Beitrag im deutschen Magazin zum CSD 07
Auf nach Riga!
Lettlands Hauptstadt ist neben Moskau, Chișinău und Warschau eine jener Städte gewesen, in denen der CSD in den letzten beiden Jahren mit ernsten Problemen zu kämpfen hatte. Dieses Jahr setzt die organisierende Gruppe Mozaīka bei der dritten Auflage von Rīgas Praids daher mehr denn je auf internationale Zusammenarbeit und Unterstützung.
Zu diesem Zweck ist einer der größten CSD-Veranstalter Europas, Pride London, eine nachahmenswerte Kooperation mit Mozaīka eingegangen. In einer ersten gemeinsamen Aktion haben die beiden im März 2007 JournalistInnen ausländischer schwullesbischer Medien nach Riga eingeladen, um ihnen ihre Initiative vorzustellen. Die britischen Partner hatten nicht nur eine Unterstützungserklärung des Londoner Bürgermeisters Ken Livingston im Gepäck, vor Ort lud zudem der britische Botschafter zu einem Empfang in seine Residenz, an dem auch Botschafter anderer EU-Staaten teilnahmen – was durchaus als Signal an die lettische Politik gedacht war und das von CSD-Gegnern prompt als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Lettlands gewertet wurde. Menschenrechte sind in einem vereinten Europa und in einer globalisierten Welt jedoch längst keine innere Angelegenheit eines Staates!
Unterstützung kam paradoxerweise auch von lettischer Seite, wo man das nicht zu vernachlässigende touristische Potenzial von Schwulen und Lesben erkannt hat. Sie sind eine Zielgruppe, die zu umwerben sich bezahlt macht. Und so wurden die ausländischen MedienvertreterInnen nicht nur von den Tourismusverbänden Rigas und Lettlands in den besten Restaurants der Stadt bewirtet, sondern auch im Hotel Latvija, einem offiziellen Sponsor von Rīgas Praids, kostenlos untergebracht. Es ist schon eine pikant-groteske Situation, dass (halb)staatliche Stellen sich größte Mühe geben, Leute in ein Land zu locken, die nach Aussagen vieler seiner Politiker dort unerwünscht sind oder – sollten sie an der Pride-Parade teilnehmen – möglicherweise von rabiaten Homophobikern, wie im Vorjahr geschehen, attackiert werden.
Weniger zwiespältig sollte die Sache indes für engagierte Lesben und Schwule aus dem Ausland sein. Ihre Solidarität ist einfach dringend gefragt. Damit der CSD ein voller Erfolg wird, hofft man bei Mozaīka auf rege Teilnahme aus ganz Europa – auch aus dem deutschsprachigen Raum –, um nicht zuletzt die Behörden unter Druck setzen zu können, für einen reibungslosen und gewaltfreien Ablauf des CSD zu sorgen. Und da die wunderschöne Ostseemetropole ohne jeden Zweifel immer eine Reise wert ist, sei an diese Stelle die Werbetrommel für Riga im allgemeinen und die Draudzības dienas 2007 im besonderen ordentlich gerührt: Auf dem Programm der „Freundschaftstage 2007“, die am 31. Mai beginnen, stehen Seminare und künstlerische Aktivitäten. Den krönenden Abschluss soll dann am Sonntag, 3. Juni, die Parade bilden.
Mozaīka geht davon aus, dass der Marsch dieses Jahr nicht untersagt wird, denn im November 2006 hat das lettische Verfassungsgericht einige Bestimmungen des Versammlungsrechts als verfassungswidrig aufgehoben. Ab Juni gelten daher neue Vorschriften für Kundgebungen. Diese müssen dann den Behörden nur mehr angezeigt werden, eine ausdrückliche Genehmigung ist nicht mehr nötig.
Gerade in diesem Punkt haben die CSD-Organisatoren im Vorjahr einen Rückschlag gegenüber 2005 erlitten. Vor zwei Jahren hob das zuständige Verwaltungsgericht das Verbot der Parade durch die Stadtverwaltung rechtzeitig auf. Ein massives Polizeiaufgebot musste allerdings die Parade dann vor Gegendemonstranten schützen. Das professionelle Vorgehen der Polizei wurde damals sehr gelobt.
Ganz anders das Verhalten der Polizei im Vorjahr. Abermals hatte die Stadtverwaltung keine Genehmigung erteilt. Die Organisatoren legten dagegen zwar wieder Einspruch ein, aber die Parade konnte nicht stattfinden. Stattdessen gab es ein Alternativprogramm im Hotel Latvija und einen Gottesdienst in der anglikanischen Kirche, vor der eine wildgewordene Menge den BesucherInnen auflauerte und sie mit Eiern und Exkrementen bewarf. Die Polizei griff viel zu spät ein. Sie machte auch keine Anstalten, die Lesben und Schwulen vor dem gewalttätigen Mob zu schützen, der das Hotel Latvija belagerte. Die in der Folge erhobene Forderung nach dem Rücktritt von Innenminister Dzintars Jaundžeikars von der Ersten Partei Lettlands, einer extrem konservativ-christlichen Partei, die schon zuvor gegen den CSD agitiert hatte, wies Premier Aigars Kalvītis von der Volkspartei zurück. Beängstigend, dass solche Politiker Vetorecht im EU-Ministerrat haben.
Schließlich sah sich selbst die populäre Staatspräsidentin Vaira Vīķe-Freiberga gezwungen, zu den Vorfällen Stellung zu nehmen. In einem Interview in der Wiener Tageszeitung Die Presse fand sie deutliche Worte: Homosexualität ist kein Verbrechen, die Leute haben ein Recht, ihre Meinung auszudrücken. Der Staat hat die Pflicht, diese Menschen vor Aggression zu schützen. Als wir Mitglied der EU wurden, haben wir deren Werte angenommen. Dazu gehört auch die Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten. (…) Die Angriffe gegen Homosexuelle sind etwas Neues. Wir wollen so etwas in unserem Land nicht sehen. Dafür gibt es keine Entschuldigung.
Optimistisch stimmt auch, dass der frisch ins Amt gewählte Rigenser Bürgermeister Jānis Birks Anfang März erklärte, er schäme sich für die Vorfälle beim CSD im Vorjahr, und sich für die Abhaltung der Parade in diesem Jahr aussprach.
Eldorado für Architekturfans
Sicher – nach Riga fährt man nicht wegen der schwullesbischen Szene. Die ist relativ überschaubar und besteht gerade mal aus drei Klubs. Architekturinteressierte kommen indes voll auf ihre Kosten. Die Altstadt (Vecrīga) am rechten Ufer der Düna, die durch die 750.000-Einwohner-Stadt fließt, ist kompakt und gut erhalten. Enge Gässchen laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein. An vielen Gebäuden lässt sich die wechselvolle Geschichte der Stadt ablesen, die im 13. Jahrhundert Mitglied der Hanse wurde, danach dem Deutschen Orden unterstand, später an Polen fiel, dann von den Schweden und schließlich bis zur ersten Unabhängigkeit nach dem Ersten Weltkrieg von den Russen regiert wurde. Später hinterließen die Sowjets allerdings so manche Bausünde, außerhalb der Altstadt aber auch einen Wolkenkratzer im typischen stalinistischen Zuckerbäckerstil, in dem die Akademie der Wissenschaften residiert. Immer wieder stößt man auf deutsche Inschriften, etwa am Schwarzhäupterhaus aus dem 14. Jahrhundert, das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und 1999 originalgetreu wieder aufgebaut wurde. Oder im vorbildlich restaurierten Klosterviertel (Konventa sēta) im Herzen der Altstadt, wo die Namen der Gässchen auf lettisch und deutsch angeschrieben sind. Folgender zweckdienlicher Hinweis übrigens für die Altstadt: Stöckelschuhe kann man getrost zu Hause lassen – das Katzenkopf- bzw. Kopfsteinpflaster verlangt nach robusterem Schuhwerk!
Abgesehen von der Düna wird die Altstadt vom ehemaligen Glacis begrenzt, das heute ein Parkgelände ist, durch den sich ein Kanal windet. Nördlich davon beginnt die reißbrettartig angelegte Neustadt, in der sich die meisten der rekordverdächtigen 800 Jugendstilgebäude Rigas befinden, die dem wirtschaftlichen Boom Anfang des 20. Jahrhunderts zu verdanken sind. Faszinierend ist dabei die Vielfalt dieses Baustils auf so engem Raum: überladen verzierte und verschnörkelte Fassaden finden sich neben glatt-funktionalistischen und wuchtig-massiven, wie man sie etwa vom nordischen Jugendstil in Helsinki kennt. Dazwischen stehen überall vereinzelt noch die typischen einstöckigen Holzhäuser, die einer Großstadt wie Riga einen besonderen Reiz verleihen. Massiert findet man diese Holzhäuser hingegen am linken Ufer der Düna (Pārdaugava) bzw. auf der Flussinsel Ķīpsala.
Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und zum CSD-Wochenende nach Riga jetten? – Es muss ja nicht immer Paris, London oder Madrid sein! Wobei sich Lettland – und hier vor allem im Sommer die Ostseeküste mit ihren endlosen Sandstränden – durchaus auch für einen richtigen Urlaub eignet. Das Land ist touristisch erschlossen, und die Hauptstadt, die sich in Zukunft verstärkt als neue europäische Kongresshochburg positionieren möchte, bietet alles, was das touristische Herz begehrt, vor allem Hotels für jede Brieftasche, von günstigen Herbergen bis zum Luxushotel wie dem Grand Palace, einem der „führenden kleinen Hotels“ der Welt. Und airBaltic fliegt einen mit ihrer modernen Boeing-Flotte bequem aus vier deutschen Städten sowie ab Wien und Zürich nonstop und zu sehr günstigen Tarifen nach Riga.
Also: uz redzēšanos – auf Wiedersehen in Riga!
Service-Teil
Schwul/lesbischer Verein:
Mozaīka, Ģertrūdes iela 19/21-5, 1001 Rīga, Tel. +371 67270430, www.mozaika.lv
Schwul/lesbisches Webportal: www.gay.lv
Schwul/lesbische Lokale in Riga:
Golden, Ģertrūdes iela 33/35, www.goldenbar.lv
XXL, A. Kalniņa iela 4, www.xxl.lv
Purvs, Matīsa iela 60/62
Anreise:
airBaltic fliegt aus rund 40 Städten nonstop nach Riga, darunter Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München, Wien und Zürich und bietet günstige Tarife, auch für Einfachflüge, sodass man bei einer Rundreise durchs Baltikum Riga, Wilna und Tallinn für Hin- und Rückflug kombinieren kann. Preisbewusste Reisende nach Skandinavien und in die GUS-Staaten sollten übrigens ebenfalls airBaltic in Erwägung ziehen – der Umweg über ihr Drehkreuz Riga könnte sich auszahlen. Online-Buchung unter www.airbaltic.com
Touristische Infos im Internet:
www.pinkbaltics.com
www.inspirationriga.com
www.latviatourism.lv
www.baltikuminfo.de