12. ILGA-Europa-Tagung: „Global denken, lokal handeln“
Im Vergleich zu einer Weltkonferenz ist eine Europa-Tagung weitaus weniger arbeitsintensiv für die gastgebende Organisation: Denn das Sekretariat der ILGA-Europa in Brüssel übernimmt eigentlich den Großteil der Aufgaben. Es stellt das gesamte Konferenzprogramm zusammen (immerhin ist es auch die Generalversammlung der Organisation), kümmert sich um die WorkshopleiterInnen und ReferentInnen und wickelt die Anmeldung aller TeilnehmerInnen und die gesamte Finanzgebarung ab. Dem Gastgeber bleibt da im wesentlichen „nur“, sich im Vorfeld um einen geeigneten Tagungsort umzusehen, sich um die politische und – zusätzliche – materielle Unterstützung auf nationaler Ebene (z. B. Ehrenschutz, EröffnungsrednerInnen, Förderungen) sowie um das abendliche Rahmenprogramm zu kümmern. – Keine Frage, das ist Arbeit genug, aber kein Vergleich zu dem Arbeitspensum, das uns die Weltkonferenz beschert hat (siehe Bericht ab S. 13).
Natürlich brachte die Doppelkonferenz auch insofern Synergieeffekte, als manche Dinge einfach gleich für beide Tagungen in einem „Aufwaschen“ organisiert werden konnten. Die Besprechungen mit dem Hotel etwa mussten nicht doppelt geführt werden. Übrigens: Das Hotel Ibis war sicherlich die beste Wahl. Ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis hat sich hier ideal gepaart mit stets hilfsbereiten und äußerst professionellen MitarbeiterInnen in allen Bereichen, sowie hervorragendem Essen, das von allen sehr gelobt wurde. Auch die Einrichtung des Konferenzsekretariats mit der notwendigen Büro-Infrastruktur (Laptops, Kopierer/Drucker etc.) fiel nur einmal an, und auch die roten Umhängetaschen mit der Aufschrift „Vienna: Cool city, isn’t it?“ samt dem touristischen Inhalt (Stadtpläne, Infomaterialien), die uns großzügigerweise Wien-Tourismus für alle TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt hat, mussten nur einmal besorgt werden…
An der Europatagung nahmen ca. 220 Delegierte aus rund 40 Ländern teil. Das Motto der Tagung lautete „Global denken, lokal handeln“. Beim Eröffnungsplenum sprachen die beiden Vorsitzenden der ILGA-Europa, DEBORAH LAMBILLOTTE und MARTIN CHRISTENSEN, sowie Jona Solomon und Christian Högl von der HOSI Wien. Hauptrednerin war Justizministerin Maria Berger, die ja von 1996 bis 2007 Abgeordnete zum Europa-Parlament war und in dieser Funktion die ILGA-Europa durch deren Lobbying schon kannte. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hatte ebenfalls als Eröffnungsrednerin zugesagt, aber dann kamen die Koalitionsverhandlungen dazwischen. Da sie unabkömmlich war, schickte sie eine Grußbotschaft, die von Jona verlesen wurde.
Neben Berger gab es weitere hochkarätige politische Prominenz auf der Tagung: Unter den TeilnehmerInnen der beiden Podiumsdiskussionen waren u. a. Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, Morten Kjærum, Direktor der EU-Agentur für Grundrechte, sowie Belinda Pyke, Direktorin für Gleichstellung von Frauen und Männern in der Generaldirektion für Beschäftigungspolitik, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit der EU-Kommission.
Neben den beiden Panels umfasste das Tagungsprogramm noch 21 Workshops und fünf Plenarsitzungen. Auf letzteren wurden vor allem Tagesordnungspunkte der Generalversammlung behandelt, wie etwa Abstimmung über Anträge, Vorstandswahl, Beschlüsse zum Jahresabschluss sowie Budgetvoranschlag.
Da PATRICIA PRENDIVILLE nach vier Jahren aus ihrer Funktion als Geschäftsführerin der ILGA-Europa ausscheidet, wurde ihr entsprechend zum Abschied gedankt, denn ihr ist es in erster Linie zu verdanken, dass die ILGA-Europa in diesen letzten Jahren eine dermaßen bedeutsame Entwicklung durchgemacht hat. Die ILGA-Europa peilt inzwischen einen Personalstand von 14 Personen und ein Jahresbudget von 1,8 Millionen Euro an – eine echte Erfolgsgeschichte!
Bei der Vorstandswahl gab es nur zwei Veränderungen, nämlich zwei neue Mitglieder aus Georgien bzw. dem Vereinigten Königreich, acht Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt. Zum Gastgeber der Konferenz im Jahr 2010 wurde COC-Haaglanden in Den Haag bestimmt – es war die einzige Bewerbung. 2009 wird die Jahrestagung der ILGA-Europa in La Valletta stattfinden, was ja bereits im Vorjahr beschlossen wurde. Einer der letzten Tagesordnungspunkte der Wiener Tagung war dann auch die Übergabe der Konferenz-Regenbogenfahne von der HOSI Wien an NICOLETTE FALZON und BERNARD MUSCAT vom Malta Gay Rights Movement (MGRM).
Abendliches Rahmenprogramm
Wie gesagt: In Bezug auf die ILGA-Europa-Tagung war die aufwendigste Arbeit für uns als Gastgeberin das Organisieren bzw. Vereinbaren der Abendveranstaltungen. Am ersten Konferenztag lud Bürgermeister Michael Häupl die Delegierten zu einem Empfang in den Rittersaal des Rathauskellers. In seiner Vertretung begrüßte SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher die TeilnehmerInnen, anschließend dankten Deborah und Martin als Vorsitzende der ILGA-Europa, bevor das Buffet eröffnet wurde. Es war ein sehr anregender und entspannter Abend. Die Gäste unterhielten sich blendend.
Der zweite Abend brachte ebenfalls einen Höhepunkt, der vielen Delegierten lange in Erinnerung bleiben wird. Der Wiener Tourismusverband lud die TeilnehmerInnen nach einer kleinen Stadtrundfahrt – begleitet von professionellen ReiseführerInnen – ins Weinrestaurant Hajszan nach Döbling ein. Das milde Wetter – überhaupt hatten wir irrsinniges Glück mit dem Wetter, das sich während der acht Tage von seiner besten herbstlichen Seite zeigte – ermöglichte es auf angenehme Weise, im Garten des Restaurants bei Sturm und Maroni zu warten, bis alle fünf Busse eingetroffen waren, um dann gemeinsam im Restaurant, das sich zum Teil in einem wunderschönen alten Gewölbe befindet und zu einem Weingut gehört, Platz zu nehmen. Wien-Tourismus-Geschäftsführer Norbert Kettner begrüßte die Gäste persönlich und berichtete u. a. über Wiens Pionierrolle, schwule und lesbische TouristInnen als Zielgruppe anzusprechen, immerhin hat Wien damit schon vor zehn Jahren begonnen. Nachdem sich Deborah und Christian für die großzügige Einladung bedankt hatten, wurde das köstliche Buffet eröffnet – sicherlich der kulinarische Höhepunkt der Tagungen.
International Queer Night als Abschiedsparty
Während wir für die ersten beiden Veranstaltungen „nur“ dafür sorgen mussten, dass wir eingeladen wurden und selber keinerlei Arbeit mit deren Durchführung hatten, mussten wir für die Abschiedsparty am 1. November in der Hofstallung im Museumsquartier doch vieles vorbereiten und selber Hand anlegen. Etliche Freiwillige der HOSI Wien halfen den ganzen Nachmittag bei den Vorbereitungen. Zu Beginn gab es ein Buffet-Abendessen für die TeilnehmerInnen. Während dessen gab die Tanzformation Les Schuh Schuh in Lederhosentracht und Dirndln die erste von zwei Showeinlagen an diesem Abend zum Besten. Die Polka-Nummern wurden heftig beklatscht. Anschließend sangen Studierende der Wiener Musicalschule Performing Arts ein Potpourri aus bekannten Musical-Songs. Danach wurden die Tische und Heurigenbänke aus dem Raum entfernt, der sich in eine große Tanzfläche verwandelte. Um 22.30 Uhr öffnete die Hofstallung dann für das Wiener Publikum ihre Pforten für die International Queer Night mit DJ Joke Lopez, zu der viele Einheimische strömten (vgl. Blitzlichter auf S. 44). Es wurde ein tolles Clubbing, das bis spät in die Nacht dauerte. Um Mitternacht gaben Les Schuh Schuh ihre zweite Showeinlage – zu Liedern von Doris Day –, die bereits beim Regenbogenball bejubelt worden war.
Am Sonntag, 2. November, war die Europatagung nach dem Abschlussplenum zu Mittag vorbei. Die meisten Delegierten reisten nach dem Mittagessen ab. Rund 40 blieben für die Weltkonferenz. Der Großteil der TeilnehmerInnen an der Weltkonferenz kam am Sonntag an, und so füllte sich das Hotel Ibis von neuem…