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Kommentar der anderen im Standard

Fundamentalismus ist überall

Veröffentlicht am 23. November 2004
Vergleichende Anmerkungen zur Debatte über Europas Umgang mit der „islamischen Bedrohung“: Ist Österreich zu „liberal“ gegenüber religiösen Fanatikern? – Antwort aus der Schwulen- und Lesbenbewegung: „Ja, besonders gegenüber den katholischen!“

Keine Frage: In den Niederlanden war man zu nachsichtig gegenüber fundamentalistischen Auswüchsen islamischer Hassprediger – das haben nicht zuletzt Lesben und Schwule zu spüren bekommen. War es früher etwa für sie ganz selbstverständlich, auch als LehrerInnen ihre Homosexualität offen zu leben, haben in den letzten Jahren die Klagen darüber stark zugenommen, dass dies zunehmend schwierig geworden sei, weil sie von SchülerInnen muslimischer Herkunft immer aggressiver gemobbt würden.

In den Niederlanden und anderen Staaten gibt es allerdings – im Gegensatz zu Österreich – wenigstens Gesetze gegen religiös motivierte Hetze. In Schweden wurde im Juni ein Pastor der Pfingstkirche wegen homophober Äußerungen in einer Predigt zu einem Monat Gefängnis verurteilt, da der Richter der Ansicht war, das Recht eines Menschen, nicht beleidigt und in seiner Würde verletzt zu werden, sei schützenswerter als die Religionsfreiheit.

 

Begründete Angst

Einer der Gründe für die scheinbar so „liberale“ Haltung der niederländischen Gesellschaft gegenüber homophoben oder frauenfeindlichen Haltungen von Vertretern des Islams ist jedoch die naheliegende Gefahr, dass jede Kritik daran als Islamophobie ausgelegt werden könnte bzw. man „Unterstützung“ von unerwünschter Seite bekommt. Eine Debatte über Glaubensfragen, wie sie ständig mit christlichen Religionen geführt wird, artet dann sofort in Xenophobie aus.

Dass eine solche Befürchtung alles andere als unbegründet war, hat sich nach dem Mord an Theo van Gogh gezeigt: Da wurden vom rechten Mob nach der Einzeltat eines Verrückten Moscheen angezündet. So kritik- und verabscheuungswürdig bestimmte Aussagen sind, kann man diese aber nicht einfach mit dem Islam schlechthin gleichsetzen. Das wäre genauso unfair, würde man die extremen Haltungen des jetzigen Papsts, Bischof Launs oder Bischof Krenns mit dem gesamten Christentum gleichsetzen.

Und kein Mensch käme auf die Idee, dieses aufgrund des Mordes eines christlichen Fanatikers an einem „Abtreibungsarzt“ in den USA zu beurteilen und als Reaktion darauf Kirchen anzuzünden. Wahnsinnige gibt es in allen Religionen.

Gerade am Beispiel Homosexualität sieht man deutlich, dass es zwischen den Religionen nur graduelle Unterschiede gibt. In Österreich sind wir dank der römisch-katholischen Kirche längst noch nicht soweit, dass homosexuelle LehrerInnen offen leben können. Der direkte und indirekte Einfluss auf die Politik ist ungebrochen. Wobei Krenn und Laun bei Gott keine Einzelfälle sind. Dass Homosexuelle perverse Sünder seien, lesen wir nicht nur im Kampfblatt „Der 13.“, sondern in so manchem biederen Pfarrbrief. Und das gesellschaftliche Klima in diesem Land ist immer noch so beschaffen, dass homosexuelle Jugendliche viermal öfter in den Selbstmord(versuch) getrieben werden als heterosexuelle.

 

Launs Heilslehre

Und wo blieb der laute Aufschrei, als Bischof Laun mit seinen „Heilungsseminaren“ hausieren ging – das letzte Mal haben in unseren Breiten die Nazis so vehement die Homosexualität „heilen“ wollen: in den KZ! Oder als die Bischofskonferenz – wie unlängst erst wieder – dagegen agitierte, dass die Republik die – wohlgemerkt! – standesamtliche Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Das gilt offenbar als normale Missionstätigkeit oder als lässliches Kavaliersdelikt, aber in Wahrheit ist das Fundamentalismus pur: Unterdrückung von Menschen im Namen des Glaubens.

Wenn Staat und Gesellschaft religiösen Fanatismus bekämpfen wollen, dann ist das nur zu begrüßen – aber bitte jeglicher konfessionellen Ausprägung! Religion muss Privatsache sein. Niemand soll daran gehindert werden, für sich nach seinen religiösen (Wahn-)Vorstellungen zu leben, solange anderen daraus kein Schaden erwächst (wobei das eigentlich auch für die Zwangstaufe an wehrlosen Säuglingen und religiös motivierte Genitalverstümmelung zu gelten hätte). Sobald aber Gläubige die gesamte Gesellschaft nach ihren religiösen Vorstellungen formen wollen, gehören ihnen unmissverständlich und konsequent die Schranken für ihren Proselytismus aufgezeigt.

Spätestens dann müssen sie sich auch gefallen lassen, dass man ihre obskuren Glaubensdogmen und ihr irrationales Frauenbild – warum etwa dürfen Frauen nicht Priester werden? – hinterfragt. Aufgeklärte Nichtgläubigkeit mit Gewalt – oder Blasphemie-Paragrafen – bekämpfen zu wollen zeugt dann höchstens von Glaubensschwäche – oder eben von Machtansprüchen, die in einer weltlichen Gesellschaft inakzeptabel sind!

 

Link zum Original-Beitrag: https://derstandard.at/1868318/Fundamentalismus-ist-ueberall