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„Es reicht!“

Erschienen am 12. September 2008

Selten hat mir ein/e ÖVP-Politiker/in dermaßen aus der Seele gesprochen wie Vizekanzler Wilhelm Molterer mit dieser Aussage. Habe ich doch genau das mit meinem Ceterum censeo zum Ausdruck gebracht, das ich seit der Ausgabe 2/2008 ans Ende meiner Qu(e)rschuss-Kolumne gestellt habe: Im übrigen bin ich der Meinung, dass 25 Jahre rechte Mehrheit im Nationalrat und 22 Jahre ÖVP in der Regierung genug sind.

Molterer hat mit seinem Sager natürlich etwas anderes gemeint, aber jetzt scheint sich dieser Ausspruch immer mehr gegen ihn und seine Partei zu richten. Und das ist gut so. Vielleicht wacht ja die Mehrheit der ÖsterreicherInnen endlich auf. Ich habe ja nie verstanden, wie halbwegs intelligente WählerInnen der ÖVP sowohl 1999 nach 13 Jahren in der Regierung und dann auch wieder 2006 nach 20 Jahren Regierung – inklusive den sieben Jahren von 2000 bis 2006 mit einer quasi ÖVP-Alleinregierung mit der FPÖ bzw. dem BZÖ als Mehrheitsbeschaffer – diese Wahlrhetorik abkaufen konnten, jetzt müsse endlich eine Wende, ein Politikwechsel, eine andere Politik her – und wie die Slogans alle hießen –, um das Land neu zu regieren. Ähnlich erfolgreiche Täuschungsnummern nach dem Motto „Wer hat mir in die Hose geschissen?“ habe ich ja nie erlebt. Wenn die ÖVP immer noch meint, die letzten 22 Jahre sei schlecht regiert worden und alles müsse sich ändern, dann sollte sie doch endlich die Konsequenzen ziehen, ihr Scheitern eingestehen und andere regieren lassen!

Was Molterer mit seiner Aufkündigung der Regierungszusammenarbeit beabsichtigt hat, ist ja ohnehin den allermeisten klar und braucht an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden: Die ÖVP hat ihre Niederlage von vor zwei Jahren nie akzeptiert und überwunden und will den Kanzlersessel wieder zurück. Allein für dieses Manöver und das Geringschätzen des Wählerwillens sollte die ÖVP jetzt abgestraft werden – auch von ihren eigenen AnhängerInnen –, und zwar aus Gründen demokratiepolitischer Hygiene. Die ÖVP muss in ihrem Größenwahn einfach in die Schranken gewiesen werden.

Leider müsste schon ein Wunder geschehen, sollte sich die ÖVP nach den Wahlen tatsächlich in der Oppositionsrolle wiederfinden, denn von den ÖsterreicherInnen ist ja keine politische Klugheit zu erwarten. Und daher wird es realistischerweise entweder wieder eine große Koalition geben oder eine rechte Dreierkoalition aus ÖVP, FPÖ und BZÖ. Die Aufgeregtheit in den Medien über andere mögliche Konstellationen ist ja bloß eine künstliche, um die Auflagen zu erhöhen, aber entbehren wohl jeglicher realen Grundlage, wiewohl ich selber natürlich die Hoffnung auf eine rot-grüne oder eine Ampelmehrheit von SPÖ, Grünen und LIF auch noch nicht aufgegeben habe. Vielleicht geschieht ja doch ein Wunder! Zu hoffen bleibt auch, dass sich FPÖ und BZÖ gegenseitig so viele Stimmen wegnehmen, dass die Grünen drittstärkste Partei bleiben.

Medienneid

Apropos Medien und Aufgeregtheit. Es amüsiert mich königlich, wie die bürgerlichen Medien schäumen, weil die Kronenzeitung den SPÖ-Kandidaten Werner Faymann so unverhohlen puscht und einmal mehr ihre Medienmacht zur Schau stellt. Da müssen Standard und Presse und alle anderen in der Tat vor Neid erblassen und sich schwarz ärgern. Aber natürlich würden sie gerne genau dieselbe Medienmacht ausüben. Und sie tun es ja auch, allerdings entsprechend ihrer Reichweite eben mit weitaus bescheidenerem Impakt. Und sie tun es etwas subtiler und meist unter negativen Vorzeichen. Man erinnere sich bloß, wie Alfred Gusenbauer vor den letzten Wahlen von den bürgerlichen Medien niedergeschrieben worden ist, nämlich in einer Weise, wie das in anderen Demokratien höchstens mit einem Regierungschef, aber nicht mit einem Oppositionsführer gemacht würde, oder wie sie Gusenbauers Gesudere-Sager oder ähnliche Lappalien in absurder und grotesker Weise tage- und wochenlang zu Staatsaffären aufgebauscht haben, um ihm auf diese Art zu schaden, weil es inhaltlich offenbar weniger auszusetzen gab.

Es wäre also höchste Zeit für eine Regierung ohne ÖVP. Und was spricht dagegen, nach einem Vierteljahrhundert rechter Mehrheit im Nationalrat für ein paar Jahre endlich wieder eine fortschrittliche Mehrheit zu haben? Solche Wechsel sind doch eigentlich die Quintessenz einer echten Demokratie.

Que(e)rschuss LN 5/2008