Neues von der AIDS-Hilfe
Offizielle Eröffnung der ersten Beratungsstelle der ÖAH in Wien: v. l. n. r.: Helga Halbich, Gunter Liebeswar, Verena Baustädter, Reinhardt Brandstätter, Judith Hutterer, Nina Arzberger, Otto Presslich, Ingried Erlacher und Henning Dopsch. An der Wand die von Lore Heuermann als Leihgaben zur Verfügung gestellten Kunstwerke.
FOTO: HUBERT SCHATZL
Wie in den LN 4/1985, S. 5 f, berichtet, hat die Österreichischen AIDS-Hilfe (ÖAH) im 8. Wiener Gemeindebezirk eine Wohnung angemietet, da sich die Gemeinde Wien geweigerte hatte, geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Diese Wohnung wurde in Rekordzeit adaptiert und eingerichtet. Zahlreiche Privatpersonen gaben Mobiliar, Teppiche und Luster als Leihgaben oder Geschenke, Lore Heuermann stellte zahlreiche Kunstwerke zur Verfügung, und die Pharma-Firma Bender & Co sponserte die AIDS-Hilfe mit einem größeren Betrag für Stühle und Türpolsterungen. Die Gemeinde Wien überließ der ÖAH schließlich Büromöbel (Schreibtische und Aktenschränke sowie diverse Kleinmöbel), die HOSI Wien stellte ihren Commodore 64 (inklusive Diskettenlaufwerk und Drucker), den sie vor kurzem als Spende erhalten hat, für Textverarbeitung, Buchhaltung usw. zur Verfügung.
Offizielle Eröffnung
Am 7. November nahm die Informations- und Beratungsstelle in der Wickenburggasse 14 ihren Betrieb auf, drei Wochen später fand dann die offizielle Eröffnung durch Univ.-Dr. Dr. Gunter Liebeswar, Leiter der Sektion Volksgesundheit im Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz, statt. Das sechsköpfige Berater- und Ärzteteam, das in der AIDS-Hilfe tätig ist, wurde präsentiert und stellte seine Arbeit vor.
Danach gab’s noch ein Buffet, für das Udo Proksch [1934–2001] freundlicherweise drei Demeltorten aus der k. u. k. Hofzuckerbäckerei zur Verfügung stellte.
Drei ORF-Kamerateams filmten die Eröffnung für diverse Sendungen (die teilweise erst im Jänner ausgestrahlt werden), der Hörfunk war ebenso vertreten wie die Printmedien. Den beiden großen Tageszeitungen Kurier und Krone, die monatelang tagtäglich irgendeinen unwichtigen Furz zu AIDS abgedruckt haben, war die Eröffnung dieser AIDS-Hilfe-Stelle indes keine Zeile wert.
Relativ spät stellten sich Schwierigkeiten mit den Hausparteien ein, als nämlich das Gerücht aufkam, die AIDS-Hilfe betreibe eine Ambulanz in den Räumen in der Wickenburggasse. Selbst ein hoher Beamter der Wiener Gesundheitsbehörde brachte die falsche Behauptung in Umlauf, in der AIDS-Hilfe stünden sechs Ambulanzbetten. Ein Beschwerdebrief an das Gesundheitsministerium, an Gesundheitsstadtrat Alois Stacher [1925–2013] und an die Bezirksvorstehung wurde allerdings nicht von allen Hausparteien unterschrieben. Erst als ein Abgesandter des Wiener Gesundheitsamtes die Räumlichkeiten inspizierte und sich davon überzeugen konnte, daß es sich dabei um eine reine Informations- und Beratungsstelle handelt, klärte sich die Lage. Auf gewissen Ebenen der Wiener Gesundheitsbehörde hielt man die ÖAH wohl für einen obskuren Verein. Dieses Mißverständnis wurde aber durch das Vorzeigen der Schreiben von Damals-noch-Gesundheitsminister Kurt Steyrer (1920–2007), ÖVP-Gesundheitssprecher Günter Stummvoll, Staatssekretär Mario Ferrari-Brunnenfeld (FPÖ) [1932–2001] und des obersten Wiener Gesundheitschefs Stacher, mit denen diese ihren Beitritt ins Kuratorium der ÖAH erklärten, ausgeräumt.
Die Beschwerden der Hausbewohner werden wohl kaum irgendwelche Konsequenzen haben.
Die Arbeit
Sonst gab es keine Schwierigkeiten. So konnte die Arbeit der Informations- und Beratungsstelle auch bestens anlaufen. Das Beraterteam – bestehend aus Dr. Christine Arzberger, Psychologin, Dr. Verena Baustädter, Medizinerin, Henning Dopsch, Psychologe, Dr. Reinhardt Brandstätter [1952–1992], Sexualwissenschaftler und Sexualberater, und den beiden Ärzte Dr. Judith Hutterer und Dr. Otto Presslich [1937–2018], Oberarzt an der Drogenambulanz der Psychiatrischen Universitätsklinik im AKH und als solcher die „Mutter Teresa der Drogenabhängigen“ – wie ihn der WIENER bezeichnete, der Presslich zum „WIENER des Monats“ November kürte – leistet hervorragende Arbeit, wie man aus den Rückmeldungen erfährt. Eine Positivengruppe wurde ebenfalls ins Leben gerufen und trifft sich regelmäßig, und drei Krankenpfleger betreuen bereits ehrenamtlich die Wiener AIDS-Kranken. Reinhardt Brandstätter durfte auch schon zwei antikörperpositive Insassen des Wiener Gefangenenhauses besuchen.