Aufforderung zur Mißachtung der Rechtsordnung
Die ÖVP hat sich wieder einmal durchgesetzt. Drei Jahre lang ist sie jetzt auf der Publizistikförderung herumgeritten, bis die SPÖ mürbe war und sich dem Willen der ÖVP beugte. Bekanntlich hat sich in den letzten drei Jahren die ÖVP jedesmal quergelegt, wenn es darum ging, die Publizistikförderung im Ministerrat zu beschließen. Jedesmal gelang es der ÖVP, einige in den Augen ihres Klubobmanns Andreas Khol linksextreme und unliebsame Zeitschriften „abzuschießen“ – die LN haben berichtet (vgl. 1/1996, S. 17 ff; 1/1997, S. 31 f; 3/1997, S. 22; 4/1997, S. 6).
1995 mußten das TATblatt, die antimilitaristische ZAM, die EU-kritische EKG, die kommunistische UNITAT und die linke dran glauben. 1996 traf Khols Bannstrahl die Zeitschrift Zoom (eine Fusion aus ZAM und EKG), akin und Die Alternative. Die feministischen an.schläge und die LAMDBA-Nachrichten konnten diesem Schicksal gerade noch entrinnen. 1997 waren wir allerdings abermals auf Khols Liste, ebenso akin, Zoom und ArbeiterInnenstandpunkt. Wir schafften es aber dank unmißverständlicher Interventionen bei der SPÖ, auch heuer in den Genuß der Förderung zu kommen, die sich auf rund S 69.000,– beläuft. Bei der Publizistikförderung handelt es sich um einen Topf von 6,5 Millionen Schilling, der auf rund 160 Publikationen aufgeteilt wird. Nicht zu verwechseln mit der Presseförderung, in deren Rahmen rund eine Viertelmilliarde (!) Schilling an einige Tageszeitungen verteilt wird!
Die Kholsche Zermürbungstaktik gegenüber der SPÖ hat Früchte getragen. Heuer war die SPÖ reif für eine Gesetzesänderung. Hintergrund dafür ist sicherlich auch der Umstand, daß einige betroffene Zeitschriften die Regierung beim Verfassungsgerichtshof verklagt haben. Denn die Bundesregierung habe sich bei der Beschlußfassung über die zu fördernden und nicht zu fördernden Zeitschriften nicht nur über die Empfehlung des zuständigen Beirats hinweggesetzt, sondern auch über das Publizistikförderungsgesetz selbst. Und um dies im nachhinein zu sanieren, ist man wohl auf die Idee verfallen, das Gesetz im Sinne einer „Lex TATblatt“ zu novellieren. Das Ganze lief in einer üblen Nacht- und Nebelaktion ab, wie auch der liberale Mediensprecher Friedhelm Frischenschlager in einem Standard-Kommentar am 5. November 1997 kritisierte: Das Skandalöse an dieser Novelle ist also nicht nur deren Inhalt, sondern vor allem die Vorgangsweise, die hier gewählt wurde: Die Regierung hat in diesem Fall den kurzen Weg von der Macht zu deren Mißbrauch im Eiltempo zurückgelegt.
Auch der HOSI Wien war es trotz zahlreicher Telefonate mit Bundeskanzleramt, SP-Zentrale und SP-Klub im Parlament nicht möglich, herauszufinden, wer nun auf SPÖ-Seite federführend zuständig war für diese Novelle. Wahrscheinlich sind die Drahtzieher dieser geheimen Kommandoaktion im unmittelbaren Dunstkreis Klubobmann Peter Kostelkas zu finden.
In den Budgetgesetzen versteckt
Was war passiert? Die Koalition hat die Novelle des Publizistikförderungsgesetzes – ohne jegliche inhaltliche Notwendigkeit – im 3. Budgetbegleitgesetz versteckt. Diese Begleitgesetze sind jene großen Stöße von Gesetzesmaterie, die nur die ExpertInnen wirklich kennen und die von den meisten Abgeordneten gar nicht gelesen werden (können), bevor sie von ihnen verabschiedet werden. Man hätte die Gesetzesvorlage ja z. B. auch zur Begutachtung ausschicken und eine breite Diskussion darüber anregen können. Ganz ging die Rechnung der Koalition jedoch nicht auf, die Journalistengewerkschaft bekam Wind von der Sache und protestierte heftig gegen die in der Novelle enthaltene Zensurbestimmung (vgl. Wiener Zeitung und Standard vom 23. November). Im neuen § 7 (2) des Gesetzesentwurfs hieß es nämlich:
Von der Förderung sind periodische Druckschriften ausgeschlossen, die im Jahr, für das die Förderung beantragt wird, oder in den beiden vorangegangenen Jahren 1. zum gewaltsamen Kampf gegen die Demokratie aufgerufen, oder 2. Gewalt gegen Menschen als Mittel der Politik befürworten, oder 3. wiederholt zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet auffordern.
Speziell der dritte Punkt stieß sauer auf, denn was heißt wiederholte Aufforderung zur allgemeinen Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Rechtsgebiet? Das kann viel heißen. Und das kann sehr wohl auch – speziell in Kholscher Interpretation – die Lesben- und Schwulenbewegung und ihre Publikationen betreffen (neben den LN erhält auch die Rosalila Buschtrommel in Graz eine Förderung).
Denn natürlich rufen auch die LAMBDA-Nachrichten als Vereinszeitschrift der HOSI Wien zur Mißachtung der Rechtsordnung auf einem bestimmten Gebiet auf! Aber nicht, wie die KritikerInnen der Novelle meinen, in Zusammenhang mit dem § 209 StGB, denn es hat wohl keinen Sinn, allgemein zum Verstoß gegen § 209 als Akt des zivilen Ungehorsams aufzurufen, denn nicht alle Schwulen fühlen sich zur Gruppe der 14- bis 18jährigen hingezogen! Aber natürlich bestärken wir jene, die Partner in diesem Alter haben, gegen den § 209 zu verstoßen und sich dabei möglichst nicht erwischen zu lassen. Aber es geht ja auch um andere Bestimmungen der Rechtsordnung, die unsere Menschenrechte verletzen und deren Mißachtung daher als erste Bürgerpflicht geradezu geboten erscheint: etwa das Zeugnisentschlagungsrecht vor Gericht. Dieses besteht ja bekanntlich nicht für gleichgeschlechtliche PartnerInnen. Daher rufen wir dazu auf, vor Gericht lieber die Unwahrheit zu sagen oder wahrheitswidrig Erinnerungslücken geltend zu machen, als den/die Partner/in vor Gericht zu belasten. Ähnliches gilt für die Pflegefreistellung. Wird sie zur Pflege eines kranken gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten nicht gewährt, empfehlen wir, einfach selber in den Krankenstand zu gehen.
Wenn Regierung und Parlament nicht fähig oder willig sind, uns Lesben und Schwulen unsere primitivsten Menschenrechte zu gewähren, dann müssen wir sie uns eben einfach nehmen! Parteien und PolitikerInnen, die selber die Menschenrechte und die von Österreich übernommenen Verpflichtungen in diesem Bereich mit Füßen treten, können von uns doch nicht ernsthaft die Achtung der uns menschenrechtswidrig diskriminierenden Rechtsordnung verlangen! Das kann ja wohl nur ein schlechter Scherz sein.
SPÖ – willige Vollstreckerin anti-homosexueller ÖVP-Politik
Das Verhalten der SPÖ gegenüber der ÖVP in Sachen Lesben- und Schwulenpolitik ist durch die Zustimmung zu dieser Novelle um eine Facette reicher geworden. Bisher hat sich die SPÖ ja plausibel auf die Mehrheitsverhältnisse und das kategorische Njet der ÖVP zu allen pro-homosexuellen Reformen ausreden können, um ihre Untätigkeit auf diesem Gebiet zu kaschieren. Daß die SPÖ jetzt freiwillig und ohne Not einer von der ÖVP forcierten anti-homosexuellen Gesetzesänderung zugestimmt hat (die Sache ging planmäßig im November mit der Beschlußfassung des 3. Budgetbegleitgesetzes über die parlamentarische Bühne), läßt nur zwei Schlüsse zu: Die SPÖ ist entweder schon völlig durchgeknallt oder der Salamitaktik der ÖVP nicht gewachsen. Ich frage mich ja schon länger, wozu die SPÖ überhaupt noch mitregiert – es geschieht ja ohnehin immer, was die ÖVP will. Wann hat sich die SPÖ das letztemal gegenüber der kleineren Koalitionspartnerin durchgesetzt? Und ich gehe jede Wette ein, daß sich die ÖVP auch bei der neuen Familienbesteuerung durchsetzen wird. Und bei dieser SPÖ werden wir schlußendlich in der NATO landen – ich hege längst keine Illusionen mehr!
Daß es sich bei dieser Novelle auch um eine anti-homosexuelle Maßnahme handelt – darüber kann es keinen Zweifel geben, denn die ÖVP-kritischen LAMBDA-Nachrichten sind Khol und seiner Partei schon lange ein Dorn im Auge. Nur: Wir lassen uns durch diese neue Bestimmung sicherlich nicht einschüchtern und uns von unserer Linie für Menschenrechte und gegen die ÖVP abbringen!