Problematisches Konversionsverbot vorerst abgewendet

Veröffentlicht am 17. Juli 2025

Ende Mai/Anfang Juni diskutierten die Koalitionsparteien einen ziemlich „abgedrehten“ Entwurf für ein Gesetz zum Verbot von sogenannten Konversionsmaßnahmen bei Minderjährigen (unter 18 Jahren) zur Veränderung der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks. Die Verabschiedung dieses Entwurfs konnte Gott sei Dank verhindert werden.

Nach der Überrumpelung durch die Grünen bei der Dienstrechtsnovelle 2024 (vgl. Blog-Beitrag vom 25. September 2024) ist man bei der ÖVP offenbar jetzt doch jedes Mal auf höchster Stufe alarmiert, wenn Koalitionspartner mit Geschlechtsidentität und Co daherkommen. Schon im Regierungsprogramm hat man das Vokabel komplett gecancelt, weshalb für die ÖVP eigentlich gar keine Verpflichtung besteht, ein Konversionsverbot betreffend sexuelle Orientierung auf andere Begriffe auszuweiten.

Im Regierungsprogramm hat man sich in diesem Zusammenhang bloß darauf geeinigt, einseitige pseudowissenschaftliche Umerziehungen, die auf die Geschlechtsinkongruenz (ICD-11) abzielen, zu untersagen. Darunter fällt allerdings momentan in erster Linie der derzeit in Österreich noch gängige „affirmative“ Therapieansatz (GAC – gender affirmative care), da er nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht, alles andere als evidenzbasiert und in vielen Staaten bereits verboten ist.

So wie der Gesetzesentwurf formuliert ist, soll jedoch genau dieser affirmative Ansatz – statt verboten – einbetoniert und jeder andere, etwa ein abwartender, den Ursachen nachspürender, psychotherapeutisch explorierender Ansatz kriminalisiert werden.

Plötzlich erweitert

Dass neben sexueller Orientierung plötzlich andere Begriffe in das geplante Verbot aufgenommen wurden, ist übrigens eine eher rezente Entwicklung. Beim ersten diesbezüglichen Entschließungsantrag des Nationalrats (82/E vom 2. 7. 2019), der mit den Stimmen aller fünf damals im Nationalrat vertretenen Parteien verabschiedet wurde (ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS und Jetzt/Liste Pilz – die Grünen waren nicht vertreten), war von vornherein so eindeutig klar, dass es nur um das Verbot der sogenannten „Homo-Heilung“ ging, dass „sexuelle Orientierung“ im Antrag gar nicht extra angeführt wurde (vgl. Blog-Beitrag vom 12. 8. 2019).

Am 16. Juni 2021 wurde ein gleichlautender All-Parteien-Entschließungsantrag (184 E) einstimmig angenommen (mittlerweile waren die Grünen wieder im Nationalrat vertreten, die Liste Pilz hinausgeflogen). Zuvor hatten NEOS am 19. Mai 2021 einen eigenen Entschließungsantrag (1600/A (E)) eingebracht, mit dem nunmehr neu „selbstempfundene [warum lese ich da immer als erstes „selbsterfundene“?] geschlechtliche Identität“ als neue, zusätzliche Kategorie eingeführt wurde.

Meine mehrmalige Nachfrage bei den NEOS-Abgeordneten Henrike Brandstötter und Yannick Shetty, welche konkreten Gründe bzw. Missstände sie damals dazu bewogen hätten, „Geschlechtsidentität“ in ihren Antrag aufzunehmen, und welche Praktiken analog zur „Homo-Heilung“ bei Geschlechtsidentitäten überhaupt virulent geworden seien, blieben unbeantwortet. Speziell bei jenen, die nach eigenen Angaben ihre Geschlechtsidentität mehrmals am Tag wechseln, stelle ich mir eine Konversion ohnehin ziemlich überflüssig vor…

Meine Vermutung daher: Die NEOS matchen sich da bloß plan- und gedankenlos mit SPÖ und Grünen beim gegenseitigen Hinauflizitieren in Sachen Umsetzung irrwitziger Forderungen, was ja FAIKA EL-NAGASHI unlängst scharf kritisiert hat (vgl. Blog-Beitrag vom 11. Juli 2025). Zur Dimension des Problems siehe später.

Im März 2023 wiederum hatte SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner eine entsprechende Petition (110/PET) überreicht. Speziell die Ausweitung des Verbots auf Geschlechtsidentität rief etliche ablehnende Stellungnahmen hervor, etwa der Europäischen Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit Österreich (EGGö), der Elterninitiative ROGD Österreich und von Bettina Reiter, Fachärztin für Psychiatrie und Psychoanalytikerin, die einen wichtigen Aspekt (viele Jugendliche, die sich im „falschen“ Körper wähnen, hadern ja in Wirklichkeit mit ihrer Homosexualität) zusammenfassend so treffend auf den Punkt brachte: Wogegen die Petition des Abg. Lindner sich scheinbar richtet („Konversion“), stellt sie selbst – unwillentlich – her: die Konversion vieler zukünftiger homosexueller Frauen und Männer.

Kritische Stellungnahmen ignoriert

All diese Stellungnahmen wurden ignoriert; und so legte im Mai 2025 die SPÖ dann einen unfassbar dilettantischen Entwurf auf den Verhandlungstisch mit ÖVP und NEOS. Besonders die Erläuterungen haben es in sich, ein schlechter Scherz. Ich wundere mich, dass der Nationalrat ein derartiges Machwerk überhaupt akzeptiert und nicht in großem Bogen an den Urheber zurückschmeißt. Haben die Abgeordneten keine Selbstachtung mehr? Dieser Text ist eine einzige Zumutung und strotzt vor Banalitäten, Widersprüchlichkeiten, begrifflichen Ungenauigkeiten – eine Ansammlung pseudo- bzw. unwissenschaftlicher Phrasen.

Es handelt sich dabei offensichtlich um einen rezyklierten Entwurf der Grünen aus dem Jahr 2022, der jedoch wegen des Widerstands der ÖVP während der schwarz-grünen Regierungszeit nicht umgesetzt wurde (vgl. auch Gastkommentar von Bettina Reiter in der Presse vom 9. März 2023). Als Oppositionspartei haben die Grünen übrigens am 22. Mai 2025 wieder zwei (gleichlautende) Anträge – 295/A (zur Behandlung im Gleichbehandlungsausschuss) und 296/A (zur Behandlung im Justizausschuss) – eingebracht. Sie haben wohl keinerlei Chance auf Verabschiedung und sind um nichts besser als der in der Koalition verhandelte Entwurf, der jetzt offenbar über den Sommer überarbeitet werden soll.

Der ÖVP konnte man jedenfalls gar nichts anderes ausrichten als ein Zurück an den Start. Der von der SPÖ vorgelegte Entwurf ist einfach nicht reparierbar. Er birgt in der Tat die Gefahr, „Konversionstherapien“ erst recht zu begünstigen: 80 % der „Transkinder“, die sich in einem falschen Körper wähnen und gemäß diesem Entwurf vor Maßnahmen zur Änderung ihrer „Geschlechtsidentität“ geschützt werden sollen, hadern – wie schon erwähnt – in Wirklichkeit mit ihrer Homosexualität. Der Gesetzesentwurf sieht in diesem Fall eine affirmative Unterstützung der „Geschlechtsidentität“ vor, was in der Realität bedeutet, bereits im Kindesalter (bis 18) durch soziale Transition (Verwendung eines neuen Namens und Pronomens etc.) medizinische Behandlungen (mit Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen) und spätere operative Eingriffe vorzubereiten. Diesen – eigentlich lesbischen und schwulen – Jugendlichen wird damit die Homosexualität wegtherapiert und später wegoperiert (vgl. Blog-Beitrag vom 4. April 2025).

Strafbestimmung

Ausschlaggebend dafür, dass die ÖVP diesmal standhaft geblieben ist, war wohl der mediale Aufschrei, den vor allem die rigorose Strafbestimmung auslöste, die im Entwurf vorgesehen ist und etwa auch Eltern oder Großeltern, die einem Kind die „Geschlechtsidentität“ ausreden wollen, mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht. Der Umstand, dass Eltern ihr Sorgerecht verlieren könnten, wenn sie der Transition ihrer Kinder die Zustimmung verweigern (was im übrigen heute auch schon passiert), war dann auch der Aufhänger für die Medien, sich für diesen Irrsinn zu interessieren, allen voran Servus TV, KURIER und Die Presse. Den Startschuss gab Bettina Reiter am 12. Juni mit einem Interview in der Sendung Blickwechsel auf Servus TV (kurzer Clip davon hier).

Christian Böhmer wiederum ist eine mutige Serie zum Thema im KURIER zu verdanken (siehe Faksimiles).

Die zahlreichen Berichte über FAIKA EL-NAGASHIs Parteiaustritt bei den Grünen erwähnten meist ebenfalls die Kontroverse um das geplante Verbot von Konversionsmaßnahmen.

Nimmt man die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ernst, muss man mit dem Schlimmsten rechnen. Sie enthalten nämlich keine endgültige und präzise Definition der verbotenen Konversionsmaßnahmen, -handlungen bzw. -praktiken. Sehr allgemein und schwammig werden da z. B. „anhaltende Versuche oder Bemühungen“ aufgezählt (S. 8, 6. Absatz).

Höchst problematisch ist der Versuch, Therapeut/-innen staatlicherseits unter Strafandrohung vorschreiben zu wollen, wie sie ihre Arbeit auszuführen haben, zumal es darum geht, Jugendliche mit im Jugendalter plötzlich auftretender Geschlechtsdysphorie (auch als ROGD, Rapid-Onset Gender Dysphoria, bezeichnet) eben ergebnisoffen und nicht nur affirmativ zu therapieren. Dieses Gesetz würde diese Möglichkeit, wie erwähnt, praktisch unterbinden.

Es ist ohnehin für (Psycho-)Therapeut/-innen jetzt schon schwierig, in diesem Bereich ergebnisoffen zu behandeln, weil Trans-Aktivisten sofort Kampagnen gegen solche Therapeut/-innen starten (etwa durch negative Bewertungen auf deren Websites) und mitunter deren wirtschaftliche Existenz gefährden. Das vorliegende Gesetz würde diesen bedenklichen Chilling- bzw. Einschüchterungseffekt noch weiter befördern.

Zu den Erläuterungen

Laut Erläuterungen (S. 1, 5. Absatz) ist der vorgelegte Entwurf unter Einbeziehung u. a. von Expert/-innen des Bundesministeriums für Justiz ausgearbeitet worden. Dieses weigerte sich jedoch auf meine Anfrage hin, die Namen dieser Expert/-innen bekanntzugeben. Offenbar geniert man sich dort jetzt dafür und beabsichtigt eine Kindesweglegung ans Gesundheitsministerium.

Welche ideologische Schlagseite dieses Machwerk aufweist, erkennt man bereits an Formulierungen wie „dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht“. Das ist Unfug. Das (biologische) Geschlecht wird bei der Geburt festgestellt, in 99,9 % Prozent der Fälle erfolgt das problemlos durch einfachen Augenschein. Es wird bei dieser Gelegenheit ja keine vermeintliche „Geschlechtsidentität“ zur Eintragung im Personenstandsregister festgestellt, sondern eben das biologische Geschlecht. Genauso wenig wird übrigens das Geburtsgewicht „zugewiesen“, sondern ganz einfach durch eine ebenfalls wissenschaftlich unumstrittene Methode (Wiegen) festgestellt und aufgezeichnet.

Wie bei der erwähnten Dienstrechtsnovelle werden auch in diesen Erläuterungen die Begriffe ständig vermischt, wohl mit der Absicht, dann später nach allfälliger Gesetzeswerdung auf unlautere Art und Weise alle möglichen und vor allem unmöglichen Schlussfolgerungen daraus ziehen und das Gesetz absichtlich fehl- bzw. überinterpretieren zu können.

So werden etwa Begriffe wie „Geschlechtsidentität“, „Genderidentität“, „sexuelle Identität“ und „geschlechtliche Identität“ einerseits offenkundig als Synonyme verwendet, andererseits aber auch nebeneinander („die sexuelle und geschlechtliche Identität“, S. 5, 4. Absatz), sodass man annehmen muss, dass es sich doch um unterschiedliche Dinge handelt. Während bei einigen Begriffen versucht wird, eine plausible Definition zu geben, findet sich in den Erläuterungen z. B. keine für „sexuelle Identität“, was viel Raum für Spekulation und Fantasie lässt.

An anderer Stelle taucht auch eine „soziosexuelle Orientierung“ auf – mit dem Nachsatz: Dazu zählt auch der Wunsch einer Person, einem gesellschaftlich als „weiblich“ oder „männlich“ gesehenen körperlichen Erscheinungsbild zu entsprechen. Dafür „Orientierung“ zu verwenden trifft es wohl nicht – da passte schon eher „soziosexuelle Identität“. Das ist aber nicht die einzige Stilblüte, die wohl dem verzweifelten Bemühen geschuldet ist, mit hochtrabenden akademischen Vokabeln wissenschaftliche Expertise vorzutäuschen, wo gar keine vorhanden ist. An anderen Stellen ist wiederum von „queerer Orientierung“ die Rede.

Pseudointellektuelle Hirnwichserei

Es werden auch Begriffe kreiert und in die Diskussion eingeführt, die außer ein paar Dutzend Hörer/-innen an einem Institut für Queer oder Gender Studies niemand kennt und die es auch nicht wert sind, sie zu kennen: „internalisierte und institutionelle/strukturelle cis-het-Normativität“, „internalisierte Cisnegativität“, „nicht-cis-heterosexuelle Orientierungen“, „poly*gender“, „Nicht-Cis-Genderidentität bzw. nicht-cisgeschlechtliche Genderidentität“. Was für ein elender pseudointellektueller akademischer Kitsch, der einfach nur hochgradig lächerlich ist! Und man fragt sich unwillkürlich: Welche Drogen haben die Autor/-innen da beim Formulieren genommen?

Und zwar umso mehr, als die Erläuterungen inhaltlich insgesamt inkonsistent, unlogisch, ja sogar höchst widersprüchlich und mitunter schlicht falsch sind. Das beginnt bereits im ersten Satz der Erläuterungen: Denn seit wann fällt „Asexualität“ in die Kategorie „sexuelle Orientierung“? Das ist einfach falsch! Die daraus abzuleitende gesetzliche Regelung, Maßnahmen zur Überwindung von Asexualität müssten verboten werden, zeugt zudem von ziemlicher Sexualfeindlichkeit, die einem Gesetzgeber im 21. Jahrhundert nicht mehr wirklich gut zu Gesicht stünde. Ich halte es vielmehr für ein absolutes Menschenrecht, bei Asexualität therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen, um ein erfülltes Leben führen zu können.

Sollte man ein solches Verbot für ganz bestimmte Gruppen, etwa angehende Nonnen und Mönche unter 18 Jahren, für angebracht erachten, könnte man sich überlegen, eine solche Bestimmung im Gesetz eventuell eigens zu formulieren (sicherheitshalber: Das ist jetzt ironisch gemeint).

Bei der Definition von „sexueller Orientierung“ (S. 2, letzter Absatz) sind merkwürdige Gemeinplätze zu lesen wie: Es wird zwischen verschiedenen sexuellen Orientierungen unterschieden, wobei die gesellschaftlich bekanntesten sexuellen Orientierungen Homosexualität, Bisexualität und Heterosexualität sind. Wurde dieser Satz mittels KI generiert? Natürliche Intelligenz kann es nicht gewesen sein. Wieso „gesellschaftlich bekanntesten“? Gibt es weniger bekannte als die drei genannten? Will man uns da welche unterjubeln? Und wo wären diese dann bekannt, wenn nicht in der Gesellschaft?

Widersprüchlich wird es, wenn es heißt: „Wenn es zu einer psychischen Belastung durch nicht-heterosexuelle Orientierung oder nicht-cisgeschlechtliche Genderidentität [sic!] kommt, so kann diese Belastung Ausgangspunkt einer Beratung oder Therapie sein, die jedoch nicht zum Ziel haben darf, die sexuelle Orientierung oder das Geschlecht zu verändern.“

Hier ist plötzlich von „Geschlecht“ die Rede, das nicht verändert werden dürfe, was im krassen Widerspruch zur allgemeinen Intention des Entwurfs steht. Sollte tatsächlich gemeint sein, dass etwa „Trans-Kinder“ keiner Therapie unterzogen werden dürfen, die zum Ziel hat, deren Geschlecht zu verändern, dann wäre dies allerdings sehr zu begrüßen.

Es steht jedoch zu befürchten, dass das nicht gemeint ist, denn trotz aller hanebüchenen Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz der Erläuterungen ist nicht zu übersehen, dass dieses Gesetz ganz offensichtlich darauf abzielt, den – in guter alter psychotherapeutischer Tradition – explorierenden und ergebnisoffenen Therapieansatz bei der Behandlung der im Jugendalter plötzlich auftretenden Geschlechtsdysphorie (ROGD) als „Konversionstherapie“ zu kriminalisieren. Erlaubt soll ja nur ein bedingungslos affirmativer Therapieansatz sein, bei dem die Selbstdiagnose der Jugendlichen auch von fachlicher Seite nicht hinterfragt werden darf – eine Vorgangsweise, die es in keinem anderen Bereich der Medizin oder Psychotherapie gibt (vgl. Blog-Beitrag vom 4. April 2025).

Reaktionärer Schmarrn

Ein höchst problematischer Aspekt in dieser ganzen Angelegenheit, der sich auch entsprechend in der Argumentationslinie in den Erläuterungen dramatisch manifestiert, sind die tradierten Geschlechterrollenklischees und Geschlechterstereotype, die damit transportiert und einzementiert werden, was keineswegs fortschrittlich, sondern in Wahrheit ein reaktionärer Rückschritt ist.

Das Konzept der „Geschlechtsidentität“ bzw. des „Geschlechtsausdrucks“ und der „Geschlechtszuordnung“ (jenseits des biologischen Geschlechts) beruht ja auf sehr konkreten Vorstellungen darüber, was als „weiblich“ und was als „männlich“ zu gelten hat. Ohne solche Geschlechterrollenstereotype könnte das Konzept der „Geschlechtsidentität“ gar nicht existieren. Nun sind aber die Vorstellungen, was „männlich“ und was „weiblich“ ist, sehr subjektiv und individuell, was die Sache sehr erschwert, da man bei der Zuordnung des eigenen Geschlechtsausdrucks ständig auf diese klischeehaften Vorstellungen zurückgreifen muss.

Statt also dafür einzutreten, dass geschlechterstereotype Eigenschaften und Verhaltensweisen bzw. als geschlechtstypisch angesehene Äußerlichkeiten (in den Erläuterungen werden u. a. bestimmte Sportarten oder Schminken aufgezählt; die Liste ließe sich beliebig fortsetzen) nicht mehr als typisch weiblich bzw. typisch männlich ein- bzw. zugeordnet werden, statt sich also von diesen Geschlechterrollen generell zu befreien, zielt besagte Ideologie darauf ab, eine bestimmte Geschlechtsidentität annehmen zu müssen, wenn man sich emanzipiert und (vermeintlich) gegengeschlechtliche Geschlechterrollen auslebt, die eben laut dieser Gender-Ideologie nicht dem biologischen Geschlecht entsprechen.

In den Erläuterungen liest sich das dann so: Konversionsmaßnahmen und -praktiken zeichnen sich durch „Verstärkung stereotyp gender- und heteronormativer Verhaltensweisen“ (S. 8, 4. Absatz) sowie dadurch aus, dass sie „die Veränderung (…) des Geschlechtsausdrucks“ bzw. „eine aktive Einflussnahme auf den Geschlechtsausdruck, die Geschlechtszuordnung“ zum Ziel haben.

Das ist natürlich eine reine Projektion (man unterstellt anderen etwas, was man selber tut), wobei man zudem regelmäßig übersieht bzw. nicht bedenkt, dass ein Verbot solcher Maßnahmen nicht nur in eine Richtung gelten und auf Situationen beschränkt werden kann, bei denen ein unkonventioneller, also normabweichender Geschlechtsausdruck verändert werden soll, sondern dass ein Verbot dann natürlich auch für normentsprechende Situationen gelten muss, eine aktive Einflussnahme folglich nicht zum Ziel haben kann, stereotype Geschlechterrollen aufzuweichen.

Wenn man diese Argumentation also weiterdenkt, verstieße z. B. auch eine Lehrerin gegen das vorgeschlagene Gesetz, wenn sie Burschen als weiblich eingestufte Hausarbeiten beibringen möchte, denn solche Praktiken, Handlungen bzw. Maßnahmen könnten Einfluss auf die Geschlechtsidentität bzw. Geschlechtszuordnung des Burschen als Mann haben, falls er diese sehr restriktiv definiert. Und will man wirklich Eltern mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohen, die ihren Söhnen das Machogehabe abtrainieren wollen, das diese womöglich als Teil ihres Geschlechtsausdrucks empfinden?

Nationalratsdebatte

Am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause stand am 11. Juli einer der beiden erwähnten grünen Anträge auf der Tagesordnung des Nationalrats. Von jeder der fünf Parteien ergriff ein/e Abgeordnete/r das Wort. Gleich vorweg, man muss es (leider) sagen: Der Redebeitrag der FPÖ-Abgeordneten Marie-Christine Giuliani-Sterrer war bei weitem der überzeugendste. Bei Henrike Brandstötter (NEOS) und Nico Marchetti (ÖVP) hatte man immerhin den Eindruck, dass sie sich doch eher auf die „Homo-Heilung“ konzentrieren und das Verbot auf Maßnahmen zur Änderung der sexuellen Orientierung beschränken wollten.

Den peinlichsten Auftritt legte indes Mario Lindner (SPÖ) hin. Über sein ebenso besorgnis- wie mitleidserregendes Gelalle und Gebrabbel lege ich am besten den gnädigen Mantel des Schweigens. U. a. meinte er, die Sache werde gern mit anderen Fragen vermischt, etwa den medizinisch nicht notwendigen Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, um vom Thema abzulenken. Wer tut das? Es ging doch immer nur um/gegen den ausschließlich affirmativen Therapieansatz bei „Transkindern“.

David Stögmüller (Grüne) wiederum verbreitete Gräuelpropaganda: 30 % der LGBTIQ-Personen in Österreich hätten laut einer europäischen Studie bereits Konversionsmaßnahmen erlebt. Das ist natürlich absoluter Quatsch. Zwar steht dieser so in der zitierten Quelle, aber könnte er bitte seinen Hausverstand einschalten und diese hinterfragen (das hätte zehn Minuten gedauert; ich werde das weiter unten für ihn tun): Es muss einem doch auffallen, dass sich das nie und nimmer ausgehen kann: 30 % aller LSBT-Personen – da reden wir von rund 2–300.000 Personen! Das wäre dann quasi ein Alltagsphänomen. Und wo wären die dazu nötigen Infrastrukturen und Ressourcen? Da müssten ja ganze Heerscharen, tausende und abertausende Heiler zugange sein.

Gräuelpropaganda

Stögmüller bezieht sich auf die dritte europaweite LGBTIQ-Erhebung der in Wien ansässigen Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA). Die Ergebnisse dieser Umfrage wurden im Mai 2024 veröffentlicht.

Die entsprechenden Infos zur Konversions-„Therapie“ finden sich auf den Seiten 93–96. Sie zeigen, dass EU-weit eine/r von vier Umfrageteilnehmer/-innen Maßnahmen erfahren hat, die auf die Änderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität abgezielt haben. In Österreich sei es tatsächlich sogar fast einer von drei Teilnehmern (30 %), wobei rund 90 % der Befragten nicht (frei) in diese Maßnahmen eingewilligt hatten.

Schaut man sich das näher an, muss man leider feststellen, dass die Erhebungsmethoden und die Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse ziemlich unprofessionell sind. Auf die Frage Haben Sie eine der folgenden Interventionen zwecks Änderung ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität erfahren? standen folgende Antworten zur Auswahl:

Intervention durch Familienmitglieder;

Gebete, religiöse Rituale oder religiöse Beratung;

psychologische oder psychiatrische Behandlung;

Medikamente;

körperliche Gewalt (z. B. Schläge);

sexuelle Gewalt;

verbale Gewalt oder Demütigung;

andere;

keine davon.

Wenn man all das unter Konversionsmaßnahmen subsumiert, kann man möglicherweise auf solche Zahlen kommen. Aber Verprügeln, Beleidigungen und Beschimpfungen fallen wohl nicht unter die gängige Definition von Konversions-„Therapien“. Und dann ist die Nachfrage, ob man diesen Maßnahmen zugestimmt hat, eher merkwürdig – wer würde ernsthaft einwilligen, sich verprügeln oder beschimpfen zu lassen, um seine sexuelle Orientierung oder „Geschlechtsidentität“ zu ändern? 76 % hatten tatsächlich nicht zugestimmt (wer hätte das gedacht?), aber immerhin 13 % haben es unter Zwang getan.

Nun ja, die Agentur für Grundrechte zählt mittlerweile leider auch zu jenen Institutionen (wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft – vgl. Blog-Beitrag vom 11. d.), die alles, was von den einschlägigen NGOs an „Ideen“, theoretischem Popanz und Nomenklatura daherkommt, ungeprüft und unkritisch übernehmen. Das merkt man sofort bei der Einführung in die Terminologie und Begriffsdefinitionen auf den Seiten 11–14 des Berichts. Beispielsweise firmieren „pansexuell“ und „asexuell“ hier als sexuelle Orientierungen! Sogar ich habe noch einen neuen Begriff gelernt: „endosex“.

Jedenfalls sollten wir insgesamt die Kirche im Dorf lassen. Tatsächliche Konversionsmaßnahmen sind sicherlich kein Massenphänomen, es handelt sich dabei wohl eher um Einzelfälle.

Die erste dieser mittlerweile drei EU-weiten Erhebungen der FRA wurde übrigens 2012 durchgeführt; ich hatte damals als einer der nationalen Expert/-innen die FRA beraten und unterstützt (vgl. LN 3/2013). Diese Studie war vergleichsweise seriös und „harmlos“. Auch die zweite, im Mai 2020 veröffentlichte Studie eignete sich noch für nationales Lobbying (vgl. Blog-Beitrag vom 17. Mai 2020). Diese dritte Umfrage ist hingegen, wie man sieht, wohl nur mehr mit höchster Vorsicht zu genießen.

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  1. Brillant wie immer und ein Grund zum Fremdschämen für die NR-Abgeordneten. Dass da eine intellektuelle Bescheidenheit dieses Ausmaßes vorherrscht, überrascht mich doch.

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