Doppelname mit Bindestrich
Am 11. November 2011 veröffentlichte der Verfassungsgerichtshof zwei bereits im September gefällte Entscheidungen mit schwul/lesbischer Relevanz. Erwartungsgemäß hat er in seinem Erkenntnis (B 1405/10-11) die Beschwerde eines heterosexuellen Paares gegen die Beschränkung der eingetragenen Partnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare abgewiesen: Es sei nicht verfassungswidrig und liege – auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, wenn er für verschiedengeschlechtliche Paare die Ehe und für gleichgeschlechtliche Paare die eingetragene Partnerschaft vorsieht. Andernfalls hätte der VfGH in logischer Konsequenz wohl die Beschränkung der Ehe auf verschiedengeschlechtliche Paare ebenfalls als verfassungswidrig aufheben und damit sein eigenes Erkenntnis aus 2004 über den Haufen werfen müssen. Das war aber gerade nach dem späteren EGMR-Urteil in der(selben) Beschwerde Schalk & Kopf gegen Österreich aus 2010 (vgl. LN 3/2010, S. 19 ff, und LN 5/2010, S. 18) nicht zu erwarten.
Keine Überraschung brachte auch die zweite an jenem Tag bekanntgewordene Entscheidung des VfGH. Diese betraf eine Beschwerde (B 518/11-6) gegen einen Behördenbescheid, dem zufolge ein Doppelname im Zuge einer eingetragenen Partnerschaft (EP) ohne einen Bindestrich zu bilden wäre. Laut VfGH ist das betreffende Gesetz jedoch keineswegs so zu verstehen: Auch im Fall einer EP ist der eventuell gewünschte Doppelname unter Setzung eines Bindestriches zwischen den beiden Namen zu bilden. Nur so sei das Gesetz zu lesen und von den Behörden anzuwenden, sprich „verfassungskonform zu interpretieren“. Eine andere Auslegung wäre eine unzulässige Diskriminierung.
Die Sache war eigentlich von Anfang an klar. Schon als es kurz nach Verabschiedung des EP-Gesetzes zur Aufregung um den Bindestrich kam, meinte Ministerialrat Michael Stormann vom Justizministerium gegenüber der HOSI Wien, diese vom Innenministerium lancierte Auslegung der Gesetzesbestimmung würde einer Überprüfung des VfGH sicherlich nicht standhalten. Jedenfalls sei diese im Gesetzwerdungsprozess nie diskutiert worden oder gar vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen. Im Gegenteil! Dass es zu reiner Behördenwillkür führt, wenn bei der Anwendung nicht eindeutig formulierter Gesetze solche naheliegenden, sich dem Hausverstand von selbst aufdrängenden Analogieschlüsse nicht konsistent und durchgängig, sondern nur selektiv gezogen werden, zeigt ein anderes Beispiel aus dem Namensrecht, auf das wir später eingehen werden.
Aber wieso kam es überhaupt zu unterschiedlichen Auslegungen des Gesetzestextes betreffend den Bindestrich? Wie ein Doppelname im Zuge einer Eheschließung zu bilden ist, wird im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt: Dort heißt es im § 93 Abs. 2, dass der Doppelname „unter Setzung eines Bindestrichs zwischen den beiden Namen“ (also dem gemeinsamen Familiennamen und dem dann voran- oder nachzustellenden eigenen Nachnamen) zu bilden ist. Diese Wortfolge fehlt im Namensänderungsgesetz (NÄG), das im § 2 Abs. 1 Z. 7a die Bildung von Doppelnamen bei einer EP regelt. Diese Bestimmung lautet: Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn der Antragsteller einen Nachnamen erhalten will, der gleich lautet wie der seines eingetragenen Partners, und dies gemeinsam mit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft beantragt; damit kann auch der Antrag verbunden sein, als höchstpersönliches, nicht ableitbares Recht seinen bisherigen Nachnamen voran- oder nachzustellen.
Aus der hier fehlenden Wortfolge „unter Setzung eines Bindestrichs“ hat das Innenministerium die – schikanöse – Schlussfolgerung gezogen, bei der Führung eines Doppelnamens nach dem Eingehen einer EP dürfe dieser nicht mit Bindestrich gebildet werden. Viel logischer wäre wohl der Analogieschluss gewesen, dass natürlich auch in diesem Fall ein Bindestrich zu setzen ist. Wenn einer der eingetragenen Partner einen Nachnamen hat, der auch als Vorname gebräuchlich ist, ist es ohne Bindestrich unter Umständen auch nicht eindeutig, ob es sich dabei um einen Nachnamen oder um einen zweiten Vornamen handelt (z. B. Maria Walter-Mayer und nicht Maria Walter Mayer).
Jedenfalls hat das Innenministerium noch vor Inkrafttreten des EP-Gesetzes durch ein Schreiben an die Ämter der Landesregierungen (GZ: BMI-VA1300/0532-III/2/2009) am 28. Dezember 2009 seine Deutungsmacht bezüglich dieser gesetzlichen Bestimmung – vorerst – durchgesetzt. Es handelte sich dabei aber lediglich um eine willkürliche Interpretation, jedoch keineswegs um ein im Gesetz vorgesehenes „Verbot“, wie etliche der für gewöhnlich schlecht bis gar nicht informierten einschlägigen Medien dieses Landes falsch berichtet haben, und daher um keine „Bosheit des Gesetzesgebers“, wie der grüne Bundesrat MARCO SCHREUDER in einer Stellungnahme am 11. November behauptet hat. Da ein ausdrückliches Verbot im Gesetz also gar nicht vorgesehen ist, muss jetzt auch kein Gesetz geändert werden. Das Vorenthalten des Bindestrichs war bloß eine Böswilligkeit des Innenministeriums. Dessen nachgeordnete Personenstandsbehörden dürfen sich jedoch nach der Klarstellung des VfGH nicht mehr an diese Auslegung halten.
Mangels Eindeutigkeit im Gesetzestext ausgerechnet in Sachen Bindestrich keinen Analogieschluss zum § 93 ABGB zu ziehen war reine Willkür seitens des Innenministeriums, denn bei einem anderen Aspekt, bei dem der neue EP-relevante Gesetzestext im § 2 NÄG ebenfalls nicht eindeutig ist, hat das Innenministerium sehr wohl einen solchen Analogieschluss zum § 93 ABGB gezogen, weil ihm dabei eine solche logische Ableitung in den ideologischen Kram passte.
Liest man nämlich den oben zitierten § 2 Abs. 1 Z. 7a für sich allein und nimmt ihn wortwörtlich, wie er da steht („Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn der Antragsteller einen Nachnamen erhalten will, der gleich lautet wie der seines eingetragenen Partners (…); damit kann auch der Antrag verbunden sein, als höchstpersönliches, nicht ableitbares Recht seinen bisherigen Nachnamen voran- oder nachzustellen.“), kann man diese Bestimmung durchaus so auslegen (insbesondere, wenn man auf einen Bindestrich verzichtet), dass jede/r der beiden eingetragenen PartnerInnen den eigenen Nachnamen dem Nachnamen des Partners bzw. der Partnerin voran- oder nachstellen könnte, dass also beide eingetragenen PartnerInnen einen Doppelnamen führen und dabei sogar die Reihenfolge variieren könnten. Dies ist bei Ehegatten jedoch nicht möglich. Gemäß § 93 ABGB Abs. 2 kann nur eine/r der Ehegatten einen Doppelnamen führen, der aus dem gemeinsamen Familiennamen (= einem der beiden bisherigen Nachnamen der Ehegatten) und dem entweder voran- oder nachgestellten eigenen Nachnamen besteht. Der/Die andere führt nur den gemeinsamen Familiennamen.
Damit diese durch den Gesetzgeber verursachte Ungenauigkeit im NÄG nicht wie hier dargestellt interpretiert wird, hat das Innenministerium in besagtem Erlass vom 28. Dezember 2009 sehr wohl durch Verweis auf die Bestimmungen des § 93 ABGB den logischen Schluss gezogen, dass natürlich auch bei einer EP nur eine/r der PartnerInnen einen Doppelnamen führen könne, und dies ausdrücklich im Erlass festgehalten.
Man sieht also: Das Innenministerium hat beim Bindestrich durch willkürliche Manipulation versucht, den Willen und die Absichten des Gesetzgebers zu unterlaufen und in seine eigene reaktionäre Richtung hin zu interpretieren. Dem hat nun der VfGH einen Riegel vorgeschoben.
Im Zusammenhang mit der Bindestrich-Frage hat der VfGH im übrigen auch ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet. Die oben zitierte Gesetzesbestimmung legt nämlich fest, dass ein Antrag auf Namensänderung im Rahmen einer EP nur gleichzeitig mit deren Begründung (und danach offenbar nicht mehr) gestellt werden kann. Bei der Ehe ist ein solcher Antrag auch nach der Eheschließung noch möglich. Die VerfassungsrichterInnen haben Zweifel daran, dass es für einen solchen Unterschied zwischen eingetragener Partnerschaft und Ehe einen sachlichen Grund gibt. Es ist zu erwarten, dass dieses Gesetzesprüfungsverfahren ebenfalls zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen wird. Denn seit dem richtungsweisenden EGMR-Urteil aus dem Jahr 2003 in der von der HOSI Wien unterstützten Beschwerde Karner gegen Österreich (vgl. LN 4/2003, S. 6 ff) ist klar, dass für eine rechtliche Ungleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare schwerwiegende und legitime Gründe geltend gemacht werden müssen. Und derartige Gründe, die in diesem Fall eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden, sind ja weit und breit nicht zu erkennen.
Nachträgliche Anmerkungen:
§ 93 ABGB wurde später novelliert. Die oben zitierte Fassung ist daher obsolet.
Was das im letzten Absatz erwähnte Gesetzesprüfungsverfahren betrifft, so hat der VfGH am 3. März 2012 jene Bestimmung des Namensänderungsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Z. 7 lit. a), wonach ein gemeinsamer Nachname bzw. die Führung eines Doppelnamens nur gemeinsam mit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft (und nicht zu einem späteren Zeitpunkt) beantragt werden kann (Beschwerde G 131/11-5), als verfassungswidrig aufgehoben. Er stellte fest, dass keine „schwerwiegende sachliche Begründung ersichtlich“ sei, die „diese Ungleichbehandlung von eingetragenen Partnern und Eheleuten rechtfertigen könnte“ (Randnummer 20) – vgl. dazu LN 1/2013.