Beitrag in Flagge zeigen – CSD Berlin-Brandenburg ’95
Aufbruch jenseits des Tellerrands – der Weltverband ILGA braucht die Unterstützung aus Deutschland
Der CSD ist ein weltumspannendes Ereignis geworden. Was liegt also näher, als an diesem Tag einmal über den eigenen Tellerrand zu blicken?
Jede Bewegung, will sie international etwas erreichen, muß sich auch international organisieren und ihre Kräfte bündeln. Der erste Schritt hierzu wurde 1978 getan, als Lesben- und Schwulenorganisationen den bis heute weltweit einzigen Dachverband, die International Lesbian and Gays Association (ILGA), aus der Taufe hoben. Seit ihrer Gründung hat sich die ILGA zu einer echten Lobby entwickelt und sich zunehmend wirkungsvoller auf internationaler Ebene für die Berücksichtigung lesbisch-schwuler Anliegen engagiert.
Die bisherigen Erfolge des homosexuellen Weltverbands können sich durchaus sehen lassen. 1993 errang die ILGA „beratenden Status“ beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen. Dieser Status wurde zwar im Herbst letzten Jahres vorübergehend suspendiert, es besteht jedoch die Hoffnung, ihn noch dieses Jahr wieder zu erhalten. Die ILGA war und ist bei zahlreichen UNO-Tagungen vertreten und hat dort als anerkannte nichtstaatliche Organisation (NGO) Lesben und Schwule sichtbar gemacht und ihre Anliegen thematisiert. Dem Druck der ILGA ist es u. a. zu verdanken, daß die Menschenrechtsorganisation amnesty international seit einigen Jahren auch verfolgte Homosexuelle als Gewissensgefangene anerkennt.
Erfolgreich hat sich die ILGA beim Europarat dafür eingesetzt, daß die Aufnahme der Reformstaaten Osteuropas mit der Entkriminalisierung der Homosexualität einherging. Im Europaparlament stellt die ILGA zudem eine wichtige Lobby dar. Die Verabschiedung einer Resolution zur Gleichberechtigung Homosexueller in der EU im Frühjahr war zweifellos ein Meilenstein. Im Rahmen der EU-Unterstützung für Osteuropa konnten außerdem Gelder für Lesben- und Schwulenprojekte mobilisiert werden. Und schließlich bekannte sich nach zweijährigem Lobbying die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) dazu, die Nichtdiskriminierung von Lesben und Schwulen in ihren Verpflichtungskatalog aufzunehmen.
Angesichts der bescheidenen Ressourcen und Strukturen der ILGA ist es um so erstaunlicher, wieviel bereits erreicht wurde. Doch gilt nach wie vor, daß sie nur so wirkungsvoll sein kann wie ihre einzelnen Mitglieder zusammen stark sind. Mehr denn je werden Erfolge auf internationaler Ebene auch künftig davon abhängen, wie sehr sich die einzelnen Mitglieder – nicht zuletzt auch in Deutschland – auf nationaler Ebene, bei den Regierungen, Parlamenten und Außenministerien, für die Anliegen von Lesben und Schwulen engagieren.