Die ÖVP muss weg!
Sie hat es wieder getan: Die ÖVP verhinderte die schon zugesagte Reform des sogenannten Mafiaparagraphen (§ 278a StGB) im Justizausschuss am 19. Juni. Die Koalitionspartnerin SPÖ wurde einmal mehr desavouiert und schäumte. Als LSBT-Bewegung haben wir ähnliche ÖVP-Manöver ja zweimal beim Levelling-up im Gleichbehandlungsrecht erlebt: Der ÖVP-Klub ließ bekanntlich bereits ausverhandelte Regierungsvorlagen in diesem Punkt platzen – und es kam zu keiner Ausweitung des Diskriminierungsschutzes aufgrund der sexuellen Orientierung außerhalb der Arbeitswelt.
Aber in der HOSI Wien wissen wir – nach 35 Jahren im politischen Geschäft – ohnehin schon längst: Die ÖVP ist eine miese wortbrüchige Partei, der man nicht über den Weg trauen kann. Sie ist zutiefst antidemokratisch, korrupt und lobbygesteuert. Und sie ist in ihrem Machtrausch schon dermaßen präpotent, dass sie gar nicht mehr versucht, das zu verschleiern. Auch beim besagten § 278a gibt sie unumwunden zu, der Bauern-, Jäger- und Pelzindustrie-Lobby nachgegeben zu haben, denn Betreiber von Pelzgeschäften hätten ohne § 278a keine rechtliche Handhabe gegen geschäftsstörende Tierschützeraktionen. Dabei hat der rechtskräftige Freispruch in der Anklage nach § 278a im Skandalprozess gegen 13 TierschützerInnen gezeigt, dass diese Handhabe in Wirklichkeit gar keine ist. Was hingegen bezweckt wird und möglicherweise funktioniert, ist die Einschüchterung von kritischen BürgerInnen und NGO-FunktionärInnen. Denn durch die sündteuren Verfahrenskosten wurden in der Tat Existenzen zerstört und die schließlich freigesprochenen Angeklagten in den finanziellen Ruin getrieben. Das könnte in der Tat Leute abschrecken. Daher wollen die ÖVP und ihre Lobbys diese Abschreckungswaffe im Strafrecht belassen. Bloß: Nicht alle werden sich abschrecken lassen. Und Fundraising und Schwarmfinanzierung funktionieren auch für Politprozesse gegen kritische NGOs. Auch wir haben das ja schon mehrfach durchgezogen: beim „Bischofsouting“ 1995, bei der Ehrenbeleidigungsklage des ÖVP-Abgeordneten Walter Tancsits gegen zwei HOSI-Wien-Aktivisten (2005–07) oder bei unserem Kampf gegen die Republik Österreich um das Erbe nach Franz Xaver Gugg. Die prohibitiven Prozesskosten haben uns nicht abgehalten! Und wir haben das alles überlebt!
Wie Putin und Erdoğan
Das Ärgerliche in diesem Zusammenhang ist ja, dass der ÖVP offenkundig völlig egal ist, wie sehr und nachhaltig das Ansehen von Institutionen wie Polizei und Justiz beschädigt wird, wenn diese von der ÖVP-Politik für ihre widerwärtigen und ekelhaften Ziele instrumentalisiert werden. Wer Gerald Hauzenbergers preisgekrönte Dokumentation Der Prozess über das spektakuläre Gerichtsverfahren gegen die TierschützerInnen gesehen hat (lief am 9. Juni auf ORF 2), muss ja jeden Glauben in und jeden Respekt vor Polizei und Justiz verlieren – und das kann in einem Rechtsstaat nicht gesund sein: Die ermittelnden PolizeibeamtInnen und der Staatsanwalt wurden da wie die größten VollidiotInnen vorgeführt. Unfassbar! Ein Fiasko und Debakel für Polizei und Justiz der Sonderklasse, in das diese jedoch allein durch ÖVP-Politiker hineingehetzt wurden! Die ÖVP stört es offenkundig nicht im geringsten, dass durch ihr Handeln Österreich wie die letzte Bananenrepublik dasteht. Insofern tut man sich ja als Österreicher auch schwer, etwa Wladimir Putin oder Recep Erdoğan für ihre antidemokratischen Anwandlungen zu kritisieren, denn wer im Glashaus sitzt… – da muss erst einmal im eigenen Land aufgeräumt werden!
Im Bett mit Platter
Nicht minder ärgerlich ist, dass sich die Grünen jetzt überall mit dieser politisch verlausten ÖVP ins Bett legen und sich ihr als Steigbügelhalter andienen, damit die korrupte ÖVP-Herrschaft überall in diesem Land weitergehen kann. Haben die Grünen vergessen, dass es der jetzige Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Platter gewesen ist, der als ÖVP-Innenminister seinerzeit die ganze Aktion gegen die TierschützerInnen orchestriert hat? Dabei schrieb der Tiroler Grün-Politiker GEBI MAIR selber am 4. Mai 2011 in seinen Blog: „Ohne Günther Platter wäre es nämlich gar nicht dazu gekommen. Herr Graf, Eigentümer von Kleider Bauer, forderte, nach eigenen Angaben in seiner Einvernahme im Rahmen des Prozesses, am 4. April 2007 einen Termin bei Innenminister Günther Platter ein. Bereits am 5. April kam es zu diesem Termin.“ Und dann nahm einer der größten Polizei- und Justizskandale der 2. Republik seinen Lauf. Und jetzt haben die Grünen nicht die geringsten Skrupel, sich mit diesem Typen ins Regierungsbett zu legen? Pfui Teufel – es ist zum Speiben!
Apropos ÖVP-Innenminister: Was ist eigentlich mit Ernst Strasser? Sitzt der eh schon im Häfn, oder läuft der immer noch frei herum, weil seine Verurteilung immer noch nicht rechtskräftig ist? Für mich ist die ÖVP das Letzte – eine echte Gefahr für die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat. Eigentlich noch schlimmer als die FPÖ. Es ist höchste Zeit, dass diese Partei endlich aus der Bundesregierung gejagt wird! Wenn es sein muss, meinetwegen auch mit Hilfe der FPÖ und von Frank Stronach. Alles ist besser als die ÖVP in der Regierung.
26 Jahre ÖVP ununterbrochen in der Bundesregierung sind genug!
Que(e)rschuss LN 3/2013
Nachträgliche Anmerkungen
Im Juli 2013 beschloss der Nationalrat dann doch die Entschärfung des § 278a StGB. „Es ist zwar erfreulich, dass die ÖVP noch quasi in letzter Minute vor der Sommerpause des Parlaments ihren Widerstand aufgegeben und diese Reform ermöglicht hat. Aber dieser erbitterte Widerstand hat natürlich einmal mehr die antidemokratische Grundhaltung der ÖVP aufgezeigt“, erklärte ich als HOSI-Wien-Generalsekretär in einer Aussendung am 6. Juli 2013.
Zum Prozess gegen die TierschützerInnen siehe auch meinen Kommentar in den LN 2/2011.
Zu diesem Zeitpunkt lief Ex-Innenminister Ernst Strasser noch frei herum, siehe dazu auch meine nachträglichen Anmerkungen zu meinem Kommentar in den LN 3/2009.