Fetisch Gleichstellung
Die Beratungen in der von Justiz- und Gesundheitsministerium eingesetzten Arbeitsgruppe „Gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ (siehe Bericht ab S. 6) stellen Österreichs schwul-lesbischer Bewegung nicht unbedingt das beste Zeugnis aus. Teilweise war es wirklich mühsam, unproduktiv und auch peinlich. Nicht nur, dass so manche/r Vertreter/in der Bewegung durch seine/ihre Fragen zu erkennen gab, sich noch nie mit der Materie auch nur oberflächlich beschäftigt zu haben (man wäre teilweise am liebsten in die Erde versunken). Etliche wollten zudem selbst in der dritten Sitzung noch nicht zur Kenntnis nehmen, dass es nicht darum ging, wer am fantasievollsten die ultimativsten Forderungen zu formulieren imstande ist. Man hatte mitunter den Eindruck, die Sitzung sei als eine Art Flash-Mob, als Hetz einberufen worden, um gemeinsam Wunschbriefe ans Christkind zu verfassen. Andere wiederum wurden von ihrem notorischen Geltungsbedürfnis und übersteigerten Ego fortgetragen und dozierten über Details, die keinen Menschen interessierten. Der Vorsitz war sichtlich überfordert und offenkundig gar nicht gebrieft worden, wozu die ganze Übung eigentlich dienen soll. Ein echtes Panoptikum.
Teilweise ging’s auch ziemlich fanatisch und ideologisch ab. Und die HOSI Wien sah sich plötzlich in der Rolle der pragmatischen, unaufgeregten, gutmütigen und konzilianten Tante. Allerdings hatten das die üblichen Verdächtigen unter ihren KritikerInnen gar nicht geschnallt und hackten reflexartig – aber voll daneben – in gewohnter Manier auf die HOSI Wien hin. Die HOSI Wien lenke endlich ein, stoppe Gekläffe, Querschläge und Herumgezicke, meinten da auf kommerziellen Internetseiten Amateurredakteure, die offenbar nie eine Deutschmatura gemacht haben (und vermutlich nie eine bestehen würden) und deren Intelligenzquotient augenscheinlich keine allzu lichten Höhen erreicht.
Dabei vertritt die HOSI Wien seit 1989 dieselbe klare, gerade, vernünftige und offenbar am ehesten durchsetzbare Linie: Wie damals in Dänemark bestehen wir nicht auf der Öffnung der standesamtlichen Ehe, sondern „begnügen“ uns mit einer – ihr allerdings gleichwertigen – eingetragenen Partnerschaft und verzichten – schweren Herzens – in der ersten Runde auf die Adoption. Beides war 1989 in Dänemark nicht durchsetzbar und ist es heute unter den gegebenen politischen Verhältnissen (ÖVP in der Regierung, rechte Mehrheit im Nationalrat) auch bei uns nicht.
Manchmal fragt man sich schon, wen diese selbsternannten VertreterInnen eigentlich vertreten. Die gewöhnlichen Schwulen und Lesben, die ihre PartnerInnenschaft eintragen lassen wollen, sind in ihrer großen Mehrheit an einer Regelung interessiert, die ihre wichtigsten und brennendsten rechtlichen Probleme löst. Die HOSI Wien arbeitet daher in erster Linie daran, dass eine Regelung kommt, mit der 95 % der gewöhnlichen Lesben und Schwulen zu 95 % die Rechte und Pflichten bekommen, die sie wollen und im Alltag auch benötigen. Sie hätten wohl nicht das geringste Verständnis dafür, wenn die Bewegung eine solche Lösung verhinderte, um vielleicht in zehn Jahren ein bisschen mehr, aber vermutlich auch nicht die perfekte Regelung zu bekommen.
So ist es absurd und verrückt, dass angebliche Schwulenvertreter auf die strengen Scheidungsbestimmungen pochen („Wir wollen auch eine sechsjährige Blockademöglichkeit!“), nur um mit EhegattInnen formal gleichgestellt zu sein. Wäre wie im katholischen Malta die Scheidung überhaupt verboten – diese „Vertreter“ würden wohl im Namen der Gleichberechtigung selbst darauf noch bestehen. In ihrer verbissenen Haltung merken sie gar nicht, dass sie an den Bedürfnissen der allermeisten Lesben und Schwulen vorbeifordern.
Die HOSI Wien interessieren daher auch höchstens dritt- bis viertrangig die von bestimmter Seite in den Raum gestellten „Horrorszenarien“, denen zufolge etwa Heteros beim Verfassungsgerichtshof dann die EP mit ihren günstigeren Trennungsbestimmungen für sich einklagen und womöglich damit reüssieren könnten. Abgesehen davon, dass das äußerst unrealistisch ist – wen kratzte es, sollte ihnen das tatsächlich gelingen? Sollen sie sie doch meinetwegen auch haben! Das wirklich Wesentliche ist doch, dass Lesben und Schwulen so rasch wie möglich ein Rechtsinstitut zur Verfügung steht, das es ihnen ermöglicht, ihre Partnerschaft rechtlich weitestgehend abzusichern. Wie ich schon in der letzten Ausgabe an dieser Stelle geschrieben habe: Es besteht für uns dabei nicht der geringste Grund, die Ehe fetischartig als Maß aller Dinge zu betrachten.