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Budapest Pride ein voller Erfolg

Veröffentlicht am 10. September 2009
Nach den gewalttätigen Protesten beim Budapest Pride im Jahr zuvor wurde die Parade 2009 durch ein massives Polizeiaufgebot geschützt. Nach der Parade wurden die AktivistInnen mit Sonder-U-Bahnzügen weggebracht, die beiden Busse mit rund 100 TeilnehmerInnen aus Wien von der Polizei mit Blaulicht zur Autobahn eskortiert. In jeder Hinsicht eine denkwürdige Erfahrung, über die ich in den LN 5/2009 ausführlich berichtete (mehr Fotos übrigens beim Zeitreise-Eintrag für den 5. 9. 2009).

Die 60 Meter lange Regenbogenfahne der AGPRO...

...war ein beliebtes Motiv bei den FotografInnen und Kameraleuten. Links im Bild FAIKA EL-NAGASHI.

Er war angesichts der widrigen Umstände ein voller Erfolg, der Meleg Méltóság Menet, wie er auf ungarisch heißt – wörtlich: der „Marsch der warmen Würde“ – oder eben: Budapests Regenbogenparade, die am 5. September 2009 stattfand. Nach den Vorfällen in den letzten beiden Jahren und den politischen Entwicklungen in Ungarn in den letzten Monaten – Stichwort: Verfolgung von und Morde an Roma durch rechtsradikale Extremisten – musste man die Situation auch vor der diesjährigen Parade als durchaus ernst und prekär einstufen.

Im Vorjahr musste die Parade ja vorzeitig abgebrochen und die Schlussveranstaltung abgesagt werden, weil sich Rechtsradikale am geplanten Endpunkt der Parade, am Hősök tere, dem Heldenplatz, eine Straßenschlacht mit der Polizei lieferten (vgl. LN 4/2008, S. 31). Nicht zuletzt dadurch „motiviert“, kündigten sie heuer an, die Parade mit allen Mitteln überhaupt verhindern zu wollen. Und sogar mehrere Abgeordnete wie Ilona Ékes und Gábor Tóth vom nationalkonservativen Bürgerbund FIDESZ – Magyar Polgári Szövetség, Ungarns größter Oppositionspartei, die im nächsten Jahr bei den Parlamentswahlen aller Voraussicht nach mit absoluter, wenn nicht gar Zweidrittelmehrheit die Macht in Ungarn übernehmen wird (und die Mitglied in der Europäischen Volkspartei ist!), hatten im Vorfeld der Parade deren Verbot gefordert.

Der ungarischen LSBT-Bewegung war jedoch klar, dass sie sich von den rechten Parteien nicht einschüchtern lassen und der rechtsextremen Gewalt nicht weichen durfte: Eine Absage der Parade, die immerhin heuer bereits zum 13. Mal stattfand – eingebettet in ein einwöchiges LSBT-Film- und Kulturfestival, das in 14. Auflage über die Bühne ging – wäre eine schwere Niederlage gewesen, von der sich die Bewegung vielleicht gar nicht mehr so leicht erholt hätte. Der Druck auf die AktivistInnen ist ohnehin schon groß genug, und auch die Bereitschaft der „gewöhnlichen Homosexuellen“, sich zu engagieren, leidet unter der allgemeinen politischen Lage. So hatte sich die „Stiftung Mission Regenbogen“ – Szivárvány Misszió Alapítvány (SZMA) – im Frühsommer auch gezwungen gesehen, Festival und Parade von Juli auf September zu verschieben (vgl. LN 4/2009, S. 36).

 

Internationale Solidarität

Der österreichischen Lesben- und Schwulenbewegung, aber auch antifaschistischen Gruppen war es daher ein großes Anliegen, die ungarischen FreundInnen aktiv zu unterstützen. Autonome Antifa-Gruppen, die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH), GrünaktivistInnen und die Rosa Lila Villa organisierten daher eine gemeinsame Fahrt und Teilnahme an der Parade, wozu auch die HOSI Wien aufrief. Schließlich mussten sogar zwei Busse gemietet werden, um die mehr als 100 Wiener TeilnehmerInnen nach Budapest zu bringen. GEBI MAIR, grüner Gemeinderat und Vorstandsmitglied der HOSI Tirol, war mit dem Zug aus Innsbruck angereist. AGPRO, die Austrian Gay Professionals, stellte ihre 60 Meter lange Regenbogenfahne zur Verfügung, die schon mehrfach in Wien zum Einsatz gekommen war – u. a. hing sie 2001 bei EuroPride vom Donauturm. Die imposante Fahne machte dann auch in Ungarns Hauptstadt großen Eindruck und wurde an der Spitze des Paradenzugs getragen. Sie erwies sich klarerweise als das beliebteste Fotomotiv der zahlreich erschienenen MedienvertreterInnen.

Aus anderen Ländern waren ebenfalls AktivistInnen nach Budapest gekommen, prominent vertreten waren u. a. Amnesty International und die ILGA-Europa. US-Filmstar Whoopi Goldberg unterstützte die Parade mit einer Video-Botschaft, die auf einer Pressekonferenz während des Festivals vorgestellt wurde. Dreizehn ausländische Botschaften veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der Parade. Schade, dass die österreichische Vertretung dabei fehlte. Sie stellte jedoch eigens für die österreichischen TeilnehmerInnen eine spezielle Kontaktperson ab, die im Notfall, der erfreulicherweise nicht eintrat, telefonisch erreichbar gewesen wäre. Die HOSI Wien hatte Außenminister Michael Spindelegger in einem Schreiben auch ersucht, gegenüber dem ungarischen Außenministerium zu betonen, dass ein ausreichender Schutz der Parade durch die ungarischen Sicherheitskräfte erwartet werde. In einer Antwort ließ er uns mitteilen, dass dieses Ersuchen an die „ungarische Seite herangetragen“ worden sei.

 

Hermetisch abgeriegelt

Die Parade wurde in der Tat durch ein Großaufgebot von mehr als 1000 PolizistInnen (!) effizient geschützt, was allerdings dazu führte, dass die Parade unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand: Nur wer am Beginn der Parade durch die Sicherheitskontrolle ging, konnte mitmaschieren – diesmal in umgekehrter Richtung als im Vorjahr: vom Hősök tere den gesamten Prachtboulevard Andrássy út entlang bis zum Erzsébet tér. Es war auch nur an wenigen „Ausgängen“ möglich, die Parade zu verlassen.

Die rund zwei Kilometer lange Strecke war von der Polizei hermetisch abgeriegelt worden. Links und rechts waren mobile Zäune aufgestellt worden. Um zu verhindern, dass die DemonstrantInnen wie im Vorjahr von außerhalb der Zäune mit Eiern und anderen Gegenständen beworfen werden, wurde heuer auch der Zugang zur Andrássy út über die Neben- und Querstraßen auf der gesamten Länge des Boulevards blockiert, indem schon in den Parallelstraßen ebenfalls Polizeisperren und Zäune errichtet wurden. Dort kam es auch vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und Polizisten, von denen man aber in der Parade gar nichts mitbekam. Sie verlief ohne Zwischenfälle.

Durch diese totale Abriegelung gab es allerdings auch keine ZuschauerInnen – abgesehen von den BewohnerInnen in den Häusern entlang der Route. Trotz dieser Widrigkeiten paradierten mehrere tausend Menschen bei fröhlicher Stimmung – aber was für ein Kontrast etwa zur Regenbogenparade in Wien oder zum Volksfest in Reykjavík (siehe Bericht ab Seite 24)! Am Erzsébet tér löste sich die Parade dann ohne Abschlusskundgebung auf. Wie im Vorjahr wurden die TeilnehmerInnen über die U-Bahn „evakuiert“, damit sie nicht beim Weggehen von der Parade von Rechtsradikalen überfallen werden konnten. Die U-Bahn-Station Deák Ferenc tér wurde zu diesem Zweck für den Normalbetrieb geschlossen. Wir TeilnehmerInnen aus Wien wurden mit einem eigenen Sonderzug zwei Stationen weiter zum Blaha Lujza tér gefahren, wo wir – wieder geschützt durch ein massives Polizeiaufgebot – in unsere beiden Reisebusse stiegen. Eine Eskorte von drei Polizeiautos lotste uns dann mit Blaulicht bis zur Autobahn Richtung Wien.

Es war zwar alles gut gegangen – dank des professionellen Großeinsatzes der Polizei, ohne den die Durchführung der Parade ohne Zweifel von den Gegnern verhindert worden wäre. Aber dennoch blieben bei uns ein mehr als mulmiges Gefühl und ein mehr als beklemmender Eindruck über die Situation in der Hauptstadt eines EU-Mitgliedsstaates – 250 Kilometer von Wien entfernt – am Beginn des 21. Jahrhunderts zurück.