Zum Tod Joseph Ratzingers
LOSE SERIE: AUS DEM ARCHIV
Joseph Ratzingers pathologische Homophobie ist hinlänglich bekannt, spielte aber in letzter Zeit keine große Rolle mehr. Das liegt zum einen daran, dass es fast zehn Jahre her ist, dass er sein Amt als Oberhirte niederlegte, und zum anderen am Umstand, dass er mit seinem Kreuzzug gegen die weltliche Anerkennung und Gleichstellung von Homosexuellen, den er mit missionarischem Eifer geführt hatte, letztlich vollkommen scheiterte. Daher mag man jetzt geneigt sein, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Beides ist indes kein Grund, den Mantel des Schweigens gnädig über diese dunkle Seite von Ratzingers Wirken zu breiten. Im Gegenteil: Es ist wichtig, dass wir „unsere“ Verfolgungsgeschichte nicht vergessen und unsere Widersacher nicht aus falsch verstandener Pietät schonen – auch nicht in der Stunde ihres Ablebens oder posthum.
Seinen homophoben Kreuzzug begann Ratzinger bereits in seiner Zeit als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, die in der direkten Nachfolge der heiligen Inquisition steht. Dieses Amt übte Ratzinger ab März 1982 aus. Großes Echo löste ein Dokument aus, das die Glaubenskongregation am 24. Juli 1992 unter dem Titel „Einige Anmerkungen bezüglich der Gesetzesvorschläge zur Nicht-Diskriminierung homosexueller Personen“ veröffentlichte. Dieses „Schreiben“ war speziell an die Adresse der US-Bischöfe gerichtet, die offenbar in Roms Augen damals zu wenig deutlich gegen weltliche Antidiskriminierungsbestimmungen auftraten. Die Bischöfe wurden u. a. aufgefordert, gegen derartige Gesetzesvorhaben auch dann vorzugehen, wenn für kirchliche Einrichtungen und Vereinigungen Ausnahmeregelungen getroffen würden, denn: Die Kirche hat die Verantwortung, das Familienleben und die öffentliche Moral der gesamten Zivilgesellschaft auf der Grundlage fundamentaler moralischer Werte zu fördern, und nicht nur, sich selbst vor den Folgen verderblicher Gesetze zu schützen.
Unverhohlene Einmischung in staatliche Belange
Es war eine Zeit, in der sich der Vatikan noch völlig ungeniert in staatliche Belange wie Gesetzgebung einmischte. In einem Kommentar in den LN 4/1992 habe ich damals ausführlich über dieses Schreiben berichtet.
Elf Jahre später, am 31. Juli 2003, hat die Kongregation für die Glaubenslehre ein ähnliches Dokument –„Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen“ – veröffentlicht. Es enthielt die altbekannten Haltungen der römisch-katholischen Kirche zur Homosexualität. Auch die Betonung der Verantwortung, die katholische PolitikerInnen aus ihrem Gewissen und aus der katholischen Soziallehre heraus in der Politik hätten, war nicht neu. Neu war hingegen, wie massiv gegen die rechtliche Anerkennung solcher Lebensgemeinschaften mobilgemacht und mit welcher Vehemenz nun auf katholische PolitikerInnen durch „ethische Anweisungen“ Druck ausgeübt wurde. So heißt es in dem Dokument wörtlich:
Wird der gesetzgebenden Versammlung zum ersten Mal ein Gesetzesentwurf zu Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung.
Wenn ein Gesetz zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften schon in Kraft ist, muß der katholische Parlamentarier auf die ihm mögliche Art und Weise dagegen Einspruch erheben und seinen Widerstand öffentlich kundtun.
Dieses Vatikan-Dokument stieß jedoch auf ziemlich einhellige Kritik in den Massenmedien. Ein deutliches Zeichen, dass sich inzwischen die Zeiten definitiv geändert hatten. Die HOSI Wien meldete sich mit einer Medienaussendung zu Wort und drohte mit einem neuen Bischofsouting. Es gab zahlreiche – auch kritische – Reaktionen der Politik in Österreich, und im EU-Parlament wurde ebenfalls Widerstand organisiert, wie ich ausführlich in den LN 4/2003 berichtete.
Die Sache sollte sich als ein Rohrkrepierer erweisen, wie schon das Schreiben der Glaubenskongregation aus 1992 – wie wir heute angesichts der Entwicklung in zahlreichen Staaten Europas und der Welt feststellen können: In immer mehr Ländern wurden Antidiskriminierungsgesetze verabschiedet und gleichgeschlechtliche Partnerschaften inklusive Ehe rechtlich anerkannt.
Besuch in Österreich
Als im September 2007 Papst Benedikt XVI. Österreich einen offiziellen Besuch abstattete, verwahrte sich die HOSI Wien schon im Vorfeld gegen eine mögliche Einmischung des Papstes in die Innenpolitik – immerhin wurde in diesem Jahr das Projekt eingetragene Partnerschaft (EP) ernsthaft angegangen – und lud die Medien zu einer Pressekonferenz.
Die HOSI Wien produzierte zudem Flyer und ein Poster. „Cave Benedictum: Gegen Homophobie. Für Nächstenliebe“ hieß es darauf. Und sie unterstützte die Demonstration „Nein zum Papstrummel – Gegen Sexismus, Konservativismus und Homophobie“ am 7. September 2007 und rief zur zahlreichen Teilnahme auf.
Die prophylaktische Warnung an den Papst, sich aus der Innenpolitik rauszuhalten, zeigte Wirkung. Ratzinger unterließ es, sich während seines Aufenthalts in Österreich öffentlich gegen die Homo-Ehe auszusprechen. Zwei Jahre später wurde bekanntlich das Gesetz über die eingetragene Partnerschaft ohne gröberes Störfeuer der römisch-katholischen Kirche vom Nationalrat beschlossen. Wie sich später zeigte, stand das Zeitfenster für einen solchen Beschluss nur kurz (bis etwa Ende 2010) offen – und hätte sich vermutlich bis heute nicht mehr geöffnet (vgl. dazu meinen Blog-Beitrag zum 10-Jahr-Jubiläum der EP). Die Tragweite des präventiven Protests gegen den Besuch des Papstes und seine mögliche Einmischung in die Innenpolitik war der HOSI Wien damals wohl gar nicht bewusst.
Insgesamt war Ratzingers Besuch kein großer Erfolg beschieden: Der Papst war in Österreich – und kaum jemand ging hin. Es bereitete uns damals eine klammheimliche Freude und Genugtuung zu sehen, dass mittlerweile mehr Leute an der Regenbogenparade als an der Papstmesse teilnahmen.
Die Kritik der HOSI Wien am Papst stieß damals auf großes mediales Echo. Besonders populär war das Cave-Benedictum-Poster. Es wurde in mehreren Tageszeitungen in Faksimile abgedruckt und fand auch Beachtung im Ausland; speziell auf vielen polnischen und italienischen Internetseiten war es zu sehen. CHRISTIAN HÖGL fertigte wegen der regen Nachfrage sogar eine italienische Version davon an.
In den LN 5/2007 und LN 6/2007 habe ich damals über die Aktivitäten der HOSI Wien rund um den Papstbesuch ausführlich berichtet.
Die homophoben Auslassungen Joseph Ratzingers sind Legion. In diesem Beitrag will ich mich indes auf die drei vorhin erwähnten Anlässe beschränken. Zur Vertiefung kann ich die Beiträge von Johannes Kram im Nollendorfblog empfehlen.
Internalisierte Homophobie
Auf einen Aspekt möchte ich – nicht zuletzt in meiner Funktion als Bischofs-Outer – abschließend noch hinweisen: Nicht nur ich, sondern viele andere (Homosexuelle) hegen wohl den Verdacht, dass Joseph Ratzinger höchstwahrscheinlich einer jener verkappten bzw. sich selbst hassenden Schwulen war, die ihre eigene Homosexualität verschleiern bzw. bekämpfen wollen, indem sie sich durch obsessive Homophobie hervortun. Allerdings bedenken sie dabei meist nicht, dass sie sich dadurch erst recht verdächtig machen. Und im Falle Ratzingers waren da noch sein Hang zu exquisiten, fast schon campen Roben, extravaganten Accessoires (legendär die roten Schühchen!), seine tuntige Gestik und sein junger fescher warmherziger Privatsekretär Georg Gänswein. Im normalen Leben würde man solche Männer wohl als tragische Figuren bedauern, aber im Falle Ratzingers wäre Mitleid fehl am Platz. Dafür hat er einfach zu viel Macht gehabt und dadurch zu viel Leid verursacht.