Seite wählen

Auschwitz

Veröffentlicht am 5. Januar 1984
In den LN 1/1984 verfasste GUDRUN HAUER einen ausführlichen Beitrag über Homosexuelle im Faschismus. Der Osteuropa-Informationspool der HOSI Wien hatte in der Zeit auch eine Anfrage an das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau betreffend homosexuelle KZ-Häftlinge initiiert. Das Museum antwortete prompt und schickte Ablichtungen aus dem Mikrofilmarchiv mit, die ich für einen ergänzenden Beitrag zusammenstellte.

Auszug aus den Zugangslisten des KZ Auschwitz für den 29. Juni 1941. An dem Tag wurden auch zwei §-175-Häftlinge eingeliefert (siehe schwarze Pfeile).

Meldung über einen Akt widernatürlicher Unzucht zwischen den Häftlingen M. Unger und G. Weinberg

Vernehmungsniederschrift des M. Unger

Vernehmungsniederschrift des G. Weinberg

Strafverfügung über G. Weinberg

Es muss alles seine bürokratische Ordnung haben: Hier werden die Vorschriften für die körperliche Züchtigung festgehalten, der Lagerarzt bescheinigt die Unbedenklichkeit der körperlichen Züchtigung des Häftlings, der Vollzug wird vom SS-Obersturmbannführer ausdrücklich genehmigt; es wird protokolliert, welcher Häftling die Strafe von 25 Schlägen vorgenommen hat; die Zeugen und Aufsicht, die beim Strafvollzug zugegen waren, bestätigen dies durch ihre eigenhändige Unterschrift.

Vergangenen August schrieben wir ans Państwowe Muzeum Oświęcim, das Staatliche KZ-Museum in Auschwitz-Birkenau, und baten um Informationen über die Lage der Rosa-Winkel-Häftlinge.

Diese Anfrage war nicht nur eine „Routine“-Aktivität unseres IGA-Osteuropabüros oder ein Versuchsballon, um die Reaktion staatlicher Stellen in Polen zu testen – wir wollten auch erfahren, was heute noch an Material vorhanden ist.

Das Państwowe Muzeum Oświęcim schickte uns nicht nur eine höfliche Antwort [siehe Anhang], nein, auch wichtige Informationen, Literaturhinweise und ausgewählte Ablichtungen aus seinem Mikrofilmarchiv. Die Museumsdirektion teilte uns mit, daß in Auschwitz relativ wenige Homosexuelle inhaftiert waren und viele Unterlagen von den Nazis noch selbst vernichtet wurden.

Als „Auschwitz der Homosexuellen“ gilt ja bekanntlich das KZ Sachsenhausen/Ora-nienburg nördlich von Berlin in der heutigen DDR.

 

Aber nun zu den im folgenden veröffentlichten Dokumenten:

Das erste ist ein Auszug aus den Zugangslisten. Unsere Pfeile weisen auf die zwei an diesem Tag eingewiesenen Homosexuellen hin. (S.H. = Schutzhaft; § 175 war das Kürzel für Homosexueller; D = Deutscher).

Da die Schreibarbeiten und die Verwaltung im KZ von Häftlingen durchgeführt wurden, lag es natürlich in ihrem Interesse, die KZ-Bürokratie groß aufzublähen, um auf diese Art so vielen Gefangenen wie möglich Arbeit in den Schreibstuben verschaffen zu können, denn diese sicherte ihnen nicht nur bessere Behandlung und Verpflegung, sondern bessere Überlebenschancen schlechthin. Daß diese Aufblähung gelang, ist an den fünf anderen Dokumenten zu ersehen:

Zu einem wahrscheinlich alltäglichen Vorfall im KZ – zwei Häftlinge verkehren sexuell miteinander – wurden nicht nur eine Meldung und die Protokolle zu den Vernehmungen der beiden Beteiligten, sondern auch ein zweiseitiges Formular über die „Strafverfügung“ ausgefertigt.

(Wir haben keine Unterlagen über die Strafe, die der Häftling Unger bekommen hat, erhalten; sicherlich wird sie schwerer ausgefallen sein.)

Ansonsten bedürfen diese Dokumente wohl keiner weiteren Erklärung.

Wir möchten an dieser Stelle dem Państwowe Muzeum Oświęcim nochmals danken.