Stellungnahme zum ADG
Anlässlich der Präsentation des NGO-Entwurfs für ein österreichisches Antidiskriminierungsgesetz im Wiener Juridicum am 12. März 2001 habe ich im Namen der HOSI Wien folgende Stellungnahme abgegeben:
Das geplante Antidiskriminierungsgesetz ist für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen deshalb so bedeutsam, weil diese Gruppen bisher überhaupt keinen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung genießen. Österreich zählt hier im übrigen zu einer Minderheit innerhalb der Europäischen Union, denn acht der 15 Mitgliedsstaaten verfügen über gesetzliche Bestimmungen, die Personen auch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vor Diskriminierung schützen.
Durch die beiden im November 2000 auf Basis des Artikels 13 EG-Vertrag beschlossenen EU-Richtlinien, die Österreich bis Juni bzw. Dezember 2003 in nationales Recht umsetzen muss, gerät Österreich nunmehr ohnehin unter Handlungsdruck. Der vorliegende Entwurf für ein österreichisches ADG kommt daher gerade zur rechten Zeit und bietet die Chance, bei dieser Gelegenheit ein umfassendes modernes ADG zu schaffen, das einerseits über die Minimalanforderungen der beiden EU-Richtlinien hinausgeht und dabei andererseits die durch die Richtlinien geschaffene Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung beseitigt. Bekanntlich sieht die Richtlinie 2000/43/EG „zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ Schutz vor Diskriminierung in mehreren Bereichen – Beschäftigung und Beruf, Sozialschutz, einschließlich soziale Sicherheit und Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen – vor, während die Richtlinie 2000/78/EG „zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ sich eben nur auf diesen Bereich der Arbeitswelt beschränkt (sie gilt für die anderen im Artikel 13 EGV angeführten Merkmale, wie Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung). Leider konnte auf EU-Ebene gleicher Schutz vor Diskriminierung für alle im Artikel 13 EGV berücksichtigten Gruppen nicht durchgesetzt werden.
Wiewohl Beschäftigung und Beruf zweifellos der wichtigste Bereich ist, in dem Lesben und Schwule Diskriminierung ausgesetzt sind und wo auch die Auswirkungen der Diskriminierung am größten sind, sind auch die anderen Bereiche, die von der EU-Richtlinie nicht erfaßt werden, im Alltag von Bedeutung, insbesondere der Zugang zu und die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen. Das kann etwa den Zutritt zu Discos oder Restaurants, die Vermietung von Hotelzimmern oder Wohnungen betreffen oder die Partner-Ermäßigungen bei Mitgliedschaften oder bei Fahrkarten, wie sie etwa nur für Ehegatten bzw. verschiedengeschlechtliche, nicht jedoch gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen gewährt werden. Wobei im Bereich der Inanspruchnahme von Restaurants etc. von Lesben und Schwulen oft eine „vorauseilende Diskretion“ an den Tag gelegt wird, um keine negativen Reaktionen auszulösen, etwa indem man von vornherein den Eindruck vermeidet, ein Paar zu sein, und nicht einmal harmlose Zärtlichkeiten austauscht, die für jedes heterosexuelle Paar auch in der Öffentlichkeit selbstverständlich sind.
Es ist uns jedoch völlig klar, dass ein ADG keinesfalls sämtliche Ungleichbehandlungen von Lesben und Schwulen beseitigen und ihre völlige Gleichstellung herbeiführen kann. Durch ein ADG kann weder der § 209 im Strafgesetzbuch (diskriminierende Mindestaltersgrenze) zu Fall gebracht, noch quasi durch die Hintertür die eingetragene Partnerschaft („Lesben- und Schwulenehe“) eingeführt werden. Diese Dinge müssen auf anderen Ebenen und in weiteren Auseinandersetzungen erkämpft und erreicht werden. Auch andere flankierende Maßnahmen bei der Schaffung eines ADG sind denkbar und wünschenswert, etwa die Erweiterung der schutzwürdigen Kategorien im Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) um „sexuelle Orientierung“.
In jedem Fall wäre ein ADG, das auch Lesben, Schwule und Transgender-Personen schützt, ein wichtiges Signal an die Gesellschaft, dass Diskriminierung und Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verpönt und geächtet sind. Dieses Signal würde sicherlich einem entsprechenden Bewusstseinsbildungsprozess in der breiten Bevölkerung förderlich sein.
Vielleicht noch ein Wort zur politischen Einschätzung in Hinblick auf die Realisierung eines umfassendes ADG, wie es mit diesem Entwurf vorgeschlagen wird: Die beiden jetzigen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben sich in der Vergangenheit als die größten Bremser und Verhinderer jeglichen Fortschritts für Lesben und Schwule in diesem Land erwiesen. Diese Parteien sprechen sich zwar bei jeder passenden Gelegenheit gegen Diskriminierung aus, haben aber diesbezüglich noch nichts getan – jetzt haben sie Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, wie ernst es ihnen mit ihren Aussagen tatsächlich ist. Wir sind einigermaßen skeptisch hinsichtlich der Bereitschaft von ÖVP und FPÖ, umfassenden Diskriminierungsschutz zu verwirklichen. Daher auch an dieser Stelle der Appell an diese beiden Parteien, ihre ideologischen Scheuklappen endlich abzulegen.
Für uns wäre es auch unvorstellbar – obwohl: vorstellbar ist es natürlich bei ÖVP und FPÖ schon – bzw. inakzeptabel, dass etwa „sexuelle Orientierung“ oder „geschlechtliche Identität“ aus dem Entwurf eliminiert würde. Sollte es derartige Versuche geben, wäre die Solidarität aller betroffenen Gruppen gefordert. Sexismus und Rassismus, Xenophobie und Homophobie sind Geschwister, die von allen gemeinsam bekämpft werden müssen.
Nachträgliche Anmerkung:
Es ist schon bemerkenswert, dass die in meiner damaligen Stellungnahme erwähnten anderen Forderungen nach Gleichstellung – Aufhebung des § 209 StGB, eingetragener Partnerschaft (und sogar nach Öffnung der Ehe) sowie nach Erweiterung des Verhetzungsverbots – mittlerweile erledigt sind. Ein ADG fehlt 2019 indes immer noch, ja selbst das sogenannte Levelling-up scheiterte, wie an anderer Stelle bereits erwähnt – insgesamt schon dreimal an der ÖVP und der katholischen Kirche.