Vereinte Nationen: Historische Resolution
Am 17. Juni 2011 verabschiedete der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf mit 23 gegen 19 Stimmen bei drei Enthaltungen eine als historisch zu wertende Resolution. In dieser wird nicht nur klargestellt, dass die Menschen- und Grundrechte für alle Menschen gleichermaßen gelten, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, sondern zudem wird – und darin liegt die Bedeutung der Entschließung, die ja weder bindend ist noch die UNO-Mitgliedsstaaten zu konkreten Aktivitäten verpflichten kann – die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, derzeit die Südafrikanerin Navanethem Pillay, aufgefordert, bis Dezember 2011 eine Studie in Auftrag zu geben, mit der diskriminierende Gesetze und Praktiken sowie homo- und transphobe Gewalt in allen Regionen der Welt dokumentiert werden sollen. Weiters soll die Studie Vorschläge machen, wie internationales Menschenrecht eingesetzt werden kann, um dieser Gewalt und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen eine Ende zu setzen. Weiters sollen die Ergebnisse dieser Studie bei der Sitzung des Menschenrechtsrats im März 2012 erörtert werden.
Viele internationale LSBT- und andere Menschenrechtsorganisationen – wie ARC oder ILGA – haben in Genf und in Hauptstädten rund um den Erdball bei den einzelnen Regierungen intensives Lobbying für diese Entschließung betrieben. Aber die wichtige konkrete Arbeit beginnt jetzt erst, immerhin wird es darum gehen, für die in Auftrag zu gebende Studie Informationen bereitzustellen und den oder die Berichterstatter/in bei ihrer Arbeit zu unterstützen und in der Folge dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse und Vorschläge der Studie danach von den UNO-Mitgliedsstaaten beherzigt werden.
Eingebracht wurde die Entschließung durch Südafrika und Brasilien, wobei sie von einer Reihe von Staaten unterstützt wurde. Hier das Abstimmungsverhalten der im Menschenrechtsrat vertretenen UN-Mitglieder:
Dafür stimmten: Argentinien, Belgien, Brasilien, Chile, Ecuador, Frankreich, Guatemala, Japan, Kuba, Mauritius, Mexiko, Norwegen, Polen, Schweiz, Slowakei, Spanien, Südkorea, Thailand, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Vereinigtes Königreich, USA.
Dagegen stimmten: Angola, Bahrain, Bangladesch, Dschibuti, Gabun, Ghana, Jordanien, Kamerun, Katar, Malaysia, Maldiven, Mauretanien, Moldau, Nigeria, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Senegal, Uganda.
Enthalten haben sich Burkina Faso, China und Zambia, der Abstimmung ferngeblieben war Kirgisistan, und Libyens Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat ist ja derzeit suspendiert.
Nachträgliche Anmerkungen:
Auf dieser historischen Grundlage begann dann der Menschenrechtsrat ernsthaft, sich mit LSBT-Menschenrechten zu befassen. 2016 hat der Menschenrechtsrat etwa die Funktion des sogenannten „unabhängigen Experten für SOGI“ (sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität) eingerichtet. Dieser (bisher waren es nur Männer) erstattet u. a. dem Menschenrechtsrat und der Generalversammlung jährlich Bericht und führt Fact-Finding-Missionen in den Mitgliedsstaaten durch. Es gibt auch eine eigene Website mit vielen Infos.
Und hier noch einmal eine zusammenfassende Übersicht über die – an verschiedenen Stellen auf dieser Website berichteten – Lobbying-Bemühungen der internationalen Lesben- und Schwulenbewegung, LSBT-Rechte auf die Agenda der UNO zu setzen – und um Licht in die verschiedenen Gremien zu bringen:
Die erste Initiative auf diesem Gebiet war eine 2003 in der UNO-Menschenrechtskommission von Brasilien eingebrachte Resolution über „Menschenrechte und sexuelle Orientierung“. Sie wurde zweimal vertagt und starb 2005 einen lautlosen Tod, denn sie wurde dann gar nicht mehr auf die Tagesordnung gesetzt (vgl. LN 2/2004, S. 18 f).
Aufgrund der Reform der Vereinten Nationen wurde die UN-Menschenrechtskommission im Juni 2006 durch den UN-Menschenrechtsrat ersetzt. Am 1. Dezember 2006 gab Norwegen in der 3. Sitzung des Menschenrechtsrats im Namen von 54 Staaten eine gemeinsame Erklärung zu Menschenrechtsverletzungen aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität ab (vgl. LN1/2007, S. 24). Es war eine historische Erklärung.
Eine ebenso historische Erklärung war jene, die am 18. Dezember 2008 der Vertreter Argentiniens im Namen von 66 Staaten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen abgab. Die 13 Punkten umfassende Stellungnahme richtete sich u. a. gegen die strafrechtliche Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Es war das erste Mal in der Geschichte der UNO, dass sich die Generalversammlung mit diesem Thema befasst hat (vgl. LN 1/2009, S. 20 f).