Seite wählen
  1. Diverse LN-Beiträge
  2. Europa: Paradensaison 2010 hat begonnen

Europa: Paradensaison 2010 hat begonnen

Veröffentlicht am 30. Juli 2010
Im Mai 2010 gelang es mir, an drei aufeinanderfolgenden Samstagen drei Städte zu besuchen, in denen erstmals eine Pride-Demo stattfand bzw. stattfinden sollte. In Minsk wurde die unangemeldete Kundgebung nach Moskauer Art sofort von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Der Treffpunkt wurde bis zum Schluss so geheim gehalten, dass ich die „Action“ leider versäumte. Ich berichtete in den LN 3/2010.

Baltic Pride in Wilna am 7. Mai 2010: Hinter dem Transparent u. a. die Europa-Abgeordneten Sophie in ’t Veld, ULRIKE LUNACEK und MICHAEL CASHMAN, Belinda Pyke von der EU-Kommission und der grüne Bundestagsabgeordnete VOLKER BECK

Die ILGA-Europa-Fahne hielten Geschäftsführerin EVELYNE PARADIS, Vorstandsvorsitzender MARTIN IVERSEN CHRISTENSEN, ALEXOS MODINOS aus Zypern und ILGA-Vorstandsmitglied DEBORAH LAMBILLOTTE (1954–2016).

Mitten auf dem zentralen Hviedzoslav-Platz stand die Bühne für den Regenbogen-Pride in Pressburg. Die grüne EU-Abgeordnete ULRIKE LUNACEK wurde während ihrer Rede mit Steinen beworfen, aber nicht getroffen.

Die Polizei verscheuchte schließlich das versprengte Grüppchen der GegendemonstrantInnen innerhalb von Sekunden, trotzdem mussten sie als Vorwand dafür herhalten, den geplanten Umzug durch die Innenstadt nicht zu gestatten.

Und so ging's direkt zum Party-Boot, das am anderen Donauufer vor Anker lag.

In vielen Ländern Europas haben in den letzten Monaten wieder Paraden aus Anlass des Christopher Street Day stattgefunden. Und auch heuer kamen wieder neue Städte auf die ohnehin schon lange Liste der europäischen CSD-Termine hinzu. Dem Autor dieser Zeilen ist es gelungen, im Mai 2010 an drei aufeinanderfolgenden Samstagen drei dieser Städte zu besuchen, in denen heuer erstmals eine CSD-Demo stattfand.

 

Baltic Pride in Vilnius

ILGA-Europa hatte ihr alljährliches EU-Netzwerk-Treffen, bei dem die HOSI Wien seit Gründung dieses Netzwerks den/die österreichische/n Vertreter/in stellt, heuer extra für den 7. und 8. Mai in der litauischen Hauptstadt Wilna anberaumt, damit die rund 50 TeilnehmerInnen dieser Tagung am Samstagnachmittag den Baltic Pride 2010 verstärken konnten. Der Marsch fand – allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit – auf einer kurzen Strecke am Ufer der Neris statt, das von der Polizei hermetisch abgeriegelt worden war. Viele Schaulustige fanden sich am anderen, der Innenstadt zugewandten Ufer ein. Es gab die in Osteuropa üblichen GegendemonstrantInnen, aber insgesamt schien die große Mehrheit der BewohnerInnen Wilnas sich wenig um den CSD zu kümmern – und sie hätte wohl auch nichts dagegen gehabt, wenn er durch die historische Innenstadt gezogen wäre. Es war das erste sonnige Wochenende nach einem langen Winter, und die Leute bevölkerten die zahlreichen Straßencafés und verbreiteten entspanntes Hauptstadt-Flair, wie es sich nun einmal auch für die „Metropole“ eines kleinen Landes gehört. Jedenfalls war es ein wichtiges Signal, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit auch für Lesben, Schwule und Transgender-Personen in einem EU-Mitgliedsstaat gegen die in Osteuropa immer noch vorherrschenden Widerstände durchgesetzt wurde.

 

Slavic Pride in Minsk

Eine Woche später, am 15. Mai, war dann der Slavic Pride in der weißrussischen Hauptstadt Minsk geplant. Hier kam es zu einer Neuauflage des Katz-und-Maus-Spiels mit der Polizei, wie man es aus Moskau in den vergangenen Jahren kannte: Da die Demo nicht genehmigt wurde – und wegen der angekündigten Gegendemonstration –, wurden Ort und Zeitpunkt des Umzugs bis zuletzt geheim gehalten und einmal sogar spontan verschoben. Schließlich schafften es die OrganisatorInnen, etliche MedienvertreterInnen, darunter Kamerateams, zum Ort des Geschehens zu lotsen, ohne dass die Polizei gleich eingreifen konnte. Den ParadenteilnehmerInnen gelang es, eine zwölf Meter lange Regenbogenfahne zu entfalten und sie rund 200 Meter durch die Surganaw-Straße (Вуліца Сурганава) zu tragen. Dann schritten jedoch die Ordnungshüter ein und lösten die Kundgebung gewaltsam auf. Dennoch zeigte sich NIKOLAJ ALEKSEJEW, unermüdlicher Vorkämpfer der Moskauer Parade und Mitorganisator des Slavic Pride in Minsk, zufrieden: „Wir haben es geschafft zu sagen, was wir sagen wollten, wir haben es geschafft, die große Regenbogenfahne zu entfalten und zehn Minuten durch Minsk zu tragen.“

 

Regenbogen-Pride in Bratislava

Eine Woche später, am 22. Mai 2010, fand dann erstmals in der slowakischen Hauptstadt Pressburg eine CSD-Parade statt: der Dúhový PRIDE (Regenbogen-Pride), wobei die HOSI Wien zur zahlreichen Teilnahme und Unterstützung dieses Ereignisses aufrief (vgl. Aussendung vom 21. Mai 2010). Ab 13 Uhr versammelten sich die TeilnehmerInnen am Hviedzoslavovo námestie, dem zentralen Platz mitten in der Innenstadt, der sich als Fußgängerzone von der alten Oper bis zum Rybné námestie am Donauufer hinzieht. Allerdings machte die Polizei den Fehler, in unmittelbarer Nähe Gegendemonstrationen zu genehmigen. Obwohl es sich um relativ kleine Grüppchen handelte, hieß es, der geplante Umzug durch die Innenstadt könne aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden. Dennoch ließen es sich die OrganisatorInnen nicht nehmen, zumindest ein kurzes Stück durch die Stadt zu ziehen. Und so marschierten nach den Ansprachen und dem Straßenfest rund tausend Menschen über die Donaubrücke (wobei die Polizei die paar GegendemonstrantInnen vorher in Sekundenschnelle vertrieb!) direkt zur After-Paradenparty im LOĎ – Divadlo v podpalubí, einem Boot, das dort am anderen Donauufer lag. Wie in Wilna kam daher die Botschaft deutlich an: Wir lassen uns unser Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit nicht nehmen!

 

Nachträgliche Anmerkung: 

Fotos vom Slavic Pride (Славянскі гей-прайд) in Minsk 2010 finden sich hier