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Island: Offen lesbische Regierungschefin

Veröffentlicht am 13. März 2009
Weltpremiere in Island: Am 1. Februar trat mit Jóhanna Sigurðardóttir die erste offen lesbische Regierungschefin eines Landes ihr Amt an – und zumindest in der Neuzeit hat es bisher auch noch keinen offen schwulen Regierungschef gegeben. Die HOSI Wien gratulierte der isländischen Premierministerin. Ich berichtete darüber in den LN 2/2009.

Jóhanna Sigurðardóttir

Am 1. Februar trat mit Jóhanna Sigurðardóttir die erste offen lesbische Regierungschefin eines Landes ihr Amt an – und zumindest in der Neuzeit hat es bisher auch noch keinen offen schwulen Regierungschef gegeben. Die HOSI Wien gratulierte der isländischen Premierministerin dazu ganz herzlich und übermittelte ihr die besten Wünsche für diese Aufgabe, die sie sicherlich gut gebrauchen kann in diesen für ihr Land gerade so schwierigen Zeiten.

„Obwohl die sexuelle Orientierung von PolitikerInnen heutzutage eigentlich gar keine Rolle mehr spielen sollte, hat diese ‚Premiere‘ doch international für großes Aufsehen gesorgt“, erklärte die HOSI Wien in einer Medienaussendung am 2. Februar. „Deshalb war es uns auch ein Anliegen, Jóhanna Sigurðardóttir zu ihrer Vorreiterrolle zu beglückwünschen. Als Pionierin muss sie mit der Fokussierung der Medien auf diesen sehr privaten Aspekt ihrer Person wohl leben, allerdings bereitet sie damit der weiteren ‚Normalisierung‘ von Homosexualität auch den Weg – und das ist gut so.“

Die 1942 geborene Jóhanna Sigurðardóttir lebt seit 2002 in einer eingetragenen Partnerschaft (dieses Rechtsinstitut wurde in Island 1996 eingeführt) mit der Schriftstellerin und Journalistin Jónína Leósdóttir. Aus einer früheren heterosexuellen Ehe hat sie zwei Söhne. Zur Regierungschefin wurde Jóhanna Sigurðardóttir bestellt, nachdem Premierminister Geir Haarde von der konservativen Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkurinn) durch wütende Proteste der Bevölkerung zum Rücktritt gezwungen worden war – eine unmittelbare Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise, die das Land an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hat. Haarde regierte gemeinsam mit der sozialdemokratischen Samfylkingin (Allianz), der Partei Jóhanna Sigurðardóttirs, die in Haardes Kabinett bereits Sozialministerin war. Sie bildete eine Minderheitsregierung mit der in den Umfragen mittlerweile führenden „Linksbewegung – Grüne Liste“ (Vinstrihreyfingin – grænt framboð). Die Übergangsregierung wird von der rechtsliberalen Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn) zumindest bis zur Neuwahl des Parlaments (Alþingi) am 25. April 2009 geduldet.

 

Nachträgliche Anmerkungen:

Bei besagter Wahl im April 2009 wurde Sigurðardóttirs sozialdemokratische Allianz stärkste Partei. Zusammen mit der links-grünen Bewegung erreichte das Linksbündnis 51,5 % der Stimmen – die erste linke Mehrheit seit der Unabhängigkeit 1944.

Aber es war wieder typisch: Erst nachdem die Männer das Land in den Abgrund geführt hatten, durfte dann eine Frau ran, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Kaum war dies getan, wählten die Leute in ihrer Amnesie wieder die alten männlichen konservativen Seilschaften – Dankbarkeit ist eben keine politische Kategorie: Bei den Parlamentswahlen 2013 gewannen die bürgerlichen Parteien die Mehrheit zurück, Regierungschef wurde Sigmundur Davíð Gunnlaugsson von der Fortschrittspartei, der dann 2016 über die „Panama Papers“ stolperte und zurücktrat.

Nach den vorgezogenen Neuwahlen im selben Jahr kam es abermals zu einer bürgerlichen Regierung, die aber ein Jahr später schon wieder zerbrach. Nach den Wahlen 2017 war die Regierungsbildung besonders schwierig, schließlich wurde eine ungewöhnliche Koalition aus den beiden konservativen (Unabhängigkeits- und Fortschritts-)Parteien und der Linksbewegung – Grüne Liste, deren Vorsitzende Katrín Jakobsdóttir Premierministerin wurde, gebildet.