LAMBDA verbreitet Falschinformationen
DIE HOSI WIEN IN DER KRITIK 2
Im Oktober 2018 erschien (endlich) die erste Ausgabe der „neuen“ Lambda. Sie war in etlichen Punkten schlecht recherchiert und erhielt einige faktische Fehler. So war u. a. zu lesen, dass der „Homosexuellen-Gedenkstein in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gegen Proteste angebracht“ worden sei. Das ist kompletter Unsinn. Es gab überhaupt keine Proteste gegen den Gedenkstein. Weder bei der Enthüllung noch im Vorfeld. Im Gegenteil: Die HOSI Wien ist auf großes Wohlwollen bei den Verantwortlichen im Innenministerium gestoßen und hat sehr große Unterstützung erfahren. DIETER SCHMUTZER erwähnt das sogar ausdrücklich in seinem Bericht über die Enthüllung des Gedenksteins am 9. Dezember 1984 in den LAMBDA-Nachrichten 1/1985 (ab S. 8). Darin wird auch den beiden wichtigsten zuständigen Personen im Innenministerium namentlich und ausdrücklich gedankt. Und einer von ihnen, der bei der Enthüllung anwesend war, hat für die anwesenden VertreterInnen in- und ausländischer Homo-Organisationen nach der Feier noch eine Führung durch das Gedenkstättengelände gemacht. Der Verfasser dieser Falschinformation in der Lambda hat das offenbar mit den Protesten verwechselt, die es gab, als die HOSI Wien ein paar Monate später, im Mai 1985, bei der Befreiungsfeier in Mauthausen mit Transparenten auftrat, wie u. a. in der LN-Sonderausgabe zur Ausstellung „Aus dem Leben“ nachzulesen ist.
An anderer Stelle wird berichtet, dass es der EuroPride nach 18 Jahren wieder nach Wien geschafft hat – in die „Stadt, die das Großevent bereits 2001 hosten durfte, mit der HOSI Wien erneut als Organisatorin“. Auch das trifft nicht zu: 2001 wurde der EuroPride noch vom CSD Wien veranstaltet. Erst als dieser Verein in die Binsen ging, hat die HOSI Wien 2003 die Organisation der Regenbogenparade übernommen.
Im Schwerpunkt über Regenbogenfamilien wurde – ebenfalls faktenwidrig – behauptet, dass in Sachen Adoption die damalige SP-VP-Koalition eine Arbeitsgruppe eingerichtet habe, „in der neben Vertretern der Ministerien auch alle österreichischen Homosexuellenorganisationen (…) vertreten waren“. Abgesehen davon, dass auch Vertreterinnen vertreten (sic!) waren, aber nicht alle Organisationen, stimmt auch der Rest nicht: Eine solche Arbeitsgruppe unter Rot-Schwarz gab es nur in Vorbereitung der eingetragenen Partnerschaft (EP) in den Jahren 2007 und 2008 (vgl. u. a. LN 3/2007, S. 11, 5/2007, S. 8, und 3/2008, S. 10). Zur Adoption gab es keine Arbeitsgruppe. Das hat der Verfasser wohl mit dem Runden Tisch verwechselt, der (einmalig) am 8. April 2014 stattfand (vgl. LN 2/2014, S. 15), aber da ging es um alle damals noch offenen Forderungen der Bewegung zur rechtlichen Verbesserung der EP und nicht nur um die Fremdkindadoption (die Stiefkindadoption war zu diesem Zeitpunkt ja schon erledigt – vgl. LN 2/2013, S. 9 ff). Die einzige Sache, die dann die Regierung aus diesem Runden Tisch heraus (drei Jahre später!) umgesetzt hat, war übrigens die Eintragung der EP am Standesamt (vgl. LN 5/2016, S. 12 f, sowie 2/2017, S. 4 f). Gott sei Dank haben die LN früher lückenlos und präzise berichtet, sodass man das heute alles nachlesen kann.
Als ich all das las – und in Verbindung mit einer teilweise neuen boulevardesken und total oberflächlichen Berichterstattung –, war ich dann doch ziemlich schockiert, die Qualität (nicht nur der Recherche), die die LAMBDA-Nachrichten auszeichnete, derart den Bach runtergehen zu sehen. Dabei hatte ich gedacht, mir wäre das inzwischen ohnehin egal…
Und übrigens – zum Drüberstreuen: Auch die Qualität in puncto Lektorat und Sprache lässt sehr zu wünschen übrig. Nicht nur die Worttrennung ist eine einzige Katastrophe, auch mit der Rechtschreibung und der Interpunktion ist man noch recht auf Kriegsfuß, so scheint nicht nur der Unterschied zwischen Binde- und Gedankenstrich unbekannt zu sein. Das erweiterte Gendern mit Sternchen ist ebenfalls ziemlich in die Hose gegangen. Aber wenn man – wie hier offenkundig wird – schon gehörige Probleme hat, die korrekten weiblichen und männlichen Formen anzuwenden, dann ist man natürlich noch mehr überfordert, die Sternchen richtig zu verteilen.
Und dann gibt es noch Stilblüten (etwa „kommen Standpunkte zu Wort“, obwohl Standpunkte selber weder sprechen noch schreiben können) und sprachlich-inhaltlichen Unsinn, der mitunter wirklich sehr amüsant ist, etwa wenn da steht, eine Organisation habe mit Klagen begonnen, „die explizit verbotene Stiefkindadoption durchzusetzen“. Gott sei Dank hat sie das nicht getan – der Verein wollte bloß die Stiefkindadoption durchsetzen und nicht (endlich) die explizit verbotene!
Wobei es übrigens auch falsch ist zu behaupten, die Stiefkindadoption sei für gleichgeschlechtliche Paare explizit verboten gewesen. Das war sie nicht, sie war immer nur implizit unmöglich! Die gesetzlichen Bestimmungen sahen nämlich vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bloß vor, dass der fehlende Elternteil nur durch eine Person ersetzt werden konnte, die das Geschlecht des fehlenden Elternteils hatte. Es war nicht vorgesehen, dass einfach nur irgendeine zweite Person den fehlenden Elternteil ersetzen kann.