Europa-Wahlen 2014: Handeln. Mitmachen. Bewegen. Ulrike Lunacek wählen!
Handeln. Mitmachen. Bewegen. – So lautet der offizielle Slogan für die Wahl zum Europäischen Parlament (EP) 2014. In den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden insgesamt 751 Europa-Abgeordnete gewählt, die die Interessen von 507 Millionen EuropäerInnen vertreten sollen. Österreich – mit knapp 8,5 Millionen EinwohnerInnen – wählt seine 18 Abgeordneten am 25. Mai.
Ja, allein diese Zahlen sind geeignet, die WählerInnen in passive Ohnmacht zu versetzen – was können 18 unter 751 Abgeordnete in Brüssel und Straßburg denn schon groß ausrichten? Stimmt schon, aber diese Fakten sind nun einmal nicht zu ändern. Aber genau aus diesem Grund gibt es – wie in den nationalen Parlamenten – Fraktionen. Und daher zählt auch bei der Europa-Wahl jede Stimme. Denn letztlich geht es um eine ideologische Richtungsentscheidung: Wird der neoliberale, turbokapitalistische Kurs der letzten Jahre und Jahrzehnte fortgesetzt, oder gelingt es, das Steuer doch noch in Richtung soziales und sozial gerechteres Europa herumzureißen? Und das EP hat seit der Reform durch den Vertrag von Lissabon noch größeren Einfluss auf diese Richtungsentscheidung, vor allem aber durch die nachfolgende Wahl der EU-Kommission. Vor fünf Jahren haben wir an dieser Stelle (LN 3/2009, S. 19 ff) beschworen, wie wichtig es wäre, eine zweite Amtszeit des konservativen Manuel Barroso als Kommissionspräsident zu verhindern. Leider ist das nicht gelungen.
Bei aller Skepsis sind die Europa-Wahlen also die einzige Chance, die wir haben. Wir müssen jedoch kapieren, dass es am 25. Mai nicht darum geht, ungeliebten Regierungsparteien frustriert einen Denkzettel zu verpassen, denn es geht dabei nicht um österreichische Fragen, nicht um Österreichs Steuerquote oder Bildungsbudget. Wer daher bei der Europa-Wahl ausgerechnet einer Partei die Stimme gibt, die – wie die FPÖ – im EP dann ohne Fraktion bleiben und folglich dort nicht das geringste bewegen können wird, der verschwendet sie – und könnte tatsächlich auch gleich zu Hause bleiben.
LSBT-Interessen?
Und wie schaut es mit unseren Anliegen als Lesben und Schwule aus? Nun ja, auch hier sollte man pragmatisch und vor allem konsequent bleiben. Man kann nicht ständig mehr Subsidiarität für die Mitgliedsstaaten einfordern, etwa bei der Zulassung von Genpflanzen in der Landwirtschaft, aber dann verlangen, dass ausgerechnet bei der Einführung der Homo-Ehe die Mitgliedsstaaten entmündigt werden (vgl. Que(e)rschuss auf S. 10 f). Da muss man auch bereit sein, Partikularinteressen hintanzustellen.
Und was im Rahmen der EU-Zuständigkeiten an Unterstützung für LSBT-Interessen möglich ist, das hat das EP in der vergangenen Legislaturperiode ohnehin ziemlich ausgereizt. Ich erinnere mich ja noch an die Zeit, als ich Vorsitzender der ILGA-Europa (1996–2003) war und die LSBT-Intergruppe im EP gegründet wurde und anfangs Schwierigkeiten hatte, überhaupt den Status als fraktionsübergreifende Interessengruppe im EP zu erlangen. Heute ist sie bei weitem die größte derartige Intergruppe – offenbar richtig sexy! Ich erinnere mich auch daran, wie ausführlich wir in jenen Jahren in den LN über die LSBT-relevanten Initiativen im EP und in der EU berichtet haben, weil diese eben so neu und spannend waren – über jede Erwähnung von „sexueller Orientierung“ in jeder noch so unwichtigen Entschließung haben wir damals in den LN geschrieben. Das wäre heute gar nicht mehr möglich, denn in den letzten fünf Jahren, so die Statistik der LSBT-Intergruppe, hat das EP über 100 Dokumente verabschiedet, in denen „sexuelle Orientierung“ Berücksichtigung gefunden hat.
Gerade was die Unterstützung von LSBT-Interessen betrifft, müssen wir uns also keine großen Sorgen machen. Und was diese Unterstützung und die grundlegende Richtungsentscheidung anbelangt, werden wir als WählerInnen jedenfalls in kein großes Dilemma gestürzt. Bei den meisten Fraktionen fällt beides zusammen: Jene politischen Gruppierungen, die für einen Kurswechsel in Richtung soziales Europa eintreten, vertreten auch eine fortschrittliche Politik in Sachen LSBT-Gleichstellung. Nur die Liberalen stellen hier eine Ausnahme dar: In Wirtschaftsfragen fahren sie leider jenen Kurs mit, der die EU an den Rand des Abgrunds geführt hat, gesellschaftspolitisch unterstützen sie hingegen eine fortschrittliche LSBT-freundliche Politik. Die Wahlentscheidung sollte uns daher nicht wirklich schwerfallen.
„Ulrike, wer sonst?“
Speziell in Österreich: Hier kann ich nur mein Plädoyer für ULRIKE LUNACEK, das ich vor fünf Jahren in den LN (3/2009, S. 20 f) gehalten habe, wiederholen und noch verstärken: Die grüne EU-Abgeordnete hat uns nämlich wirklich nicht enttäuscht, im Gegenteil: Sie hat in diesen fünf Jahren paradigmatisch unter Beweis gestellt, wie Politik und Politikmachen auch aussehen können und hebt sich insgesamt von der Masse ihrer KollegInnen wohltuend ab. Ulrike ist engagiert, kompetent, voller Einsatzbereitschaft, uneigennützig, unbestechlich, integer, nicht abgehoben, in ständigem Kontakt mit der sogenannten Basis, ihren WählerInnen, der Sache verpflichtet – mit anderen Worten: die idealtypische Politikerin, wie wir sie uns ja allen Beteuerungen zufolge immer wünschen. Und das nicht nur in LSBT-Dingen – in dieser Hinsicht gibt es ohnehin keine anderen österreichischen KandidatInnen, bei denen unsere Anliegen besser aufgehoben wären (vgl. LN 1/2014, S. 31 ff) –, sondern auch in den vielen anderen Angelegenheiten, mit denen Ulrike als EP-Abgeordnete befasst gewesen ist.
Hier ist also jemand, die das Vertrauen der WählerInnen mehr als verdient hat. Wer angesichts dieser Eigenschaften, die Ulrike ja auch schon in ihrer Zeit in der österreichischen Innenpolitik jahrelang unter Beweis gestellt hat, und angesichts ihrer Leistungen als EP-Abgeordnete in den letzten fünf Jahren nun nicht bereit ist, dies zu honorieren und ihr die Stimme zu geben – ja dem/der ist einfach nicht mehr zu helfen! Wer jetzt immer noch herummäkelt und herummäkelt und irgendwelche läppischen Ausreden sucht, um Ulrike nicht zu wählen, und dann seine Stimme womöglich Figuren à la Ernst Strasser oder Andreas Mölzer gibt, der macht sich völlig unglaubwürdig in seinen Ansprüchen an PolitikerInnen. Und der möge uns dann ja nicht mit Politikverdrossenheit kommen!
Ganz wichtig ist jedenfalls, wählen zu gehen und diese fundamentale Richtungsentscheidung nicht den reaktionären ProtestwählerInnen zu überlassen.