Die HOSI Wien in der Kritik
Zensur, Falschinformationen, Geschichtsverfälschung und politische Untätigkeit
Eigentlich war es nach meinem unfreiwilligen Abschied aus der HOSI Wien meine feste Absicht, die weitere Arbeit des Vereins maximal aus der Distanz zu beobachten und keinesfalls wie Statler und Waldorf in der Muppet-Show vom Balkon aus besserwisserisch darüber zu lästern. Einige Monate hielt ich das auch durch, aber dann sind im letzten Halbjahr in der HOSI Wien einige Dinge passiert bzw. viele leider nicht passiert, wodurch ich mich gezwungen sehe, mich wieder einzumischen und zu Wort zu melden – man könnte auch sagen, mir ist der Kragen geplatzt.
Zensur
Als Ende August 2018 Justizminister Josef Moser (ÖVP) bekanntgab, er wolle das VfGH-Erkenntnis umsetzen und – ganz im Sinne der HOSI-Wien-Forderungen – sowohl Ehe als auch EP für alle öffnen, und am 31. August eine entsprechende Meldung auf der Facebook-Seite von Vienna Pride/Regenbogenparade gepostet wurde, setzte ich dazu einen relativ harmlosen Kommentar ab. Dieser wurde indes gelöscht und ich für Kommentare komplett gesperrt. Siehe dazu meinen separaten Blog-Eintrag.
Falschinformationen
Im Oktober 2018 erschien (endlich) die erste Ausgabe der „neuen“ Lambda. Sie war in etlichen Punkten schlecht recherchiert und erhielt einige faktische und ziemlich peinliche Fehler. Auch dazu habe ich einen separaten Blog-Eintrag verfasst.
Geschichtsverfälschung
Noch entsetzter war ich dann über das Interview mit Brigitte Bierlein, der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, in der zweiten Ausgabe der Lambda (Jänner 2019). In diesem Zusammenhang wird nicht nur die homophobe Vergangenheit des VfGH komplett ausgeblendet, sondern er wird noch dazu in völliger Verklärung der historischen Wahrheit dafür gelobt, „der Politik Beine gemacht zu haben“, obwohl der VfGH jahrzehntelang die Menschenrechte von Lesben und Schwulen mit Füßen getreten und der Politik die Rechtfertigung und Argumente geliefert hatte, untätig zu bleiben. Mehr dazu ebenfalls in einem eigenen Blog-Beitrag.
Politische Untätigkeit
Es ist mehr als traurig, dass die traditionelle Widerständigkeit der HOSI Wien im letzten Jahr dieser peinlichen Anbiederung und einer sponsorenkompatiblen Scheinharmonie und Stromlinienförmigkeit gewichen ist. Dazu kommt, dass sich die HOSI Wien seit Mai 2018 auch weitgehend aus dem politischen Diskurs abgemeldet und als politische Organisation quasi abgedankt hat. In den elf Monaten von Mai 2018 bis April 2019 wurden gerade einmal acht (!) Meldungen zu politischen Themen auf dem Website der HOSI Wien veröffentlicht! Die Liste der Themen und Anlässe, die sie ignoriert hat, wird immer länger – siehe dazu den ebenfalls separaten Blog-Eintrag.
Als ich erfuhr, dass Christian Högl und Kurt Krickler aus dem HOSI-Vorstand gemobbt worden sind und den Verein infolgedessen ganz verlassen haben, und das wegen eines einzigen ungelösten Konflikts, nach jahrzehntelanger avantgardistischer Aufbauarbeit, war das nicht nur ein Schock für mich – das war ein Hammer!
Besonders Kurt Krickler kenne ich schon sehr lange und habe deshalb gute Kenntnis darüber, was er in fast 40 Jahren ehrenamtlich nicht nur für die HOSI, sondern für Lesben und Schwule in Österreich überhaupt geleistet hat. Wenn man in der HOSI heutzutage Zeit und Muße hat, über Dinge wie Sternchen und Unterstriche in Namen zu streiten, dann nur, weil Leute wie Kurt Krickler und Christian Högl mit ihrem Einsatz die tatsächlich wichtigen Grundrechte für Lesben und Schwule in Österreich erstritten haben – hat man das in der HOSI vergessen?
Was ist da bloß los in der HOSI? Ich verstehe die Welt nicht mehr! Dieses Abservieren von hochverdienten Führungskräften ist unterste Schublade, wie sie eher in die Chefetagen von Konzernen passt, und ein Armutszeugnis für Leute, die eigentlich für Zusammenstehen und zwischenmenschlichen Respekt eintreten wollen. Wo bitte schön sollte heutzutage und auf dieser Welt überhaupt noch Solidargemeinschaft gelebt werden, wenn nicht in Vereinigungen wie der HOSI? Solidargemeinschaft, zu der Respekt vor den Leistungen derer gehört, die diese Gemeinschaft überhaupt erst möglich gemacht haben? Oder anders gesagt: Wenn Vernunft und Vertrauen nicht einmal mehr in der Organisation einer bis eben noch schärfstens diskriminierten Minderheit möglich sind, müssen wir uns nicht wundern, dass unsere Welt in dem kaputten Zustand ist, den wir alle zunehmend und zu Recht beklagen.
Peter Badstübner, Niedersachsen, 30.05.2019