König-Abdullah-Zentrum zieht aus Wien ab
Rechtsanwalt Wolfgang Renzl, ich in meiner Funktion als HOSI-Wien-Generalsekretär und Eytan Reif von der Initiative „Religion ist Privatsache“ bei der gutbesuchten Pressekonferenz im „Gugg“ am 26. November 2012. Die Gründung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) in Wien wurde heftig kritisiert.
FOTO: CHRISTIAN HÖGL
Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) wurde 2012 von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien gegründet und wird zum Großteil von Saudi-Arabien finanziert. Wie sein Name schon sagt, soll das Zentrum den interreligiösen und interkulturellen Dialog fördern. Der Vatikan verfügt über Beobachterstatus beim KAICIID, das von Anfang an umstritten war. Besonders vehement gegen die Niederlassung des Zentrums in Wien sprachen sich die Grünen und die HOSI Wien aus.
Am 26. November 2012 etwa hielt die HOSI Wien gemeinsam mit der Initiative „Religion ist Privatsache“ eine Pressekonferenz im Gugg ab, auf der Rechtsanwalt Wolfgang Renzl u. a. eine Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs in Zusammenhang mit der Errichtung des Zentrums präsentierte. Ich wies bei der Gelegenheit auf die katastrophale Menschenrechtslage im Königreich Saudi-Arabien hin:
Das Land ist ein mittelalterlicher Gottesstaat, eine Diktatur, in der ausschließlich die Scharia gilt; es ist neben dem Vatikan der einzige Staat der Welt, der die UNO-Menschenrechtskonvention nicht ratifiziert hat. Die Menschenrechte von Frauen, Kindern, religiösen und anderen Minderheiten, nicht zuletzt von Lesben und Schwulen, werden mit Füßen getreten. Außerdem ist Saudi-Arabien einer von sieben Staaten weltweit – allesamt übrigens islamisch geprägt –, in denen auf homosexuelle Handlungen die Todesstrafe steht. Für uns ist es völlig unverständlich und eine monströse Vorstellung, dass die Republik Österreich gemeinsam mit diesem Staat eine internationale Organisation aus der Taufe gehoben hat, die noch dazu in den ersten drei Jahren von diesem finanziert wird. Der Umstand, dass im Direktorium der Organisation ein schiitischer Vertreter aus dem Iran sitzt, wo seit der Machtübernahme der Ayatollahs 1979 nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 4000 Lesben und Schwule hingerichtet worden sind, macht die Sache keineswegs besser.
Wir haben ja grundsätzlich nichts gegen interreligiösen Dialog, aber den sollen sich die Religionsgemeinschaften als Nichtregierungsorganisationen doch bitte selber organisieren. Außerdem hätte man wenigstens auf rudimentäre Vorleistungen der Saudis bestehen können: Österreich hätte wohl auch kein entsprechendes Übereinkommen mit dem Vatikan geschlossen, wenn dort noch Inquisition und Hexenverbrennung an der Tagesordnung wären. Warum stören Bundesregierung und Nationalrat ähnliche Phänomene (Todesstrafe für den Abfall vom Glauben oder für Ehebruch) im Falle Saudi-Arabiens nicht?
Der staatliche Segen ist auch deshalb ein äußerst problematisches Signal, weil den Religionsgemeinschaften damit wieder eine privilegierte Sonderstellung eingeräumt wird, die ihnen nicht zukommt, zumindest nicht in Österreich, wo ja – im Gegensatz zu Saudi-Arabien – eigentlich die Trennung von Kirche und Staat vorgesehen ist.
Nach dieser Pressekonferenz hat die HOSI Wien eine Medienaussendung ausgeschickt, und ich habe diese Angelegenheit in einem längeren Beitrag in den LN 5/2012 über die besorgniserregenden Versuche der Religionen, sich wieder vermehrt in die Politik einzumischen, aufgegriffen: „Religionen wittern Morgenluft – Kirchen in die Schranken weisen!“
Auch die Grünen waren dagegen
Die Situation in Saudi-Arabien hat sich seit Gründung des KAICIID überhaupt nicht verbessert. Im Gegenteil: Unfassbare Ereignisse haben den Ruf des Landes und seines Herrscherhauses seither noch weiter beschädigt – Stichwort: Verfolgung von Regimekritikern, die – wie etwa der unabhängige Blogger Raif Badawi – ins Gefängnis geworfen oder – wie der Journalist Jamal Khashoggi (deutsch auch Dschamal Chaschuqdschi transkribiert) – im Auftrag des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman al-Saud ermordet wurden.
Im Juni 2019 sprach sich der Nationalrat in einer rechtlich nicht bindenden Entschließung mehrheitlich für einen Ausstieg Österreichs aus dem KAICIID aus. Die ÖVP stimmte dagegen.
Im türkis-grünen Regierungsprogramm wurde statt einer Schließung bloß eine Reform des Abdullah-Zentrums vereinbart, was ich in meinem Blogbeitrag vom 3. Jänner 2020 kritisiert habe. Unabhängig von diesem Nachgeben gegenüber der ÖVP haben die Grünen – quasi außerparlamentarisch – ihren Protest gegen Saudi-Arabien und das KAICIID konsequent weitergeführt. Und so freute sich dann EWA ERNST-DZIEDZIC, außenpolitische Sprecherin der Grünen, auf Twitter, dass 323 Mahnwachen dazu beigetragen haben, das KAICIID ganz loszuwerden: „Solange in Saudi-Arabien Menschenrechte, Religions- und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten werden, ist ein Toleranz suggerierendes Zentrum in Österreich fehl am Platz.“