HOSI Wien übermittelt Schattenbericht an UNO-Ausschuss für Menschenrechte
Die HOSI Wien hat am 21. Februar 2007 dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen ihren „Alternativ“-Bericht zur Lage der Menschenrechte von Lesben und Schwulen in Österreich übermittelt. Am 26. März steht nämlich Österreichs vierter periodischer Bericht an diesen Ausschuss erstmals auf dessen Tagesordnung. Die ausführliche Erörterung des Berichts mit VertreterInnen der österreichischen Bundesregierung wird vermutlich jedoch erst in der Herbstsitzung des Ausschusses in Genf stattfinden.
Jeder Staat, der den UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet hat, ist nach Artikel 40 dieser Konvention verpflichtet, regelmäßig Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Menschenrechte zu erstatten. Dies geschieht zirka alle zehn Jahre. Der UNO-Ausschuss für Menschenrechte ist ein aus 18 ExpertInnen bestehendes Organ, das die Einhaltung dieses Pakts überwacht und zu diesem Zweck dreimal jährlich tagt.
Da der im November 2006 dem Ausschuss vorgelegte Bericht der österreichischen Regierung auf aktuelle Probleme und Forderungen bei der Umsetzung voller Menschenrechte für Lesben und Schwule überhaupt nicht eingeht, hat die HOSI Wien einen Schattenbericht an den Ausschuss verfasst und sich darin auf fünf Bereiche konzentriert:
- Fehlende formale Gleichstellung von gleich- mit verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
Diese Gleichstellung in allen relevanten Rechtsbereichen hätte nach der Verurteilung Österreichs im Juli 2003 durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der Beschwerde Karner gegen Österreich längst erfolgen müssen – Österreich ist aber bis heute säumig.
- Fehlen eines der Ehe gleichgestellten Rechtsinstituts
Durch das Fehlen etwa einer eingetragenen Partnerschaft sind gleichgeschlechtliche Paare von jenen Rechten ausgeschlossen, die Ehepaaren vorbehalten sind.
- Kein Schutz vor homophober Hetze
Der Tatbestand der Verhetzung beschränkt sich in Österreich auf rassistisch, antisemitisch, religiös oder fremdenfeindlich motivierte Verhetzung, nicht jedoch auf homophobe Hetze.
- Unterschiedlicher Schutz vor Diskriminierung
Durch die Minimal-Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien im Jahr 2004 hat Österreich eine Hierarchie beim Diskriminierungsschutz geschaffen. Ein rechtlicher Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung besteht derzeit – im Gegensatz zur Diskriminierung aufgrund der „ethnischen Zugehörigkeit“ – nur in Beschäftigung und Beruf.
Diese Diskriminierung beim Schutz vor Diskriminierung ist nicht nur verfassungswidrig, sondern eine klare Verletzung des Artikels 26 der UNO-Menschenrechtskonvention, der wie folgt lautet:
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung, wie insbesondere wegen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.
Österreichs derzeitige Gleichbehandlungsgesetzgebung gewährt indes ausdrücklich nicht allen Menschen den gleichen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung.
- Massive Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
Die HOSI Wien berichtet dem Ausschuss einerseits allgemein von der Bedrohung der Meinungsfreiheit in Österreich durch die einschüchternde Flut an Ehrenbeleidigungsklagen, die in den letzten Jahren FPÖ- und BZÖ-PolitikerInnen gegen kritische JournalistInnen und unliebsame politische GegnerInnen eingebracht und die dank der willigen VollstreckerInnen von FPÖ und BZÖ in der österreichischen Justiz auch zu etlichen Verurteilungen geführt haben. Wir weisen dabei insbesondere auf den Bericht der drei EU-Weisen vom September 2000 hin.
In letzter Zeit wurde Österreich ja wegen etlicher solcher Urteile vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg verurteilt (vgl. LN 1/2007, S. 10 ff). Drei Tage nach Übermittlung unseres Schattenberichts, über die wir auch in einer Presseaussendung informierten, kündigte Justizministerin Maria Berger in der ZiB 1 (am 24. 2.) an, dass ihr Ministerium bei der Generalprokuratur anregen werde, diese möge gegen zwei ähnliche Urteile, die mittlerweile dem EGMR als Beschwerdefälle vorliegen, beim Obersten Gerichtshof Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes einlegen. Sollte der OGH diese Urteile zu „Meinungsdelikten“ dann aufheben, könnte sich die Republik Österreich weitere Blamagen und Kosten in Straßburg ersparen. Eine gesetzliche Klarstellung hält Berger indes nicht für nötig, es müssten sich bloß die heimischen Gerichte an der Rechtsprechung Straßburgs orientieren.
Internationale Unterstützung
Die HOSI Wien erwähnt in ihrem Schattenbericht auch das vom früheren ÖVP-Abgeordneten Walter Tancsits gegen die HOSI Wien und ihren Generalsekretär Kurt Krickler angestrengte Verfahren und bezeichnet die Verurteilung in erster Instanz (die Berufung dagegen ist derzeit beim Oberlandesgericht Wien anhängig) als klare Menschenrechtsverletzung.
Auch die in London ansässige internationale nichtstaatliche Organisation ARTICLE 19 – Global Campaign for Free Expression (ihr Name bezieht sich auf den entsprechenden Artikel in der UNO-Konvention, der die Meinungsfreiheit garantiert) hat in ihrem Schattenbericht an den UNO-Ausschuss die Verurteilung der HOSI Wien und Kurt Kricklers ebenfalls kritisiert [vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 23. März 2007]. ARTICLE 19 ist bekanntlich nicht die einzige internationale Menschenrechtsorganisation, die dies getan hat. Im Mai 2006 sprach sich bereits die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte in einer Stellungnahme gegen diese Verurteilung aus.
Übrigens war das nicht die erste Unterstützung der HOSI Wien durch ARTICLE 19. Diese Organisation kritisierte schon 1991, als der Ausschuss mit Österreichs zweitem periodischem Bericht befasst war, den Vorfall bei der Enthüllung des Hrdlicka-Denkmals am Wiener Albertinaplatz im November 1988 (vgl. LN 1/1992, S. 25 f). Damals entriss die Polizei teilnehmenden Lesben und Schwulen ein Transparent, mit dem sie daran erinnern wollten, dass die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus immer noch nicht rehabilitiert waren (vgl. LN 1/1989, S. 18 ff).
Nicht der erste Schattenbericht
Der jetzige Schattenbericht ist nicht der erste der HOSI Wien. Schon 1998 anlässlich der Befassung mit Österreichs drittem periodischem Bericht hatten wir dem UNO-Ausschuss über die Lage der Menschenrechte von Schwulen und Lesben berichtet (vgl. LN 4/1998, S. 35 [bzw. Aussendung der HOSI Wien vom 25. September 1998]). Insbesondere haben wir damals das höhere Mindestalter für schwule Beziehungen im § 209 StGB angeprangert. Österreich wurde damals vom UNO-Ausschuss für Menschenrechte deswegen gerügt und aufgefordert, „solche diskriminierenden Bestimmungen zu beseitigen“ (vgl. LN 1/1999, S. 6 f), was dann 2002 auch geschah.