25 Jahre Bischofs-Outing
LOSE SERIE: AUS DEM ARCHIV
Heute ist es 25 Jahre her, dass ich vier österreichische Bischöfe wegen ihrer homosexuellen Neigungen geoutet habe: Christoph Schönborn, Klaus Küng, Andreas Laun und Egon Kapellari. Es war eine Notwehraktion gegen den politischen Katholizismus und die ÖVP. Damals wäre übrigens niemand auf die Idee gekommen, eine eigene Dokumentationsstelle für den politischen Katholizismus einzurichten, um die demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Machenschaften der römisch-katholischen Amtskirche aufzuzeigen. Der enorme Einfluss der Kirche auf die österreichische Innenpolitik wurde kaum hinterfragt, man nahm sie quasi gottgewollt oder zumindest als naturgegeben hin. 1988 reichte etwa ein Anruf eines Bischofs bei einer ÖVP-Ministerin, um eine bereits von allen Parteien (inklusive ÖVP-Klub) vereinbarte Reform des § 209 StGB zu Fall zu bringen – siehe dazu die Einträge aus dem Jahr 1988 in der Chronik zur Strafrechtsreform. Erst durch das Auffliegen der zahlreichen Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche kam diese unter Druck bzw. war diese später mit anderen Dingen beschäftigt. ÖVP-PolitikerInnen waren jedenfalls willige VollstreckerInnen der Politik der Amtskirche und sahen sich als deren verlängerter politischer Arm.
Lustvollste Aktion ever
Mangels staatlicher Unterstützung im Kampf gegen den politischen Katholizismus musste man also die Sache selber in die Hand nehmen und zur Selbsthilfe greifen, zumal sich die ÖVP nach 15 Jahren Lobbying und gutem Zureden seitens der HOSI Wien standhaft weigerte, die anti-homosexuellen Paragrafen zu reformieren, geschweige denn ersatzlos zu streichen.
Die Outing-Aktion war zweifellos die lustvollste in meiner an Aktionen nicht gerade armen vierzigjährigen Aktivisten-Laufbahn (vgl. Zeitreise). Sie hat mir ungeheuren Spaß gemacht. Nicht zuletzt wegen der vielen Begleiterscheinungen. So viele Leute haben dabei ungewollt und unbewusst einen Offenbarungseid abgelegt: JournalistInnen, PolitikerInnen und speziell auch VertreterInnen der Schwulen- und Lesbenbewegung. Viele merkten gar nicht, wie ihnen der Spiegel vorgehalten wurde und gingen in die Falle. Die ganze Sache war ein Lehrbeispiel darüber, wie Medien und Politik funktionieren. Ich würde die Aktion nicht missen wollen.
Größter Medienhype ever
Das Bischofs-Outing sollte überdies zum größten Medienhype zum Thema Homosexualität werden und für längere Zeit bleiben – erst der Hype um Conchita Wursts Sieg beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen 2014 sollte ihn übertreffen. Durch die Ankündigung des Bischofs-Outing schon Wochen vorher setzte die Berichterstattung lange vor dem 1. August 1995 ein und zog sich dann über mehrere Wochen. Die Outing-Aktion fiel in die Saure-Gurken-Zeit und kam den Medien natürlich gelegen, um das massenmediale Sommerloch zu füllen. Es gab jede Menge Titelgeschichten, Kommentare und sogar Homestorys in den Tageszeitungen und Magazinen, u. a. posierten mein Ehemann PETER SCHEUCHER und ich auf dem Motorrad für ein doppelseitiges Foto in NEWS (Nr. 30 vom 27. Juli 1995). Ich habe noch einige Laufmeter Zeitungsboxen mit den Zeitungen und Zeitschriften von damals bei mir im Archiv stehen. In Vorbereitung meines Textes über das Bischofs-Outing habe ich nach 25 Jahren wieder in den alten Berichten und Artikeln geschmökert. Da musste ich ziemlich oft schmunzeln und mitunter lauthals auflachen: Was da alles geschrieben wurde, einfach unfassbar! Die Sache war schon grenzgenial!
Jedenfalls ist es nur konsequent, dass die Outing-Aktion im aktuellen profil von dieser Woche (Nr. 31 vom 26. Juli 2020) in der Rubrik „profil vor 25 Jahren“ zu entsprechenden Ehren kommt (siehe Faksimile rechts).
Einen ausführlichen Bericht über das Bischofs-Outing, die Hintergründe, Reaktionen und Folgen habe ich in der entsprechenden Unter-Abteilung in der Sektion „Aktionismus“ auf diesem Website verfasst – mit weiterführenden Links zu etlichen Aspekten und auch zum Ausgang der von den Bischöfen gegen mich angestrengten Gerichtsverfahren.
Ziemlich genau acht Jahre später musste ich dann nochmals mit einem Bischofs-Outing drohen (vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 30. Juli 2003), weil der Vatikan nicht aufhörte, auf unverschämte Weise seinen Einfluss auf weltliche Gesetzgebung auszuüben – besonders dreist im Juli 2003, als er katholische ParlamentarierInnen zum Widerstand gegen die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aufrief (vgl. LN 4/2003, S. 22 ff): Die Zeiten, da die römisch-katholische Kirche ungestraft auf den Menschenrechten von Lesben und Schwulen herumtrampeln konnte, sind endgültig vorbei. Wir nehmen das nicht mehr widerstandslos hin, betonte ich in der Aussendung.
Zu diesem Thema erlaube ich mir auch den Hinweis auf zwei weitere zum Thema passende Beiträge:
Aus den LN 4/1992
und aus den LN 5/2012.
Die Einleitung/Zusammenstellung meiner gesammelten religionskritischen Kommentare in den LN samt entsprechender Links zu den einzelnen Kolumnen und Glossen findet sich hier.
Viel Vergnügen bei der weiteren Lektüre!