10 Jahre „Gugg“
LOSE SERIE: AUS DEM ARCHIV
1980 hatte die HOSI Wien ihr Hauptquartier in einem Souterrain-Lokal in der Novaragasse 40 in Wien-Leopoldstadt aufgeschlagen. Ein eigenes Vereinslokal in Selbstverwaltung und Eigenregie zu führen war von Anfang an ein zentraler Bestandteil der Vereinsaktivitäten (vgl. „Tätigkeitsbereiche“ auf dieser Webseite). Nach fast drei Jahrzehnten an dem Standort im 2. Bezirk war klar, dass sowohl die Räumlichkeiten als auch der Standort nicht mehr zukunftsträchtig waren. Und so begab sich die HOSI Wien, allen voran Obmann CHRISTIAN HÖGL, auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für ein neues Vereinszentrum. Und diese dauerte relativ lange. Und selbst als das Objekt in der Heumühlgasse 14 in Wien-Wieden gefunden war, zögerte der Verein längere Zeit, sprang sogar einmal angesichts des absehbaren hohen Finanzbedarfs für die Adaptierung der Räume kurz vor der Mietvertragsunterzeichnung wieder ab, um sich dann schließlich doch noch dafür zu entscheiden.
Neues Domizil nach 30 Jahren
Zwei Dinge erleichterten schließlich diese Entscheidung: zum einen die Zusage der Stadt Wien (MA 17), die HOSI Wien mit einer einmaligen Subvention von € 24.000,– zu unterstützen. Zum anderen hatte die HOSI Wien Ende 2009 die sechs Jahre dauernden Verfahren in der Erbschaftsangelegenheit nach FRANZ XAVER GUGG gewonnen und rund € 70.000 ausbezahlt bekommen. Letzteres war übrigens, nebenbei bemerkt, insofern vor allem mir zu verdanken, als ich den Vereinsvorstand bei mehreren Gelegenheiten trotz seiner massiven Skepsis drängte, ja überredete, das finanzielle Prozessrisiko – koste es, was es wolle – einzugehen; nicht zuletzt, um Guggs letzten Willen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Notarin, die das Verlassenschaftsverfahren abwickelte, und die Republik Österreich wollten die HOSI Wien um dieses Erbe prellen. Das war ein echter Skandal, den ich in den LN 1/2010, S. 12 ff, ausführlich schilderte. In den sechs Jahren, die der Rechtsstreit dauerte, kümmerte ich mich für die HOSI Wien um die beiden Verfahren, was nicht nur mit einigem Arbeitsaufwand verbunden war, sondern mir etliche schlaflose Nächte bereitete.
Im Mai 2010 unterschrieb die HOSI Wien schließlich den Mietvertrag für die Räumlichkeiten in der Heumühlgasse 14, in denen sich zuvor ein kroatisches Weinlokal befunden hatte. Ein Teil der Räume konnte daher ohne größere Adaptierungen bereits am 5. Juni 2010 provisorisch seine Pforten öffnen, wie ich in den LN 3/2010, S. 6 f, berichtete. Nach umfassenden Umbau- und Adaptierungsarbeiten während des Sommers eröffnete Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) „das Gugg“, wie das Lokal in Würdigung der Unterstützung von Franz Xaver Gugg getauft wurde, am 25. September 2010 dann auch offiziell (vgl. LN 4/2010, S. 6 f, und 5/2010, S. 6 ff [sowie Aussendung der HOSI Wien vom 20. September 2010]).
Das neue Domizil, das nach dem Endausbau ein Café, einen Gruppenraum und ein Büro samt Nebenräumen umfasst, ist barrierefrei und mit einer Fläche von knapp 180 Quadratmetern fast doppelt so groß wie das alte Zentrum in der Novaragasse.
Erweiterung 2015
Nach fünf Jahren platzte das Gugg bereits wieder aus allen Nähten. Nach einigen Jahren regelmäßiger Intervention konnte Christian Högl den Mieter der angrenzenden Räumlichkeiten im selben Haus endlich überreden, diese freizugeben und es der HOSI Wien dadurch zu ermöglichen, diese Räume im Juli 2015 anzumieten (vgl. LN 3/2015, S. 8 f). Damit verdoppelte sich die verfüg- und nutzbare Raumfläche fast auf mehr als 300 Quadratmeter. Über die umfassenden Erweiterungsarbeiten während des Sommers berichtete ich in den LN 4/2015, S. 6 ff. Nach deren Abschluss wurde das vergrößerte Gugg im Rahmen der 5-Jahr-Geburtstagsfeier am 3. Oktober auch offiziell eröffnet. Sandra Frauenberger ließ es sich nicht nehmen, wieder dabei zu sein (vgl. LN 5/2015, S. 24 f).
Nach dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten in der Heumühlgasse und der Renovierung des Lokals wurde ich übrigens 2011 (ehrenamtlicher) gewerberechtlicher Geschäftsführer des Gugg und blieb dies bis zu meinem Ausscheiden aus der HOSI Wien im Mai 2018. Vor allem half ich in all den Jahren als Kellner beim Thekendienst mit. Zwar hatte ich im alten HOSI-Zentrum in der Novaragasse ebenfalls häufig Bardienst gemacht, aber im Gugg nahm dies das Ausmaß einer (unbezahlten) Teilzeitbeschäftigung an, wie ich in meinen Text über „mein Engagement in der HOSI Wien“ berichte.
Das HOSI-Zentrum sowohl in der Novara- als auch in der Heumühlgasse hat in diesen vier Jahrzehnten dem Verein als Hauptquartier gedient: für die regelmäßigen Gruppentreffen, als Büro und Archiv und für tausende Veranstaltungen aller Art, ob Vorträge, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Ausstellungen, Feste, Konzert usw. Viele andere Wiener LSBT-Gruppen haben die Räume der HOSI Wien ebenfalls für ihre Aktivitäten genutzt, seit über 30 Jahren etwa der Frauentanzclub Resis.danse für seine Tanzkurse und Tanzabende. Und natürlich ist das HOSI-Zentrum seit fast vier Jahrzehnten auch die Heimatbasis der „vereinseigenen“ Theatergruppe The HOSIsters.
Nach der Übersiedlung in die Heumühlgasse haben die LAMBDA-Nachrichten regelmäßig – zumindest bis 2018 – über die vielfältigen Aktivitäten im Gugg berichtet. Wer sich darüber einen Überblick verschaffen möchte, kann dies durch Lektüre der entsprechenden LN-Ausgaben tun.
Über 40 Jahre hinweg ein selbstverwaltetes Vereinszentrum zu führen, davon die ersten 30 Jahre ausschließlich durch freiwillige ehrenamtliche Arbeit – erst im „Gugg“ kamen bezahlte MitarbeiterInnen zum Einsatz –, stellt vermutlich einen einsamen Rekord in Österreich und möglicherweise weltweit dar. Mir ist jedenfalls keine Einrichtung bekannt, die so lange bestanden hätte – weder in der LSBT- noch in der sonstigen NGO-Szene, weder im In- noch im Ausland. Da kann man nur gratulieren!