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Stupid Black Men*

Erschienen am 28. Januar 2003

Zwar konnte Rot-Grün bei den NR-Wahlen Schwarz-Blau sieben Mandate abjagen, für eine Mehrheit im Parlament reichte es aber leider wieder nicht (86:97 steht es bekanntlich jetzt, im Vergleich zu 79:104 1999). Wie die ÖVP unter den bekannten Vorzeichen der letzten drei Jahre stärkste Partei werden konnte, wird wohl eines der ungelösten Rätsel der Menschheitsgeschichte bleiben müssen – rational erklärbar ist es nicht. (Der Zuwachs bei der ÖVP auf Kosten der FPÖ zeigt auch, wie problemlos der reaktionäre Bodensatz in Österreich zwischen diesen beiden Parteien hin und her wechselt.)

Aber die ÖsterreicherInnen sind halt – let’s face it – in ihrer Mehrheit irrational. Sie sind MasochistInnen. Während sie eine auch in ihren wirtschaftlichen Erfolgen vergleichsweise gute Regierung 1999 abwählten, bestätigten sie jetzt die ÖVP, die durch ihre Koalition mit der FPÖ den Ruf des Landes ruiniert hat und ein Ministerchaos ohne Ende, unglaubliche Vettern- und Freunderlwirtschaft, in Wirklichkeit null Reform, lauter Pfusch (Ambulanzgebühr, Unfallrentenbesteuerung etc.) und explodierende Arbeitslosenzahlen verantwortet. Die MasochistInnen fielen auf eine smarte Finanzministertunte und ihren Nulldefizit-PR-Gag hinein. Mir ist jedenfalls kein herausragender Erfolg dieser Regierung in Erinnerung. Das Kindergeld? Das gab’s auch schon früher als die Versicherungsleistung Karenzgeld. Daß es jetzt auch ein paar Bäuerinnen und Studentinnen bekommen, ist ja nicht unbedingt die Errungenschaft des Jahrhunderts. Nein, die schwarz-blaue Bilanz ist weniger als mickrig. Das zeigt auch deutlich, daß es Schüssel und der ÖVP in Wahrheit einzig und allein um die Macht ging – für ihn persönlich und für die Partei. Die ganze Reformrhetorik war nichts als Gerede, und die dummen Schafe haben es ihnen geglaubt!

Schwarzer Moloch

Während sich die Bush-GegnerInnen in den USA wenigstens damit trösten können, sie hätten ja mit der Mehrheit gestimmt, müssen wir leider sagen: Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen will unbedingt noch mehr davon. Da kann man leider nichts machen. Die schwarze Macht überzieht nun noch weiter das ganze Land, setzt sich noch tiefer in jeder Ritze fest und erstickt alles Nichtschwarze unter sich. Wie profil # 49 vom 2. Dezember 2002 auf so deprimierende Weise den Albtraum dargelegt hat: Die ÖVP holt sich nun die letzten noch nicht schwarzen Schlüsselpositionen der Republik, nachdem ihr ohnehin schon gehören: Kanzler, Bundes- und Nationalratspräsident, sechs der neun Länder, 2/3 aller BürgermeisterInnen, Rechnungshof, VfGH, die Höchstgerichte, die Sozialversicherung, die Notenbank, ÖIAG, der EU-Kommissar – und der ORF. Und offenbar nicht nur die Schlüsselpositionen, Herr Strasser will auch noch die letzten nicht schwarzen Bezirksinspektoren austauschen.

Ja, der ORF – das ist ein unrühmliches Kapitel für sich, das ich inzwischen nur mehr vom Wegzappen kenne. Dort liest uns – Nepotismus in Reinkultur – der Ministersohn die Hauptabendnachrichten vor, wie in der letzten Bananenrepublik. Das wäre selbst in Berlusconis Italien nicht möglich. Man stelle sich bloß vor: Sohn oder Tochter Hawlicek oder Firnberg hätte sich das seinerzeit erlaubt – ÖVP und FPÖ wären, mit Recht, mit Schaum vor dem Mund rotiert! Aber so rotiert nur der Magen jener, die derartiges grundsätzlich für unvereinbar halten – und nicht nur bei den anderen Parteien.

Schwarze Gfrieser

Ja, wir werden einen eisernen Saumagen brauchen, denn die „schwarzen Gfrieser“ werden uns auch in den nächsten vier Jahren täglich via TV belästigen: Khol, Schüssel, Rauch-Kallat usw. Von wegen die ÖsterreicherInnen wollten die Wende und Erneuerung! – Sie haben dieselben alten vertrauten Gfrieser gewählt, die sie schon seit zwanzig Jahren aus dem Fernsehen kennen! Nur keine Experimente! Und so werden der milliardenschwere Unternehmer Bartenstein als Arbeitsminister und der Großindustrielle Prinzhorn (als was, ist noch unklar) den hunderttausenden MindestrentnerInnen, „Working Poor“ und in prekären Beschäftigungsverhältnissen Sklavenarbeit verrichtenden Menschen auch in den nächsten vier Jahren erklären, daß „wir“ uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können – auf daß Bartenstein, Prinzhorn & Co. auch weiterhin milliardenschwer bleiben (nur auf den Kärntner Latifundienbesitzer und Porschefahrer werden wir verzichten müssen – er wird uns nicht abgehen). Wieso muß Fabrikant Bartenstein eigentlich auch noch den Minister spielen und jemand anderem den Arbeitsplatz wegnehmen? Kann er den Hals denn gar nicht voll kriegen, oder glaubt er im Ernst, wir könnten ohne sein segensreiches Wirken als Minister nicht existieren? Ja, da hilft wirklich nur: wegzappen. Und nicht nur vom Brechreiz ORF, sondern vom schwarzen Einheitsprogramm Republik Österreich!

Stockholm-Syndrom

Offenbar haben auch viele Schwule und Lesben diesmal (wieder?) ÖVP gewählt. Das muß eine Art kollektives Stockholm-Syndrom sein: Man identifiziert sich mit seinen Unterdrückern und macht sich als deren Geisel deren Forderungen und Ideologie zu eigen. Dazu kommt eine wilde Mischung aus verinnerlichtem schwulem und lesbischem Selbsthaß, der den wenigsten bewußt ist („Wir sind minderwertig und verdienen es nicht besser.“  – „Wir dürfen uns nicht wundern, daß uns die Gesellschaft so behandelt.“), und Verdrängung („Wir werden eh nicht diskriminiert.“ – „Es geht uns doch eh so gut.“). In Zukunft sollten alle, die sich an einen der Lesben- und Schwulenverbände um Hilfe wenden, als erstes gefragt werden, was sie gewählt haben. Haben sie ÖVP und FPÖ gewählt, sollten wir ihnen sagen: Ja, selber schuld, da können wir dir auch nicht helfen. Denn daß jede und jeder mit ihrer bzw. seiner Stimme bei den Wahlen dazu beiträgt, die politischen Voraussetzungen zu schaffen, daß unsere Situation verbessert werden kann, ist wohl das mindeste, was man an Solidarität verlangen kann. Und wenn dann wieder irgendwo in Europa die Homo-Ehe eingeführt wird oder sonstige Verbesserungen für Lesben und Schwule passieren – nicht neidisch sein, sondern in sich gehen und fragen: Habe ich denn auch die richtige Partei gewählt?

 

* Der Titel ist keine Anspielung auf die „Black Men“ aus Hollywood, sondern auf Michael Moores Post-9/11-Bestseller Stupid White Men.

Kurts Kommentar LN 1/2003

Nachträgliche Anmerkung

Die Bezeichnung „schwarze Gfrieser“ spielt auf die Wortwahl von ÖVP-Klubobmann Andreas Khol an, der – seiner sozialdemokratischen Ex-KoalitionspartnerInnen überdrüssig – diese als „rote Gfrieser“ bezeichnete. Wen Khol wüsste, wie erst die ewig gleichen schwarzen Gfrieser vielen Leuten schon damals beim Halse raushingen!