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Orthodoxe Hassprediger bekämpfen

LOSE SERIE: AUS DEM ARCHIV

Veröffentlicht am 22. August 2022

Der serbisch-orthodoxe Bischof Nikanor Bogunović fiel durch seine homophoben Hasspredigten im Vorfeld des EuroPride 2022 in Belgrad auf.

Serbiens offen lesbische Regierungschefin Ana Brnabić am Infostand von Belgrad-Pride 2018. Seit 2017 marschiert sie auch regelmäßig in der Parade mit, auch gemeinsam mit ihrer Partnerin.

Solidaritätsaktion für Pussy Riot in der russisch-orthodoxen Kathedrale in Wien-Landstraße am 15. August 2012

Es war natürlich zu erwarten gewesen, dass die serbisch-orthodoxe Kirche auch gegen den EuroPride 2022, der vom 12. bis 18. September in Belgrad über die Bühne gehen wird, hasspredigen würde. Die Hetze des orthodoxen Klerus gegen Pride-Veranstaltungen und die Forderung, sie zu verbieten, haben eine lange Tradition in Serbien und gehören mittlerweile quasi zur Folklore des Landes (siehe auch Fußnote am Ende des Textes). Diesmal war es der Banater Bischof Nikanor Bogunović, der gegen den Pride wetterte. Vor drei Tagen sorgte er mit seinen wüsten Hasstiraden für internationale Aufmerksamkeit. Er verfluchte den Pride und rief unverhohlen zu Gewalt auf: „Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich sie benutzen.” (vgl. z. B. Der Standard).

Und wo bleiben die Proteste in Österreich? Okay, es ist Sommer, und die Leute sind in den Ferien. Aber irgendwie ist es schon einigermaßen befremdlich, wie sowohl die LSBTIQ-Bewegung als auch die Grünen, die immerhin in der Bundesregierung vertreten sind, in einem märchen- bzw. eher sagenhaften Dornröschenschlaf vor sich hindösen.

Mit Wehmut erinnere ich mich da an die Aktionen, die etwa die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien vor zehn Jahren als Antwort auf die homophobe Hetze der orthodoxen Kirchen in Russland, Bulgarien und Serbien durchgeführt hat:

Als 2012 das geistliche Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Irinej – bürgerlich: Miroslav Gavrilović (1930–2010) –, den damaligen serbischen Premier Ivica Dačić aufforderte, die geplante Pride-Parade in Belgrad zu verbieten, forderten die HOSI Wien und die Initiative „Religion ist Privatsache“ in einer gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung das Innenministerium bzw. das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf, den österreichischen Ableger dieser Kirche zu überprüfen, da der Patriarch theologisch sowie organisatorisch auch als Oberhaupt der in Österreich gesetzlich anerkannten serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde zum Hl. Sava gilt. Das BVT wurde u. a. ersucht, zu überprüfen, inwieweit die Aktivität der serbisch-orthodoxen Kirche und ihrer Vertreter nach österreichischem Rechtsverständnis den Tatbestand der Verhetzung gem. § 283 StGB erfüllt. (Vgl. auch Fußnote)

In derselben Sachverhaltsdarstellung forderten die beiden Initiativen übrigens auch eine Überprüfung, ob es sich bei der russisch-orthodoxen Kirche (ROK) um eine Mafia-Organisation handelt. Die HOSI Wien sah alle Kriterien erfüllt, die im Sinne des § 278a StGB eine kriminelle Organisation definieren. Laut dieser Bestimmung ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren zu bestrafen, wer „eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung“ gründet, „die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen (…), ausgerichtet ist, und dadurch (…) erheblichen Einfluss auf Politik (…) anstrebt und die andere (…) einzuschüchtern (…) sucht.“ – Verhetzung nach § 283 ist eine schwerwiegende strafbare Handlung, und mit der Forderung nach Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit anderer wird in der Tat erheblicher Einfluss auf die Politik angestrebt. Näheres dazu findet sich in der Presseaussendung der HOSI Wien vom 10. Oktober 2012 und in meinem Beitrag und meinem Kommentar in den LN 4/2012 sowie in meinem Artikel in den LN 5/2012.

Auf diese Eingabe gab es seinerzeit keinerlei Reaktion seitens des Innenministeriums. Wie wir heute wissen, war das BVT ja eine total unfähige, inkompetente und intrigante Lachnummer. Nach dem Terroranschlag in Wien mit vier Toten am 2. November 2020, der unter den Augen des BVT verübt wurde und von diesem eigentlich verhindert werden hätte können, musste das BVT als kompletter Totalschaden schließlich aufgelöst werden.

Übrigens hatte die HOSI Wien schon im September 2012 gefordert, der russisch-orthodoxen Kirche in Österreich den Status einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft abzuerkennen (vgl. Medienaussendung vom 14. September 2012).

Dass die russisch-orthodoxe Kirche eine kriminelle Organisation ist, hat sich mittlerweile bestätigt. Ihr Oberhaupt, der Moskauer Patriarch Kyrill I., dessen Privatvermögen auf mehrere Milliarden Euro geschätzt wird, hat sich zum fanatischen und wenig christlichen Kriegstreiber Putins entwickelt. Dass Kyrill nicht auf die EU-Sanktionsliste gesetzt wurde, hat er nur Viktor Orbán zu verdanken.

Es ist höchste Zeit, den orthodoxen Kirchen die Rute ins Fenster zu stellen: Entweder ihr stellt eure homophoben Hasspredigten ein, oder wir entziehen euch die Anerkennung als Religionsgemeinschaft und damit eure Privilegien. Wenn es der Politik, nicht zuletzt den Grünen, ein echtes Anliegen ist, Hass zu bekämpfen, und nicht nur den im Internet, und wenn sie glaubwürdig sein will etwa im Kampf gegen den politischen Islamismus, dann muss sie überzeugend und konsequent genauso gegen die christlichen Hassprediger und die orthodoxen Kirchen vorgehen, wenn diese politischen Einfluss nehmen und Grund- und Menschenrechte bestimmter Gruppen einschränken wollen.

 

Fußnote:

Der erste Versuch, in Belgrad eine Pride-Parade abzuhalten, fand 2001 statt und endete in einem Blutbad (vgl. LN 3/2001, S. 41). Es sollte acht Jahre dauern, bis sich die Bewegung von diesem Trauma erholte. Doch auch der zweite Versuch 2009 misslang: Die Parade musste kurzfristig abgesagt werden (vgl. LN 6/2009, S. 41 f). 2011, 2012 und 2013 wurden die geplanten Paraden durch die Behörden untersagt bzw. nicht genehmigt. In allen vier Fällen wurde gegen die Entscheidungen der Behörden Beschwerde beim serbischen Verfassungsgerichtshof eingelegt, der diese Entscheidungen in allen vier Fällen für verfassungswidrig erklärte. Seit 2014 konnte die Parade jedes Jahr erfolgreich über die Bühne gehen (nur 2020 fiel sie coronabedingt aus). Zur Geschichte der Belgrader Pride-Paraden siehe auch hier: https://prajd.rs/en/history/