Website heruntergeladen werden – ebenso der informative Hintergrundbericht Combating Hate Crimes in the OSCE Region: An Overview of Statistics, Legislation, and National Initiatives aus 2005, der u. a. ausführlich auf die grundlegende Problematik der Begriffsdefinitionen und Statistikführung eingeht.
Österreich beschränkt seine einschlägige Statistik auf rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Hassverbrechen – laut Verfassungsschutzbericht 2006 des Innenministeriums wurden für die Jahre 2004 und 2005 je knapp über 200 solcher Delikte erfasst. Leider werden in Österreich bisher homo- und transphobe Tathandlungen bzw. Hassverbrechen nicht gesondert registriert. Dies möchte die HOSI Wien jetzt ändern und hat diesbezüglich auch bereits mit der dafür zuständigen Abteilung im Innenministerium, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Kontakt aufgenommen (vgl. Bericht auf S. 14). Auch wenn derzeit nur Einzelfälle zu erfassen sind, ist ja nicht vorauszusehen, wie sich die Dinge in Zukunft entwickeln, etwa wenn die FPÖ jetzt beginnt, auch homophobe Kampagnen zu führen (vgl. Bericht auf S. 8 ff). Bei zunehmender homophober Gewalt könnten sich solche Statistiken dann als sehr hilfreich erweisen.
Wie man die zweifellos vorhandenen Dunkelziffern besser ausleuchten kann, stellt im übrigen ebenfalls eine nicht auf Österreich beschränkte Herausforderung dar. Daher nimmt sich auch ODIHR dieses Problems an und veranstaltet vom 8. bis 10. November in Wien eine Tagung zu diesem Thema („Addressing the Hate Crime Data Deficit“), an der der Autor dieser Zeilen für die ILGA-Europa und die HOSI Wien teilnehmen wird.