Ist Jörg Haider schwul?
Diese bange Frage haben sich sicherlich schon viele Homosexuelle in Österreich gestellt und für sich auch beantwortet. Jede/r, der/die Klaus Theweleit* gelesen hat oder auch nur ein bißchen eine Antenne für das latent Homosexuelle an Männerbünden und Sportvereinen hat, hat sicherlich schon Vermutungen über die Jungmännerclique um Haider angestellt. Jetzt ist das Homoerotische an Haiders Kumpanenschaft auch Elfriede Jelinek aufgefallen – doch halt!
Zumindest wußte die Neue Kronenzeitung, die noch jede Beschmutzung des österreichischen Nestes aufgestöbert hat, am 13. Dezember 1991 von einer entsprechenden Analyse der österreichischen Schriftstellerin in der französischen Tageszeitung Libération vom 2. Dezember zu berichten. Wir haben uns das Original nicht besorgt, können uns daher auch nicht für die in der Kronenzeitung erschienene Übersetzung verbürgen (siehe nachstehend). Jelinek charakterisiert in ihrer Analyse laut Kleinformat Haiders Mannen als Angehörige einer verdrängten homoerotischen Gemeinschaft, die aber wie normale, junge Männer mit gesundem Gesichtsausdruck wirken. Erwartet Jelinek bei Schwulen einen kranken Gesichtsausdruck? Kann sie sich nicht vorstellen, daß Schwule normal (im Sinn von gewöhnlich) und jung sind?
Ich finde es weder geschickt noch zielführend noch zweckdienlich, Jörg Haider und seine smarten Gesinnungsgenossen in Mißkredit bringen zu wollen, indem man die ohne Zweifel vorhandene latente Homoerotik denunziert. Wie gesagt, jeder Fußball- und Ringerverein hat etwas verdrängt Homosexuelles an sich. Da muß man nicht rechtsextrem oder faschistoid sein. Ja gut, wir sollten keine ang’rührten Mimosen sein und nicht so tun, als wären Lesben und Schwule grundsätzlich etwas Besseres als die Heterosexuellen. Dem ist natürlich nicht so: Es gab schwule Nazi, schwule SAler und SSler, es gibt schwule Neonazi und Rechtsextremisten, wie etwa den kürzlich an AIDS verstorbenen selbsternannten Führer Michael Kühnen. Und wenn man die Zusammenhänge zwischen verdrängter eigener Homosexualität und – oftmals gewalttätiger – Homophobie erkennt, zwischen verdrängtem Uniform- und Männlichkeitsfetischismus, verdrängten Befehls- und Gehorsamsphantasien und verdrängten sexuellen Wünschen sadomasochistischer Natur, dann ist man geneigt, diesen armen geplagten und verkappten Menschen zu wünschen, sie könnten ihre verschüttete Sexualität befriedigend ausleben, denn dann müßten sie weder ihre eigene latente Homosexualität stellvertretend an der Homosexualität der anderen bekämpfen, noch brauchten sie ihre Fetischismen durch irgendwelche verqueren Ideologien und Geheimbünde sublimieren. Jedenfalls sollte die Linke uns Lesben und Schwule nicht in die Verlegenheit bringen, Jörg Haider und seine Mannen vor Denunziation, weil homophobe Verleumdung, in Schutz nehmen zu müssen.
Nicht das verdrängt Homoerotische ist an Haider & Co problematisch, sondern ihre Ideologie und ihr politisches Handeln. Es gibt ja auch eindeutig heterosexuelle Leute vom Kaliber eines Haider – und die versucht man ja auch nicht mit Hinweisen auf ihre Heterosexualität zu denunzieren. Und, bitte, kein – und nicht ernst gemeinstes – Outing** solcher Personen!
Fußnoten:
* Klaus Theweleit: Männerphantasien I, II. Verlag Roter Stern, Frankfurt/Main 1978, sowie Rowohlt, Reinbek 1980.
** Outing: Öffentlichmachen der Homosexualität von Prominenten, die sie verbergen.
Neue Kronenzeitung vom 13. Dezember 1991:
Elfriede Jelinek analysiert Haider
Paris. – In den französischen Medien ist derzeit eine Kampagne gegen Österreich im Gange. Rundfunk und Zeitungen überbieten einander in grotesken Behauptungen. Seit Marie-Antoinette während der Französischen Revolution als „Österreicherin“ unter der Guillotine sterben mußte, hat es so starke anti-österreichische Gefühle nicht mehr gegeben, stellen politische Beobachter fest.
Wie stets, wenn es gegen Österreich geht, wirken auch diesmal Österreicher kräftig mit. An der Spitze steht die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek. Hier ein Auszug aus der linken Tageszeitung „Libération“ vom 2. Dezember 1991:
„Und so ist es einem kleinen, perversen Jungen mit erstarrtem Lächeln, der auf den Namen Jörg Haider hört, gelungen, österreichische Wählerstimmen zu gewinnen, weil er anscheinend der Damenwelt gefällt, sich bei Heimatabenden gut präsentiert und in Discotheken erscheint, umgeben von seinen Mannen, die einer verdrängten homoerotischen Gemeinschaft angehören, aber wie normale, junge Männer mit gesundem Gesichtsausdruck wirken.“