Polen: Premier selber schwul
Premier Jarosław Kaczyński wurde jetzt in Polen als Homosexueller geoutet. Dass der Premier schwul ist – der kinderlose 57-jährige Junggeselle lebt immer noch bei seiner Mutter –, darüber hat man in Polen schon lange gemunkelt – und auch ausländische Medien haben schon vor einiger Zeit genüsslich den Ausspruch des ehemaligen Gewerkschaftsführers und Staatspräsidenten Lech Wałęsa kolportiert, Jarosław sei mitsamt seinem Mann bei ihm zu Gast gewesen (vgl. LN 6/2005, S. 22). Jarosław Kaczyńskis Homosexualität wäre indes keine Erwähnung wert, wäre er nicht Vorsitzender der rechten nationalkonservativen und besonders homophoben Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS – „Recht und Gerechtigkeit“). Und sein Zwillingsbruder Lech, jetzt polnischer Staatspräsident, hatte als früherer Warschauer Bürgermeister zweimal die Lesben- und Schwulenparade untersagt.
Polens zweitgrößte Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlichte im Oktober Unterlagen des polnischen Geheimdienstes, aus denen hervorgeht, dass der Geheimdienst Jarosław Kaczyński schon 1992 wegen seiner Homosexualität und eines möglichen Lebenspartners im Visier hatte. „Jetzt wissen alle in Polen, dass der Geheimdienst Jarosław Kaczyński wegen seiner Homosexualität ausspioniert hat“, kommentiert diese Enthüllung ŁUKASZ PAŁUCKI, polnischer Aktivist von der Fundacja Równości, die die Warschauer Parade organisiert. Später berichteten auch die größte Tageszeitung Gazeta Wyborcza und der kommerzielle Fernsehsender TVN24 über diese Geheimdienstpapiere. Und auch Wałęsa bestätigte auf Anfrage im polnischen Fernsehen seine frühere Bemerkung über den Besuch der Kaczyński-Zwillinge zu seiner Geburtstagsfeier: Er habe Lech mit seiner Gattin und Jarosław mit seinem Mann eingeladen.
Als der im Juli zum Premier vereidigte Jarosław Kaczyński am 30. August seinen Antrittsbesuch bei der EU-Kommission in Brüssel absolvierte, hatte er ziemlich viel Kreide gefressen. Im Gespräch mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso und vor der internationalen Presse versicherte er treuherzig, in Polen gebe es weder Antisemitismus noch eine feindliche Atmosphäre gegenüber Homosexuellen. Die Achtung rechtsstaatlicher Grundsätze stehe unter seiner Regierung außer Frage.
Zu Hause in Warschau rieb man sich die Augen und traute seinen Ohren nicht, als der Premier noch hinzufügte, in allen politischen Parteien, auch bei den Konservativen gebe es Homosexuelle in hohen Positionen. Er wollte wohl mit diesem Hinweis Anschuldigungen entkräften, Schwule und Lesben würden politisch ausgegrenzt. Wen Jarosław Kaczyński meinte, blieb allerdings sein Geheimnis. Aber vielleicht hat er ja dabei in erster Linie an sich selbst gedacht – wer weiß?
Link zur Demo am 9. Dezember 2005 vorm Polnischen Institut in Wien.