Nachruf auf Douglas Sanders (1938–2022)
In Österreich wird der Name und die Person DOUGLAS SANDERS wohl nur ein paar wenigen AktivistInnen bekannt sein, die sich in den 1990er Jahren in der internationalen LSBT-Bewegung engagiert haben. In diesem Zeitraum war Professor Sanders ein wichtiger Akteur für die International Lesbian and Gay Association (ILGA) – insbesondere im Rahmen ihrer Lobbying-Aktivitäten gegenüber den Vereinten Nationen, die er federführend initiierte. Ich hatte das Privileg, Doug in diesem Zusammenhang kennenzulernen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Auch später trafen wir uns regelmäßig bei ILGA- und ILGA-Europa-Tagungen, zuletzt in Warschau 2017. Wir blieben bis zu seinem Ableben in loser Verbindung. Daher ist es mir ein großes Bedürfnis, Doug mit einem persönlichen Nachruf zu würdigen und Erinnerungen an ihn zu teilen.
Da ich mit seinen biografischen Daten und seiner akademischen Laufbahn nicht im Detail vertraut war, wollte ich diese im Internet recherchieren und musste feststellen, dass sich im World-Wide-Web verhältnismäßig wenig über ihn findet, nicht einmal ein Wikipedia-Eintrag. Ich hätte gerne zu einem solchen verlinkt. Eigentlich sehr merkwürdig. Daher an dieser Stelle nur in aller Kürze: Doug war kanadischer Staatsbürger, lehrte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von British Columbia in Vancouver, wobei sein Spezialgebiet die Rechte der indigenen Völker Kanadas waren. Anfang der 1990er Jahre verlagerte sich sein Interesse und sein Engagement hin zu LSBT-Rechten. Er begann, seine wissenschaftliche Expertise und Erfahrungen nun vor allem auf diesem Gebiet einzusetzen und die ILGA zu unterstützen, speziell in ihrem Lobbying bei den Vereinten Nationen. Der internationale LSBT-Dachverband hatte zu diesem Zeitpunkt sehr beschränkte finanzielle und personelle Ressourcen.
Ich lernte Doug aus Anlass der UNO-Weltkonferenz über Menschenrechte, die im Juni 1993 in Wien stattfand, kennen. Für die ILGA hatte sich ein kleines Team engagierter AktivistInnen gebildet, um LSBT-Menschenrechte bei dieser Tagung zu thematisieren. Doug verfügte durch seinen Einsatz für indigene Völker bereits über große Expertise in Sachen Lobbying im UN-Zusammenhang. Und im Jahr davor hatte er in der UNO-Subkommission zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten in Genf in einem gemeinsamen Statement der Human Rights Advocates und der ILGA über „Lesben- und Schwulenrechte“ gesprochen – es war dies eine UN-Premiere.
Die Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte wurde ein großer Erfolg für die ILGA, wie ich in den LN 3/1993 (S. 48 ff) euphorisch und detailliert berichtete.
Schon einen Monat später konnte die ILGA einen weiteren Erfolg bei der UNO einfahren. Nach mehrjährigen Bemühungen wurde ihr – trotz heftigen Widerstands etlicher UN-Mitgliedsstaaten – im Juli 1993 endgültig beratender Status beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der UNO zuerkannt – vgl. LN 4/1993 (S. 48 ff). Doug hatte die ILGA bei der entscheidenden ECOSOC-Sitzung in Genf vertreten.
Leider sollte die Freude darüber nicht lange währen: Im September 1994 wurde der Status der ILGA auf Druck der USA für drei Jahre suspendiert.
Doug hat selber – immer wieder auf den neuesten Stand aktualisiert – über das intensive Lobbying bei der UNO berichtet und publiziert: 1996 etwa in einem Beitrag – Getting Lesbian and Gay Issues on the International Human Rights Agenda – für das Human Rights Quarterly (Baltimore); oder im Februar 2015 in einem Referat – How did we get here? – für den Regional Dialogue on LGBTI Rights and Health in Asia and the Pacific im UN Conference Centre in Bangkok; und zuletzt 2021 in einem Artikel – Flying the Rainbow Flag at the United Nations – im Journal of Southeast Asian Human Rights (Jember, Indonesien).
Nach der Suspendierung des ECOSOC-Status der ILGA war klar, dass die Lobbying-Aktivitäten bei der UNO – Dougs Spezialgebiet – fürs erste blockiert sein würden, wobei Doug sofort die Möglichkeiten auslotete, wie die ILGA diesen Status wieder zurückgewinnen könnte und ihr bei den diesbezüglichen Bemühungen mit Rat und Tat zur Seite stand. Es sollte allerdings dann 17 Jahre dauern, bis ILGA der Status wieder zuerkannt wurde (Näheres dazu in den „Nachträglichen Anmerkungen“ zum vorhin verlinkten LN-Artikel).
Als Doug 2003 nach Bangkok übersiedelte, verlagerte sich sein Fokus auf Asien. Er wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Menschenrechte und Friedensforschung der Mahidol-Universität sowie Gastprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Chulalongkorn-Universität – beide in der thailändischen Hauptstadt.
Er verfolgte die Entwicklungen in Sachen LSBT-Rechte in der gesamten Region und publizierte darüber regelmäßig – sowohl im akademischen als auch im aktivistischen Kontext. Er nahm regelmäßig an den ILGA-Regionalkonferenzen in Asien teil und unterstützte ILGA Asia. Darüber hinaus engagierte er sich im South East Asia Human Rights Network und bei den Jahrestagungen des Asian Law Institute (ASLI).
Eine Übersicht über Dougs wissenschaftliche Veröffentlichungen findet sich unter diesem Link. Zum Teil stehen seine Beiträge hier kostenlos zur Verfügung. Für das pan-asiatische Internet-Portal Fridae – Connecting Gay Asia verfasste er von 2005 bis 2013 zahlreiche Artikel zu unterschiedlichen LSBT-Themen.
Doug war nicht nur ein engagierter Professor und LSBT-Aktivist über mehrere Jahrzehnte hinweg, er war vor allem ein geistreicher, humorvoller und witziger Mensch, dem man gerne zuhörte und mit dem man viel Spaß haben konnte.
Doug starb am 13. November 2022 in seiner Wohnung in Bangkok an Herzversagen. Seine MitstreiterInnen, WeggefährtInnen und FreundInnen werden ihn stets in lieber und dankbarer Erinnerung behalten.
Zum Schluss der Link zu Dougs Facebook-Seite: https://www.facebook.com/douglas.sanders.731
Eu fui namorado dele entre 1995 e 1996, sou brasileiro do Rio de Janeiro, conhecir o Douglas na conferência no Rio de Janeiro. Saudades.