2007: Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle
Podiumsdiskussion im Rahmen des internationalen Symposiums „Was bedeutet Chancengleichheit für Minderheiten?“ am 9. November im Albert-Schweitzer-Haus in Wien – veranstaltet von der Initiative Minderheiten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie und der Liga für Menschenrechte; ganz links HELGA PANKRATZ.
FOTO: SCHWAIGHOFER + BAKONDY/IM
Die Europäische Union hat 2007 zum „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“ ausgerufen. Schon im Vorjahr begannen unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) auch in Österreich die Vorbereitungen für diverse Aktivitäten im heurigen Jahr. Die HOSI Wien hat sich von Beginn an eingeklinkt und gemeinsam mit einer Reihe anderer NGOs und öffentlicher Stellen an den Vorbereitungstreffen teilgenommen.
Für die Lesben- und Schwulenbewegung besteht die Chance bzw. die Gelegenheit, sich in die drei für das Jahr der Chancengleichheit formulierten Zielvorgaben einklinken, die da sind: 1. den Menschen ihre Rechte auf Gleichbehandlung und ein Leben ohne Diskriminierung deutlicher bewusst zu machen, 2. Chancengleichheit für alle zu fördern und 3. eine breitere Debatte über den Nutzen von Vielfalt sowohl für Europas Gesellschaft als auch für jede und jeden einzelnen einzuleiten.
Die Aktivitäten im Rahmen des Jahres sollen sich um vier Schlüsselthemen drehen, die mit folgenden Schlagwörtern zusammengefasst und aufgrund des Anfangsbuchstabens im Englischen plakativ als die vier „R“ bezeichnet werden: Rights (Rechte), Representation (Vertretung), Recognition (Anerkennung) und Respect (Respekt):
Damit ist im einzelnen gemeint:
Rechte: Sensibilisierung der öffentlichen Meinung im Hinblick auf das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie auf die Problematik der Mehrfachdiskriminierungen;
Vertretung: Anreize zu einer Debatte über die Möglichkeiten zur besseren gesellschaftlichen Einbindung von Gruppen mit Diskriminierungsopfern sowie zu einer ausgewogeneren Beteiligung von Frauen und Männern;
Anerkennung: Erleichterung und Würdigung von Vielfalt und Gleichbehandlung;
Respekt: Förderung einer toleranteren und solidarischeren Gesellschaft.
In Anlehnung an diese „offiziellen“ Vorgaben der EU-Kommission hat ILGA-Europa, der Europäische Regionalverband der International Gay and Lesbian Association, drei konkrete Ziele formuliert, die die europäische Lesben- und Schwulenbewegung bis zum Ende des heurigen Jahres am liebsten verwirklicht sehen möchte:
- Ausbau des Diskriminierungsschutzes: Mit ihren Antidiskriminierungsrichtlinien hat die EU unterschiedliche und damit diskriminierende Schutzniveaus für die einzelnen von Diskriminierung betroffenen Gruppen geschaffen (vgl. auch Berichte S. 10 und S. 12). Hier bietet sich ein konkreter Ansatzpunkt, um für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz zu kämpfen.
- Anerkennung von in einem EU-Staat geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen und eingetragenen Partnerschaften in und durch alle anderen Mitgliedsstaaten: Die EU-Richtlinie 2004/38/EG „über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“, die am 30. April 2006 EWR-weit Gültigkeit erlangte, ist hier leider nur ein halbherziger erster Schritt in diese Richtung. Und für Österreich heißt es natürlich zuerst einmal, gleichgeschlechtliche Partnerschaften überhaupt gesetzlich anzuerkennen und rechtlich mit der Ehe gleichzustellen. Es ist zwar unrealistisch, dies für 2007 zu erwarten, aber auf ein oder zwei Jahre soll es nicht ankommen! [Nachträgliche Hervorhebung von mir!]
- Sichtbarkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen: Hier gilt es, deren Ausgrenzung zu überwinden und sie in Aktivitäten und auch in Entscheidungsprozesse sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene einzubinden. In diesem Zusammenhang geht es nicht zuletzt darum, die verstärkte Sichtbarkeit der Betroffenen auch sicher lebbar zu machen. Das heißt, für ein sicheres Umfeld ist zu sorgen, in dem ein Coming-out und Sichtbarkeit ohne negative Konsequenzen möglich sind – und zwar in allen Lebensbereichen, wie Arbeitsplatz, Schule, Familie, auf der Straße, kurzum in allen Lebenslagen, im gesellschaftlichen Leben und überall im Alltag.
Natürlich ist gerade dieser dritte Punkt ein ehrgeiziges Ziel, mit dessen Verwirklichung innerhalb eines Jahres nicht zu rechnen ist, aber es geht ja auch darum, Utopien in den Raum zu stellen, um ein deutliches Signal auszusenden, dass man diesen Ansatz und Anspruch tatsächlich mittel- bis langfristig verfolgt.
In der Folge berichtete ich regelmäßig über die zahlreichen Aktivitäten während dieses Jahres der Chancengleichheit für alle:
LN 3/2007 (S. 16)
Ich nahm weiterhin für die HOSI Wien an den Sitzungen des „beratenden Ausschusses“ teil, der vom BMWA für seine Aktivitäten in jenem Jahr eingesetzt wurde. Für die geplanten Maßnahmen im Rahmen einer Kampagne (Werbespot, Broschüre, Internetseite und Informationsveranstaltung) führte das BMWA u. a. eine öffentliche Ausschreibung durch. Am 2. und 3. April präsentierten die sechs vorausgewählten Werbeagenturen ihre Konzepte.
2007 war ich gemeinsam mit Zohreh Ali-Pahlavani (Abteilung Arbeitsmarkt, AK Wien), Martin Ladstätter (BIZEPS) und Christoph Bacher (Nachrichtenmagazin NEWS) Teil der aus AntidiskriminierungsexpertInnen und Medienfachleuten bestehenden Jury, die aus 30 Einreichungen die österreichischen Gewinner des JournalistInnen-Wettbewerbs „Für Vielfalt. Gegen Diskriminierung“ der Europäischen Kommission auswählte: Simon Inou für seinen Artikel „Weder Afrikaner noch Europäer“ und Christoph Lehermayr für seinen Artikel „Unsere Multikulti-Cops“.
LN 5/2007 (S. 12)
Am 26. Juli 2007 präsentierte Christine Marek, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, die Kampagne „Gleichstellung beginnt im Kopf“. Die wichtigsten Eckpfeiler der Kampagne sind vier Hörfunkspots, ein Fernsehspot und ein eigener Website. Zudem werden Broschüren und Flyer mit Basisinformationen und den wichtigsten Kontaktadressen produziert und an zahlreichen Orten in Österreich aufgelegt.
In den vier Hörfunkspots kommen NGO-VertreterInnen selbst zu Wort, darunter Beatrice Achaleke von AFRA, dem International Center for Black Women’s Perspectives in Wien, Eduard Riha von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), einer Dachorganisation von 76 Behindertenverbänden in Österreich, Kurt Bortoli vom Verein „Zum alten Eisen“ sowie DANIELA TURIC von der HOSI Wien. Das von ihr gesprochene Kurzstatement lautet: „Wir Lesben und Schwule arbeiten wie andere auch. Darum wollen wir Gleichbehandlung am Arbeitsplatz.“
Am 5. November 2007 gab es im Museumsquartier in Wien eine große Informationsveranstaltung, die nicht zuletzt den einzelnen Organisationen eine Plattform bot, ihre Anliegen zu präsentieren. Auch die HOSI Wien nahm daran teil.
LN 6/2007 (S. 15) + LN 1/2008, S. 18
Der vorhin erwähnte JournalistInnen-Preis „Für Vielfalt. Gegen Diskriminierung“ der Europäischen Kommission wurde 2007 ein zweites Mal vergeben. Die Jury zur Wahl der österreichischen PreisträgerInnen war dieselbe, verstärkt um Preisträger Simon Inou. Sie vergab die Preis an Franz-Joseph Huainigg für seinen Beitrag „Rom bereist und berollt“. Als nationale Gewinnerin des Sonderpreises im Rahmen des „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für alle“ wurde die für den Online-Standard tätige Maria Sterkl für ihren Artikel „Gemeinsam alt im Ausländerbezirk“ (Rudolfsheim-Fünfhaus) ausgezeichnet.
Gegen Ende des Jahres der Chancengleichheit häuften sich dann die einschlägigen Veranstaltungen. Am 19. Oktober 2007 lud etwa die Arbeiterkammer Steiermark zu einer Diskussion über „Chancengleichheit im Arbeitsleben“ nach Graz ein, bei der ich u. a. mit Nationalratspräsidentin Barbara Prammer auf dem Podium saß.
Am 9. und 10. November veranstaltete die Initiative Minderheiten in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie und der Liga für Menschenrechte im Albert-Schweitzer-Haus in Wien das internationale Symposium „Was bedeutet Chancengleichheit für Minderheiten?“. An der Podiumsdiskussion im Rahmen der Tagung nahmen u. a. HELGA PANKRATZ und ich teil (Programm als PDF hier).
Am 14. November veranstalteten die in Wien ansässige EU-Agentur für Grundrechte, die Stadt Wien und der Stadtschulrat einen „Tag der Vielfalt für Jugend in Wien“ ins Museumsquartier, an dem sich die HOSI Wien ebenfalls beteiligte.
Nachträgliche Anmerkung: Über das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle habe ich auch einen Beitrag für die Stimme von und für Minderheiten Nr. 62 (2007) verfasst.