Keine „Wiener Ehe“
Mit fadenscheinigen Ausreden und nicht stichhaltigen Argumenten stellt sich SP-Stadträtin Renate Brauner gegen die „Wiener Ehe“.
In einer Presseaussendung am 20. Juni meint sie: „Wir sollten unsere Kräfte darauf konzentrieren, rechtlich verbindliche Regelungen auf Bundesebene zu erzielen.“ Was soll diese Vernebelungstaktik? Ihr und allen anderen politisch halbwegs Interessierten in diesem Land ist klar, daß unter der jetzigen blau-schwarzen Regierung keine diesbezüglichen Regelungen auf Bundesebene erzielbar sind! So naiv, das Gegenteil zu glauben, wird sie ja wohl nicht sein.
Weiters meint sie: „Die ‚Wiener Ehe‘ birgt Fallstricke für die Betroffenen, es entsteht Rechtsunsicherheit, und das empfinden auch viele innerhalb der Szene als kontraproduktiv.“ Unter Fallstricke meint sie, daß Nachteile durch landesgesetzliche Regelungen entstehen könnten, etwa wenn bei Anspruch auf Sozial- bzw. Notstandshilfe das Partnereinkommen berücksichtigt wird, denen aber keine Vorteile (weil bundesgesetzlich geregelt) gegenüberstehen, etwa die steuerliche Absetzbarkeit dieser Unterhaltspflicht für den verdienenden Partner. Das mag zwar zutreffen, aber durch eine entsprechende Formulierung in einem Nebensatz könnten solche Nachteile, denen keine entsprechenden Vorteile gegenüberstehen, in einem Gesetz einfach ausgenommen werden. Mit Rechtsunsicherheit meint Brauner die Möglichkeit, daß – sollten andere Städte ähnliche, aber eben nicht deckungsgleiche Regelungen einführen und die Paare dann übersiedeln – sich niemand mehr auskennt, wer wo welche Rechte hat. Das ist natürlich dermaßen hanebüchen, daß sich jedes Gegenargument erübrigt.
Kein Vertrauen in die eigenen GenossInnen?
Mit kontraproduktiv meint Brauner, daß eine Wiener Ehe den Weg zur Bundesregelung verbauen könnte, weil der Bund dann sagen könnte, es gäbe ja eh die Wiener Regelung, wozu noch eine Bundesregelung. Mag schon sein, daß für Blau-Schwarz eine solche Ausrede naheliegend wäre, aber unter FPÖVP wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so oder so keine Bundesregelung geben. Damit eine Bundesregelung kommt, bedarf es ohnehin einer anderen – rot-grünen – Mehrheit im Parlament. Und für die gilt wohl eine solche Ausrede dann nicht, oder? Traut Brauner ihren eigenen Bundes-GenossInnen nicht über den Weg – daß die womöglich mit demselben Vorwand daherkämen, um sich vor einer Bundesregelung zu drücken? Wundern würde mich dies nach all den Erfahrungen mit der SPÖ allerdings nicht.
Außerdem: Wien ist nicht Österreich. Daher kann eine Wiener Regelung sowieso nie Ersatz für etwas sein, wofür ja österreichweiter Bedarf besteht!
Brauner stellt die Sache so dar, als hätten wir jetzt die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Optionen: entweder Wiener Ehe oder Bundesregelung. Bloß: Das ist Unsinn. Diese Wahl haben wir nicht! Jedem ist klar, daß die Wiener Ehe kein Ersatz ist für eine Bundesregelung, sondern eine Zwischen-, eine Übergangslösung, bis es eine andere Mehrheit im Nationalrat gibt. Und nicht zuletzt die Bewegung würde dafür sorgen, daß die Entwicklung nicht bei der Wiener Ehe stehen bliebe. Sobald die Bundesregelung dann Gesetz ist, sollte die Wiener Ehe nach einer gewissen Übergangsfrist auch wieder abgeschafft werden. Brauners Argumente sind nicht nachvollziehbar.
Außerdem: Wien ist nicht Österreich. Daher kann eine Wiener Regelung sowieso nie Ersatz für etwas sein, wofür ja österreichweiter Bedarf besteht!
Und wer die „vielen innerhalb der Szene“ sein sollen, die laut Brauner die Wiener Ehe als kontraproduktiv empfinden, hätte ich gerne gewußt. Mir ist jedenfalls keine Wiener Gruppe oder Initiative bekannt, die die Wiener Ehe ablehnt. Möglich, daß es einige Einzelpersonen im Umfeld der SP-Gruppierung SoHo gibt, aber die sind ja wohl nicht maßgeblich, weil befangen.
Unsichtbar bleiben
Brauner betont übrigens, die Stadt Wien habe ihre Möglichkeiten zur Beseitigung von Diskriminierungen ohnehin bereits ausgeschöpft. Na, umso besser. Dann braucht ja in einer etwaigen gesetzlichen Regelung ja gar kein Bezug mehr genommen werden auf irgendwelche Rechte, weil die ohnehin schon verwirklicht sind. Das würde Fallstricke und Rechtsunsicherheit gar nicht erst aufkommen lassen. Die Schließung einer Wiener Ehe wäre dann eine bloße Zeremonie am Standesamt. Aber nicht einmal die will uns Brauner geben. Wohl nach dem Motto: Okay, wir beseitigen die Ungerechtigkeiten, aber bleibt’s schön brav unsichtbar. Die Standesämter sind für euch tabu. Solche Zeremonien wären ohnehin „rein symbolisch“ (O-Ton Brauner). Sehr merkwürdig. Was soll das wieder heißen? Ist es nicht ein wichtiger emanzipatorischer Akt, der Familie, der Umgebung durch diese „symbolische“ Feier zu zeigen, daß es normal ist, lesbisch und schwul zu sein, daß man zusammengehört und das Leben miteinander teilen will. Ja, aber das kann man doch auch bei einer privaten Familienfeier in einem schönen Restaurant tun! Und die politisch-öffentliche Symbolik? Ja, das ist offenbar Brauner dann doch zuviel. Nicht auf ihren Standesämtern!
Was mich so maßlos ärgert, ist, daß Brauner einfach zu feig ist, uns ins Gesicht zu sagen, daß die Wiener Ehe in ihrer Partei nicht durchsetzbar ist, daß sie die Standesämter für uns nicht öffnen will. Soll sie doch bitte so ehrlich sein und uns nicht mit diesen lächerlichen Ausreden kommen. Wenn ich etwas auf den Tod nicht leiden kann, dann Versuche, uns für blöd zu verkaufen.
Teufel, wie bin ich froh, daß ich vergangenen März der Versuchung widerstanden habe, dieser Partei doch noch einmal meine Stimme zu geben. Diese Partei will in Wahrheit gar kein Gegenmodell zu Blau-Schwarz errichten, sondern bloß irgendwie wieder an die Macht.
Kurts Kommentar LN 3/2001
Nachträgliche Anmerkung
Die SPÖ hatte bei den Landtagswahlen im März 2001 wieder die absolute Mandatsmehrheit zurückerobert (vgl. die nachträglichen Anmerkungen zu meinem Kommentar in den LN 4/1996). Eine „symbolische“ gleichgeschlechtliche Ehe auf Wiener Ebene einzuführen, um u. a. Druck auf die schwarz-blaue Bundesregierung aufzubauen, war eine Idee der Grünen, die von der SP Wien nicht aufgegriffen wurde.