Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) hat geliefert und die Verhöhnung des Rechtsstaats durch die Parlamentsdirektion endlich abgestellt – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wolfgang Sobotka von der ÖVP, der in dieser Frage feige und opportunistisch herumgeeiert hat. Wie die Kronen-Zeitung am 18. Oktober 2025 – unter einer irreführenden Überschrift – berichtete, hat Rosenkranz die aus 2022 stammenden sprachlichen Richtlinien der Parlamentsdirektion, die „non-binäres Gendern“ (also mit Wortbinnen- bzw. Sonderzeichen) vorgesehen haben, in diesem Punkt geändert. In Zukunft muss „binär gegendert“ werden, also durch Beidnennung der weiblichen und männlichen Form bzw. Verwendung geschlechtsneutraler Bezeichnungen.
Viele Kritiker und Kommentatoren haben das – absichtlich oder aus intellektueller Überforderung – missverstanden und behauptet, Rosenkranz wolle Frauen wieder unsichtbar machen, was kompletter Unsinn bzw. eine glatte Lüge ist. Insofern ist es wichtig, zwischen geschlechtergerechter Sprache (binäres Gendern) und gendergerechter Sprache (non-binäres Gendern) zu unterscheiden.
In meinem Blog-Beitrag vom 4. Juli 2024 habe ich über diese Angelegenheit bereits ausführlich berichtet: Während die ÖVP in ihrem Österreich-Plan gegen das Gendern mit Wortbinnenzeichen auftrat, verteidigte damals Sobotka als Nationalratspräsident bzw. sein Büro diese Form des Genderns. Und Christian Stocker, damals noch ÖVP-Generalsekretär, redete sich darauf aus, dass das Parlament nicht nur durch eine eingesetzte Person an der Spitze geführt, sondern die meisten Entscheidungen durch Konsens in der Präsidiale – einem Gremium der Klubobleute – getroffen werden.
Über meine längere Korrespondenz mit Parlamentsdirektor Harald Dossi habe ich im erwähnten Blog-Beitrag ebenfalls berichtet. Dossi hatte sich über die rechtlich verbindlichen Vorgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung, des einzig zuständigen Gremiums in dieser Angelegenheit, einfach hinweggesetzt. Meine Korrespondenz mit Dossi ging danach noch weiter, auch jene mit der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Ihre Büroleiterin etwa teilte mir mit, dass die Parlamentsdirektion vom zuständigen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung erfahren habe, dass es zur Umsetzung des seit 1. Juli 2024 geltenden Amtlichen Regelwerks eine erste Information im Frühherbst 2024 geben werde und ein Inkrafttreten der neuen Regelungen für September 2025 geplant sei. Für die Umsetzung werde es anschließend mehrjährige Übergangsfristen geben.
Das war natürlich wieder eine Hinhaltetaktik, ein Spielen auf Zeit. Es ist ja völlig unlogisch, für eine Schreibweise, die schon bisher nicht Teil des Regelwerks gewesen ist, eine Übergangsfrist vorzusehen. Daher fragte ich beim damaligen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) diesbezüglich nach. Sein Generalsekretär bestätigte mir in einem Schreiben am 19. August 2024, dass die Schreibweise mit Sonderzeichen nicht Teil des vom Rat für deutsche Rechtschreibung veröffentlichten Amtlichen Regelwerks für deutsche Rechtschreibung und damit auch nicht von der In-Kraft-Setzung bzw. von den Übergangsfristen betroffen sei. Da in dem Fall also gar keine Änderung einer bestehenden Regelung vorlag, erübrigte sich klarerweise jegliche Übergangsfrist.
Mit dieser Auskunft des Bundesministeriums konfrontiert, ließ mir Dossi vom Infoteam der Parlamentsdirektion am 10. September 2024 ausrichten: Unsere Stellungnahme zu diesem Thema ist unverändert (…). Wir werden – bis auf Weiteres – den Doppelpunkt jedenfalls weiter verwenden. (…) Die Empfehlungen des Rates der deutschen Rechtschreibung – die im Übrigen aus unserer Sicht keine abschließende Regelung zum gegenständlichen Thema enthalten – haben wir bereits in der Vergangenheit sehr ernst genommen. Das Inkrafttreten der neuen Empfehlungen werden wir, wie schon beschrieben, mit dem zuständigen Bundesministerium absprechen.
Wie bei der Stadt Wien u. a. (vgl. Blog-Beitrag vom 23. Dezember 2024) schwingen auch hier die irrige Ansicht mit, bei den rechtlich verbindlichen Vorgaben des Rechtschreibrats handle es sich bloß um „Empfehlungen“, an die man sich ganz nach eigenem Gutdünken halten kann oder auch nicht, sowie die Hoffnung, der Rat werde seine Meinung irgendwann schon noch ändern. Doch bis er das eventuell einmal tut, gilt jedenfalls: keine Wortbinnenzeichen in staatlicher Textproduktion. Aus, basta – so simpel ist das!
Nach der Nationalratswahl im September 2024, aus der die FPÖ als stimmenstärkste Partei hervorging, wurde am 24. Oktober 2024 das neue Präsidium des Nationalrats gewählt. Der gängigen Konvention folgend wurde ein Vertreter der stimmenstärksten Fraktion zum Präsidenten gewählt: Walter Rosenkranz. Vier Tage später wandte ich mich mit meinem Anliegen an ihn, die rechtswidrige Praxis der Parlamentsdirektion abzustellen. Bereits am 6. November antwortete er und versicherte: Ich halte es mit den Empfehlungen des Rats für die deutsche Rechtsschreibung (…). Auf dieser Basis möchte ich die auch von Ihnen intendierte Entscheidung fällen. Der „Doppelpunkt“ ist jedenfalls unhaltbar (…).
Daraufhin wandte ich mich am 18. November 2024 an den Zweiten Präsidenten des Nationalrates – Peter Haubner von der ÖVP –, um zu erfahren, ob die ÖVP eine solche Entscheidung unterstützen würde. Nach zwei Urgenzen (!) teilte mir Haubner schließlich am 8. Jänner 2025 Folgendes mit:
Hinsichtlich der von Ihnen geschilderten Thematik darf ich darauf hinweisen, dass dem Präsidenten des Nationalrates gemäß unserer Verfassung die Führung der Geschäfte des Nationalrates im Bereich der Gesetzgebung und der Verwaltung obliegt und wozu dem Präsidenten des Nationalrates die Parlamentsdirektion untersteht (Artikel 30 Bundes-Verfassungsgesetz).
Hinsichtlich der Verwaltungsangelegenheiten ist der Präsident des Nationalrates gemäß Artikel 30 Absatz 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus. Die von Ihnen in ihrem Mail geschilderte Thematik betrifft den Bereich der Verwaltung und obliegt daher ausschließlich dem Präsidenten des Nationalrates.
Feig und opportunistisch – wie gehabt. Jetzt plötzlich zieht sich die ÖVP auf den formalen Standpunkt zurück, dass der Nationalratspräsident allein entscheidet. Unter Sobotka hat man sich auf den fehlenden Konsens in der Präsidiale, dem Gremium der Klubobleute, ausgeredet. Die ÖVP ist wirklich nur mehr peinlich. Aber eh egal: Rosenkranz hat nun geliefert, wofür ihm großer Dank gebührt. Dass er in dieser Sache die Rechtsstaatlichkeit gegen die woke Willkür der anderen Parteien konsequent verteidigt hat, ist ihm hoch anzurechnen – auch wenn man sonst seine Ansichten und Positionen nicht teilt.
Und es war wieder so typisch: SPÖ, NEOS und Grüne verfielen sofort in einen blindwütigen Keifreflex und hauten Presseaussendungen raus, die noch dazu von Ahnungslosigkeit und Inkompetenz nur so strotzen. Am erschreckendsten dabei ist jedoch der Umstand, dass ihnen die geltende Rechtslage total egal zu sein scheint. Dass sich staatliche Einrichtungen und Behörden, die staatliche Verwaltung und die Schulen in ihrer Textproduktion ans Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung halten müssen, interessiert sie offenbar überhaupt nicht. Das ist bestürzend und beängstigend.