Fälle von plötzlich im Jugendalter auftretender Geschlechtsdysphorie (auch als ROGD, Rapid-Onset Gender Dysphoria, bezeichnet) haben auch in Österreich stark zugenommen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem rezenten Phänomen und dem bisherigen ausschließlich affirmativen Behandlungsansatz gibt es hierzulande leider weder im Bereich der Medizin noch in der Politik oder in den Behörden und schon gar nicht in den Medien.
Zumindest die journalistische Lücke hat jetzt die frühere grüne Nationalratsabgeordnete FAIKA EL-NAGASHI, die seit fast 30 Jahren auch in der LSBT-Bewegung engagiert ist, geschlossen und die vierteilige Podcast-Serie „Die Elternseite“ zu diesem Thema gestaltet.
In drei der Folgen spricht sie mit Eltern darüber, was passiert, wenn Kinder oder Jugendliche plötzlich sagen: „Ich bin trans.“ Die interviewten Mütter und Väter berichten von überforderten Schulen, einseitigen Beratungsstellen, ideologisierten Therapeutinnen und Therapeuten – und von einem System, das sie als Eltern nicht mehr ernst nimmt. Im Gegenteil: Sie werden zum Problem gemacht, weil sie aus Sorge und Unsicherheit Fragen stellen. Ihr Wunsch nach einem langsameren Vorgehen wird ignoriert.
Schulen entscheiden über die soziale Transition der Kinder und Jugendlichen; Beratungsstellen verweisen auf transaffirmative Organisationen; therapeutische und medizinische Fachkräfte lassen keinen Raum für Zweifel; Therapeuten stellen nach zwei (!) Therapiestunden ein Indikationsschreiben für die Personenstandsänderung aus; ein Gericht erlaubt der Kinder- und Jugendhilfe per Beschluss, geschlechtsangleichenden Behandlungen zuzustimmen; den Eltern wird hingegen jedes Mitspracherecht entzogen. Es sind berührende, aufwühlende und beängstigende Interviews.
In der vierten Folge analysiert El-Nagashi gemeinsam mit Bettina Reiter (Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin), Elfriede Rometsch (Mitgründerin des Vereins EGGÖ und im Zivilberuf Mediatorin) und dem Autor dieser Zeilen, wie sich innerhalb weniger Jahre eine Ideologie in Therapie, Sozialarbeit, Medien und Politik festsetzen konnte, die irreversible medizinische Eingriffe an Jugendlichen legitimiert und die biologische Realität systematisch verdrängt.
Rometsch vergleicht diese Mauer des Schweigens und die Diskussionsverweigerung in allen genannten relevanten Bereichen mit einer sizilianischen Omertà. Dabei gäbe es einiges zu diskutieren, zu hinterfragen und kritisch zu beleuchten. Etwa die unterschiedlichen Interessen, durch die diese Genitalverstümmelungs-Industrie angetrieben und befeuert wird. Das reicht von schnöden Profitinteressen der Pharmafirmen bis hin zu den existenziellen Interessen diverser Beratungsstellen, denen aufgrund der erreichten gesellschaftlichen Fortschritte die schwul/lesbische Klientel weggebrochen ist und die sich nun um neue Klientengruppen umschauen und solche „heranzüchten“ müssen, um ihre Existenz und die staatlichen Förderungen zu rechtfertigen – und die eigenen Arbeitsplätze zu erhalten.
In Großbritannien und anderen Ländern hat man sich mittlerweile wieder verabschiedet von diesem affirmativen Ansatz, also die Jugendlichen in ihrer Selbstdiagnose unhinterfragt und bedingungslos zu unterstützen. Nicht zuletzt wegen gerichtlicher Klagen von Betroffenen, die ihre medizinische Transition später bereut haben. Ein Schicksal, das dem Mädchen, dessen Mutter in der Folge 2 der Podcast-Serie ihre Geschichte erzählt, erspart geblieben ist. Obwohl das Mädchen alle nötigen Erfordernisse für medizinische Eingriffe gegen den Willen der Mutter durchgesetzt hat, ließ es, inzwischen volljährig, diese dann doch nicht vornehmen. Es war doch nur eine Phase, und das Mädchen war seiner Mutter schließlich für deren „Widerstand“ sogar sehr dankbar. Leider gibt es oft kein Happy-End.
Jedenfalls sollte allein schon dieser Fall Grund genug dafür sein, anstelle des bedingungslos affirmativen Ansatzes in guter alter psychotherapeutischer Tradition einen explorierenden und ergebnisoffenen Ansatz zu verfolgen – statt diesen als „Konversionstherapie“ zu denunzieren und sogar kriminalisieren zu wollen. Wenn ein solcher ergebnisoffener Behandlungsansatz nicht gewährleistet wird, droht über kurz oder lang ein Desaster – die Sache hat jedenfalls das Potential, zum größten Medizinskandal seit Lobotomie und Contergan zu werden.
Wir sollten uns daher schon jetzt die Namen jener Akteure und Institutionen – inklusive Behörden und Gerichte – notieren, die diesen affirmativen Ansatz ohne Rücksicht auf Verluste verfolgen und unterstützen, damit man sie dann später zur Verantwortung ziehen und für ihre „Kurpfuscherei“ in Haftung nehmen kann.
Leider verheißt auch die im März 2025 erschienene S2k-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Behandlung“ nichts Gutes. Unbeeindruckt von internationalen Entwicklungen will man in Österreich offenbar weitermachen wie bisher. In Deutschland und der Schweiz ist man in diesem Zusammenhang bereits viel kritischer – und vorsichtiger – geworden (siehe untenstehende Links zu weiterführender Literatur).
Dass ausgerechnet auch die Lesben- und Schwulenbewegung völlig unkritisch diesen affirmativen Ansatz unterstützt und heftig verteidigt, finde ich als Homo-Aktivist besonders verstörend. Ist doch nicht nur zu vermuten, sondern auch belegt, dass viele der Jugendlichen, die sich im falschen Körper wähnen, in Wirklichkeit mit ihrer Homosexualität hadern. So gab etwa in einer Pilotstudie von Lisa Littman aus 2018 knapp die Hälfte der Eltern von Betroffenen an, dass sich ihre Kinder schon homosexuell interessiert gezeigt hatten (vgl. EGGö-Dossier, S. 10 f).
Eigentlich würde man erwarten, dass sich die Lesben- und Schwulenbewegung gegen diese Form von Konversionstherapie ausspricht und sie bekämpft. Was hat sie für ein Interesse daran, dass man potentiellen Schwulen und vor allem Lesben (rund 80 % der von ROGD Betroffenen sind ja Mädchen) die Homosexualität wegtherapiert bzw. wegoperiert?
El-Nagashis aufrüttelnde und wütend machende Eltern-Interviews sind absolut hörenswert. Die Podcast-Serie entstand übrigens in Zusammenarbeit mit dem Verein EGGö, der sich mit den Auswirkungen von Geschlechter- und Identitätspolitik auf die Gesellschaft befasst. Mittlerweile hat sich über die EGGö auch eine Initiative betroffener Eltern gebildet.
Hier der Link zur Podcast-Serie „Die Elternseite“: Flipside – oder über Spotify.
Auf der Homepage der EGGö befindet sich eine Fülle von Hintergrundinformationen zum Thema, unter anderem ein umfassendes Dossier über ROGD.
Betreffend die S2k-Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter (Queer Nations ist insgesamt sehr zu empfehlen!):
Neue Transkinder-Leitlinie ist da – das Ergebnis ist ein Skandal, 7. März 2025
Sie wurden gewarnt: Die neue Transleitlinie in Deutschland kann jungen Menschen schaden, 14. März 2025
Transkinder-Leitlinie: Ist Psychotherapie Gatekeeping?, 24. März 2025
Faika El-Nagashi ist auch (Ko-)Autorin folgender höchst spannender Beiträge:
One Strategy to Rule Them All: The EU’s Descent into Queer Activism, 10. Jänner 2025
The EU is refusing to change course on gender, 15. Jänner 2025
The Curious Case of Non-Binary People in EU Data, 28. Jänner 2025
Zwischen den Fronten im Gender-Krieg, 3. April 2025