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Kommentar der anderen im Standard

Hochzeit mit Hindernissen

Veröffentlicht am 24. August 2004
Bei der Umsetzung der kontroversiell diskutierten „Homo-Ehe“ ist ein pragmatischer Zugang vonnöten: rechtliche Gleichstellung bei Anpassung an die spezifischen Lebenssituationen – diesen Ansatz der HOSI Wien argumentiere ich in einem Kommentar im Standard.  

Es ist bemerkenswert, wie in ein und denselben Tageszeitungen im Abstand nur weniger Tage völlig unterschiedliche Informationen darüber zu lesen waren, welche Rechte gleichgeschlechtliche Paare bereits haben. Auch so manche Oppositionspartei hat Dinge gefordert, die bereits „erledigt“ sind – etwa bei Mietrecht oder Pflegefreistellung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte im Juli 2003 in der Beschwerde Karner gegen Österreich fest, dass eine rechtliche Ungleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgefährten eine Verletzung der Menschenrechtskonvention darstellt (vgl. DER STANDARD, 5. 8. 2003).

Aus der Urteilsbegründung des EGMR ist klar abzuleiten, dass dies über den Anlassfall – es ging um das Eintrittsrecht laut Mietrecht – hinausgeht und für alle relevanten gesetzlichen Bestimmungen analog zutrifft. Wären also die Menschenrechte und die Nichtdiskriminierung von Lesben und Schwulen tatsächlich für ÖVP und FPÖ so wichtige Anliegen, wie ihre Vertreter nunmehr ständig beteuern, hätten sie schon längst im Sinne und Geist dieses EGMR-Urteils zumindest die homo- mit den heterosexuellen Lebensgemeinschaften rechtlich gleichstellen müssen.

Aber nicht einmal das haben sie getan. Nun geht es jedoch vor allem darum, auch in jenen Bereichen, in denen die Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe generell „benachteiligt“ ist, rechtliche Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Paare zu erzielen, denn diese verfügen ja über keine Heiratsoption. Der pragmatische Weg zu einer solchen Gleichstellung ist die „Eingetragene Partner(innen)schaft“ (EP) – vulgo „Homo-Ehe“ – nach nordischem Modell.

In Skandinavien haben die entsprechenden Gesetzestexte auf einer A-4-Seite Platz, denn diese verweisen im Wesentlichen darauf, dass alles, was für Eheleute gilt, grundsätzlich auch für eingetragene PartnerInnen gilt, und zählen nur jene Ausnahmen auf, die gleichgeschlechtlichen Paaren ausdrücklich nicht gewährt werden. Diese wenigen Ausnahmen (u. a. die Adoption) werden im Übrigen nun nach und nach beseitigt.

 

Keine „Ehe light“

Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass in Österreich – egal, unter welcher Regierung – sofort die volle Gleichstellung mit der Ehe verwirklicht wird. Ausnahmen, mit denen man sich eventuell vorerst abfinden wird müssen, sind wohl Adoption und Witwen-/Witwerpension. Pragmatisch wäre ein eigenes Rechtsinstitut auch deshalb, weil die EP von der Ehe abweichende Trennungsbestimmungen enthalten müsste, die für die Lebenssituation von lesbischen und schwulen Paaren adäquater sind.

Die typisch heterosexuelle Geschlechtsrollenverteilung, auf die das Ehescheidungsrecht Rücksicht nehmen muss, kommt ja in homosexuellen Paarbeziehungen in der Regel nicht vor. Die Öffnung der Ehe, wie sie momentan besteht, zu fordern hieße, an den Bedürfnissen von Lesben und Schwulen vorbeizufordern. Gleichstellung an sich kann und soll ja kein reiner Selbstzweck sein.

Lesben und Schwule sollten heute selbstbewusst genug sein, die Heterosexualität und ihre Normen nicht zum Maß aller Dinge zu erheben, und sich ihre eigenen Modelle erarbeiten, die für ihre Lebensrealität tauglicher sind. Hauptsache, die gleichen Rechte – und Pflichten – sind damit verbunden.

Auf breite Ablehnung der Lesben- und Schwulenbewegung stieß der Vorschlag der Grünen, mit einem so genannten Zivilpakt (ZIP) eine neue Form der Ehe für homo- und heterosexuelle Paare zu schaffen. Abgesehen davon, dass es von Tag zu Tag verwirrender wird, welche Unterschiede die Grünen zwischen einem Trau- und einem ZIP-Schein haben wollen, wird die ohnehin mühsame Diskussion über die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare durch eine Debatte über eine „Ehe light“ für Heterosexuelle unnötig überfrachtet.

Ein ZIP, der auch Heteros offen stehen soll, wird von konservativer Seite wohl als befürchtete „kalte Abschaffung“ der traditionellen Ehe bekämpft werden, was eine Lösung für Lesben und Schwule gefährden könnte. Wenn die Grünen bei der Ehe Reformbedarf sehen, sollten sie lieber gleich auf dieser Baustelle zu arbeiten beginnen.

Das größte Missverständnis in der Debatte ist wohl die Gleichsetzung Ehe = Familie = Kinderaufzucht. Zum einen werden Kinder auch außerhalb der Ehe großgezogen; zum anderen bleiben viele Ehen – bewusst – kinderlos. Daher sollte tatsächlich nur die Kindererziehung staatlich gefördert werden. Wenn heute zwei 50-Jährige heiraten, die keine Kinder mehr bekommen, ist das genauso „wertlos“ für die Gesellschaft wie eine „Homo-Ehe“, dennoch kommen sie in den Genuss der rechtlichen Eheprivilegien.

 

Pure Homophobie

Gleichgeschlechtliche Paare, ob mit oder ohne Kinder, davon auszuschließen stellt eine Diskriminierung dar. Wo ist das Problem? 90 Prozent der Bevölkerung sind heterosexuell. Es wird daher – in absoluten Zahlen – immer mehr kinderlose Hetero- als kinderlose Homo-Ehen geben! Hier merkt man: Der wahre Grund der Ablehnung ist pure Homophobie.

Ähnlich verlogen ist die Haltung von ÖVP und FPÖ in puncto (Stiefkind-)Adoption. Abgesehen davon, dass bereits hunderte, ja tausende Kinder in Österreich ohne Rücksicht auf Dieter Böhmdorfers Vorstellungskraft mit zwei Müttern oder Vätern aufwachsen, werden ja in erster Linie die Rechte der betroffenen Kinder beschränkt, wenn der Gesetzgeber der Partnerin der Mutter bzw. dem Partner des Vaters die Ko-Adoption verwehrt.

Hier werden die Kinder für die sexuelle Orientierung ihrer Mutter bzw. ihres Vaters bestraft. Ginge es der ÖVP und FPÖ wirklich um das Kindeswohl, müssten sie zumindest die Stiefkindadoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen.

 

Link zum Original-Beitrag: https://derstandard.at/1770261/Kommentar-der-anderen-Hochzeit-mit-Hindernissen