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Verfolgte Lesben und Schwule erhalten in Österreich Asyl

Veröffentlicht am 21. Januar 1992
Österreich war schon früh unter den ersten und sehr wenigen Ländern, die in ihrer Heimat wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Menschen Asyl gewährten. Mit dem Asylgesetz 1991 wurde diese Praxis auch gesetzlich verankert. Das neugeschaffene Bundesasylamt wurde in diesem Zusammenhang vom Innenministerium unter Franz Löschnak (SPÖ) entsprechend instruiert. Ich berichtete darüber in den LN 1/1992.

Unter Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) wurde 1991 sichergestellt, dass nach dem neuen Asylgesetz auch wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Menschen Asyl in Österreich gewährt wird.

Die Verabschiedung des neuen Asylgesetzes durch den Nationalrat Anfang Dezember 1991 wird sicherlich nicht als Sternstunde in die Annalen des Hohen Hauses am Ring eingehen. Denn es wurde ein schändliches und – wie viele meinen – internationales Recht verletzendes Gesetz beschlossen. Auch der langjährigen Forderung der HOSI Wien nach expliziter Aufnahme der Verfolgung aufgrund der „sexuellen Orientierung“ als Asylgewährungsgrund ins neue Asylgesetz wurde nicht entsprochen, obwohl auch Frauenministerin Johanna Dohnal eine entsprechende Änderung der Regierungsvorlage verlangt hatte, wie Der Standard am 7. 11. vermeldete.

Die Formulierung der Genfer Flüchtlingskonvention, auf die sich das Asylgesetz stützt, erlaubt zwar eine Auslegung dahingehend, daß Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ihrem Heimatland verfolgt werden, als Flüchtlinge anerkannt werden können, da – zumindest unserer Ansicht nach – Lesben und Schwule unter eine der fünf darin angeführten Verfolgungskategorien fallen, nämlich unter Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, aber wir hätten es lieber gesehen, daß Lesben und Schwule und ihre Verfolgung nicht länger unsichtbar gemacht, sondern ausdrücklich im neuen österreichischen Asylgesetz genannt werden.

 

Instruktion ans neue Bundesasylamt

So blieb uns nichts anderes mehr zu tun, als im Dezember 1991 Bundeskanzler Franz Vranitzky und Innenminister Franz Löschnak aufzufordern, das aufgrund des neuen Asylgesetzes neu zu schaffende „Bundesasylamt“ und dessen Außenstellen, die ja dem Innenministerium unterstehen werden, anzuweisen, die Genfer Konvention in der Praxis so zu interpretieren, daß Personen, die aufgrund ihrer homosexuellen Orientierung verfolgt werden, politisches Asyl in Österreich gewährt wird. In seiner Antwort vom 23. Dezember 1991 teilte der Innenminister der HOSI Wien mit, daß man im neuen Asylgesetz aufgrund der Vorbringungen zahlreicher Begutachtungsstellen, darunter auch des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen, nicht von der Textierung der Genfer Konvention abgewichen sei, sondern diese beibehalten habe.

Die Erläuterungen und auch die Entscheidungspraxis des Bundesministeriums für Inneres gehen aber davon aus, daß eine Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung einen Fluchtgrund im Rahmen der Genfer Konvention und damit einen Grund für die Zuerkennung des politischen Asyls darstellen kann. In dieser Richtung werden auch die Mitarbeiter des Bundesasylamts in vollem Umfang informiert sein…, so der Innenminister im Wortlaut weiter.

Österreich ist damit neben den skandinavischen Ländern und den Niederlanden einer der ganz wenigen Staaten der Welt, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ihrer Heimat verfolgten Lesben und Schwulen Asyl gewähren. Allerdings hält das neue verschärfte Asylgesetz eine Reihe von Fallstricken für alle potentiellen AsylwerberInnen bereit: U. a. müssen sie direkt aus ihrem Heimatland nach Österreich kommen und dürfen nicht über ein Drittland einreisen, sie müssen ein Ausweispapier mit sich führen, um ihre Identität beweisen zu können – und wird ihr Antrag abgelehnt, können sie zwar Berufung einlegen, müssen aber die Entscheidung darüber irgendwo außerhalb Österreichs abwarten! Gerade der letzte Punkt wird von VölkerrechtlerInnen und MenschenrechtsexpertInnen hart kritisiert.

 

Erfolg für die HOSI Wien

Obzwar man das neue Asylgesetz aufgrund letztgenannter Bestimmungen ablehnen muß, kann die HOSI Wien mit der Regelung für verfolgte Lesben und Schwule einen weiteren großen Erfolg verbuchen. Homosexualität ist in vielen Staaten der Erde auch zwischen erwachsenen Männern bzw. Frauen verboten. Selbst in Europa besteht ein derartiges Verbot noch in Albanien, Belarus (vormals Weißrußland), Bosnien-Herzogwina, Estland, auf der Isle of Man, in Gibraltar, Irland, im Kosovo, in Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldau, Rumänien (gilt auch für Frauen), Rußland, Serbien sowie Zypern.

Im übrigen hat Österreich schon bisher verfolgten Homosexuellen in Einzelfällen Asyl gewährt. Alle drei Fälle, die die HOSI Wien bisher betreut hat (es handelte sich um zwei Iraner und einen Rumänen), haben Asyl bekommen. Ihre Anträge, in denen sie ihre Homosexualität als einen der eigentlichen Fluchtgründe aus Angst vor Abweisung der Anträge verheimlicht hatten, waren in erster Instanz abgewiesen worden. Erst dann haben sie die HOSI Wien eingeschaltet. In den Berufungen wurde dann in allen drei Fällen der Fluchtgrund Verfolgung wegen Homosexualität zusätzlich angeführt.

Natürlich mußte die HOSI Wien dort und da intervenieren, aber schließlich wurde allen drei politisches Asyl gewährt. Die Berufungsinstanzen haben jedoch in keinem der Fälle als Begründung, warum der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben wurde, die Verfolgung wegen der Homosexualität der Asylwerber herangezogen. Der erste dieser drei Fälle datiert im übrigen bis 1984 zurück (vgl. LN 3/1984, S. 12).

 

Nachträgliche Anmerkung:

Über einen der im vorletzten Absatz erwähnten Fälle – er betraf einen schwulen Iraner – berichtete ich ausführlich in den LN 3/1986, S. 19 ff.