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„Ich küsse Ihre Hand, Madame…“ – 25 Jahre später

Veröffentlicht am 11. Januar 2008
Im Dezember 2007 und Jänner 2008 wurden im HOSI-Zentrum (und beim Regenbogenball am 26. Jänner 2008) nach 25 Jahren Fotografien aus Gudrun Stockingers legendärer Fotoserie erneut präsentiert. Als eines der Models für die Fotoserie berichtete ich in den LN 1/2008 und LN 2/2008 nostalgisch über die Entstehungsgeschichte der Fotoserie und ihre Bedeutung für die HOSI Wien und auch die Fotografin.

Die Postkarte bzw. der Flyer zur Ausstellung

Gudrun Stockinger (Mitte) freut sich über den Erfolg der Ausstellung und prominenten Vernissagenbesuch: Anna Auer, Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für die Geschichte der Photographie (ESHPh).

Bild aus der ausgestellten Foto-Serie: Neben mir posieren HENNING DOPSCH und JULIUS ZECHNER (1958–1992)

Mit einer gelungenen Vernissage am 30. November 2007 hat das Wiener HOSI-Zentrum seine Funktion als Galerie – nach längerer diesbezüglicher Pause – wieder aufgenommen. Präsentiert wurde – und wird noch bis 21. Jänner – die Ausstellung „Ich küsse Ihre Hand, Madame…“ – 25 Jahre später mit Fotografien von Gudrun Stockinger aus ihrer mittlerweile legendären Fotoserie, die schon damals für Furore sorgte und mit der im Dezember 1982 die „Galerie im HOSI-Zentrum“ quasi ins Leben gerufen wurde (vgl. LN 1/1983, S. 21 ff). Im Rahmen der Neuauflage der Ausstellung werden nicht nur damals gezeigte Fotografien präsentiert, sondern auch solche – zum Teil als Polaroids –, die vor 25 Jahren nicht zu sehen waren. Ergänzt werden sie durch Aufnahmen, die das Entstehen der Fotoserie dokumentieren [vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 24. November 2007].

Nach Begrüßungsworten durch HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL sprachen Peter Dachsbacher, Bezirksrat in Wien-Leopoldstadt (der 2. Bezirk gewährte übrigens eine finanzielle Förderung für die Ausstellung), Florian Kaps von Polanoid.net, der über die Bedeutung der Polaroidfotografie referierte, sowie die Fotografin selbst, die über ihre Zusammenarbeit mit der HOSI Wien und deren Aktivisten berichtete, mit denen sie damals als junge, 21-jährige Fotografin dieses Projekt verwirklichte. Gudrun Stockinger hob dabei auch hervor, wie einschneidend sich später diese Fotoserie auf ihre weitere, gerade auch internationale Karriere auswirken sollte.

Über diese – „eine der mutigsten Ausstellungen der letzten Zeit“ – schrieb damals Jana Wisniewski in der Arbeiterzeitung vom 20. Dezember 1982: Liebe und Erotik unter Männern, ein Blick, eine Haltung, eine Bewegung auf der Straße, im Park, da werden Verhaltensformen und Beziehungsmuster offenbar, da ist nichts gestellt oder dick aufgetragen, man kann sich nur wundern, wie man so etwas mit der Kamera einfangen kann.

Stockinger hatte schwule Männer an jenen öffentlichen Orten (Parks, WCs) fotografiert, die für sie damals wie heute typischerweise Plätze der Kontaktaufnahme und Begegnung waren und sind. Und als Kontrapunkt dazu fotografierte sie die Männer in zärtlichen Posen vor Wiener Sehenswürdigkeiten. Es entstanden einfühlsame, Klischees zerstörende, aber durchaus auch verstörende Fotografien. Später wurden 15 Fotografien aus der Serie von der „Österreichischen Fotogalerie“ im Salzburger Rupertinum angekauft.

Auch für die HOSI Wien stellte die damalige Ausstellung ein wichtiges Projekt dar, das die Arbeitsbereiche und Tätigkeitsfelder der HOSI Wien weiter diversifizierte. Gudrun Stockinger und die HOSI Wien haben sich trotz der langen Auslandsaufenthalte der Fotografin nie gänzlich aus den Augen verloren, und so ist über all die 25 Jahre eine enge freundschaftliche Verbundenheit bestehen geblieben.

 

Beitrag zum Welt-AIDS-Tag 2007

Für die Fotoserie standen Aktivisten und Freunde der HOSI Wien Modell. Einige der „Fotomodelle“ sind jetzt 25 Jahre später zur Vernissage gekommen und erfreuten sich wieder an den Bildern und den damit verbundenen Erinnerungen an die Entstehung der Fotos. Einige der daran Mitwirkenden sind später an AIDS verstorben. So gibt die Ausstellung auch Gelegenheit, dieser verstorbenen Mitstreiter zu gedenken und sie nicht zu vergessen. Und so war auch der Vorabend zum 20. Welt-AIDS-Tag als Datum der Ausstellungseröffnung bewusst gewählt worden.

Die 1982 entstandene Fotoserie kann mittlerweile als historisches Dokument aus jener kurzen Zeitspanne betrachtet werden, während der die damals noch sehr junge Homosexuellenbewegung Österreichs noch unbeschwert ihre ersten publikumswirksamen Aktivitäten und Aktionen setzen konnte, bevor sie kurz danach vor eine ihrer größten Bewährungsproben gestellt wurde: das Hereinbrechen der AIDS-Krise Mitte der 1980er Jahre.

 

In der LN-Ausgabe 2/2008 (S. 10 f) berichtete ich dann noch kurz über die Ausstellung beim Regenbogenball am 26. Jänner 2008:

 

Gudrun Stockinger freute sich über den großen Anklang, den ihre Foto-Ausstellung am Regenbogenball fand.

„SheSays“-Sängerin Gudrun Liemberger im Gespräch mit Fotografin Gudrun Stockinger beim Presseempfang am Regenbogenball.

SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher, SPÖ-Stadträtin Sandra Frauenberger und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) ließen sich von HOSI-Wien-Obmann CHRISTIAN HÖGL die Ausstellung zeigen.

Dacapo für Gudrun Stockingers Fotografien am Regenbogenball

Nach der gelungenen Vernissage am 30. November 2007 war noch bis 21. Jänner 2008 Gudrun Stockingers Ausstellung „Ich küsse Ihre Hand, Madame…“ – 25 Jahre später im HOSI-Zentrum zu sehen. Die Ausstellung wurde an dem Tag mit einer kleinen, aber feinen Finissage würdig abgeschlossen. Aber es war nicht die letzte Möglichkeit, die Bilder zu sehen, denn das geniale Bau-Konzept der Ausstellung ermöglichte es, sie ins Parkhotel Schönbrunn mitzunehmen und am Regenbogenball zu zeigen. Die Ausstellungswände bestanden nämlich aus federleichten Kartonwänden, die sich ganz rasch und mühelos zusammenfalten und wegstellen bzw. wieder aufstellen ließen. Für die gesamte Ausstellung nahm das nicht mehr als eine Minute in Anspruch. Durch dieses patente Verfahren – ja, wir sollten es uns vielleicht wirklich patentieren lassen! – konnte die Ausstellung auch im HOSI-Zentrum immer schnell zur Seite geräumt werden, wenn das Lokal für andere Veranstaltungen, den Frauentanzkurs oder die HOSIsters-Proben benötigt wurde, um sie danach wieder im großen Raum des HOSI-Zentrums aufzustellen.

Die Idee, die Foto-Ausstellung am Regenbogenball zu präsentieren, war nicht minder genial. Zufällig gab es im Halbstock beim Aufgang zur Sissy-Bar – dort wo auch der Sektempfang für die Medien stattfand – genug Platz, denn das Hotel hatte gerade die Souvenirgeschäftsauslagen, die sich früher dort befanden hatten, entfernt. Der Platz erwies sich geradezu als ideal für die Ausstellung. Und so konnten die BallbesucherInnen in einer Tanz- und Chill-out-Pause durch die Ausstellung schlendern und die beeindruckenden Fotografien betrachten. Viele BesucherInnen machten von dieser Möglichkeit auch Gebrauch, und viele nahmen sich auch viel Zeit dafür. Vermutlich sahen mehr Leute die Ausstellung an diesem Abend als während der gesamten Ausstellungsdauer im HOSI-Zentrum.

Gudrun Stockinger und Veteranen der HOSI Wien wie der Autor dieser Zeilen führten Interessierte und FreundInnen auch persönlich durch die Ausstellung, berichteten über die Entstehungsgeschichte der Fotos und plauderten über die Protagonisten, die für die Fotos Modell gestanden sind. Einige BesucherInnen waren sich nicht sicher, ob sie die Personen auf den Fotos wiedererkennen würden. Erinnerungen wurden ausgetauscht, nach dem Verbleib einiger der Abgebildeten gefragt – doch einige haben wir definitiv aus den Augen verloren, und niemand wusste, was aus ihnen geworden ist.