Vorgestern haben ÖVP, SPÖ und NEOS ihr gemeinsames Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre präsentiert. Welche Vorhaben hat sich die nächste Bundesregierung in Sachen LSBTI vorgenommen? Ich habe nachgeschaut.
Im Kapitel „Gesundheit, Pflege, Soziales & Arbeit“ gibt es einen eigenen Abschnitt „LGBTIQ“ (S. 108 – siehe Text nebenstehend). Die darin angeführten Punkte sind ein bisschen inkonsistent und teilweise kryptisch, was einigen Raum für Interpretationen lässt. Bei etlichen handelt es sich zudem um Details, bei denen man sich fragt, warum diese Punkte so prominent und episch breit in ein Koalitionsabkommen hineingeschrieben werden. Ich vermute einmal, dass man aus Ermangelung anderer mehrheitsfähiger Anliegen bzw. Aufgaben das Programm mit selten auftretenden Winzigkeiten aufblähen wollte, um Masse vorzutäuschen.
Warum der erste Punkt in der Aufzählung – Erarbeitung eines Gesetzesvorschlages für ein datenschutz- und grundrechtskonformes Eizellen- und Samenspenderregister – überhaupt und ausgerechnet unter der Rubrik „LGBTIQ“ firmiert, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Vermutlich handelt es sich um ein Redaktionsversehen.
Bei anderen Punkten fragt man sich, was konkret das Problem ist bzw. ob die Anliegen nicht ohnehin obsolet sind. Etwa wenn es heißt: Die Möglichkeit der Umwandlung einer vor dem 1. 1. 2019 geschlossenen eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe wird umgesetzt.
Sollten die Informationen auf der Homepage der Stadt Wien zutreffen, ist das ohnehin bereits möglich. Dort ist nachzulesen: War zum Zeitpunkt der Begründung der eingetragenen Partnerschaft eine Eheschließung gemäß österreichischem bzw. ausländischem Eherecht noch nicht erlaubt, dann kann dieses Paar in Österreich auch ohne Auflösung ihrer eingetragenen Partnerschaft die Ehe schließen.
Ein weiterer Punkt im Regierungsprogramm lautet: Es wird sichergestellt, dass gleichgeschlechtliche Paare, deren Ehen in ihren Heimatländern nicht anerkannt sind, durch die Anwendung österreichischen Rechts die vollen Rechte vor allen österreichischen Behörden genießen (IPRG). Dabei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit; das Internationale Privatrechtsgesetz (IPRG) ist da ohnehin eindeutig (§ 6). Zudem sind alle, die in Österreich leben, natürlich dem österreichischen Recht unterworfen. Wenn sich eine österreichische Behörde nicht daran hält, muss man im Einzelfall, der wohl alle heiligen Zeiten einmal eintritt, dagegen vorgehen. Aber wie will man das von vorherein „sicherstellen“? Und warum muss das in ein Regierungsprogramm geschrieben werden?
Aber wenden wir uns den – wenigen – wichtigen Punkten zu:
Die drei Parteien haben sich auf die kostenfreie PrEP in der Regelversorgung geeinigt.
Vorgesehen ist zudem ein „Verbot von Konversionstherapien aufgrund der sexuellen Orientierung“. Geschlechtsidentität fehlt hier – und übrigens auch in anderen Zusammenhängen. Dieser Begriff kommt im ganzen Regierungsprogramm schlicht nicht vor.
Während ein Verbot von Konversionstherapien wegen sexueller Orientierung klarerweise zu befürworten ist (vgl. meinen Blog-Beitrag vom 12. August 2019), wäre eine Ausweitung auf andere Gründe wie „Geschlechtsidentität“ eher eine Katastrophe. In der letzten Legislaturperiode hatte SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner diesbezüglich eine Petition betreffend Konversionstherapien endlich verbieten! Beschlüsse des Nationalrats endlich umsetzen! (110/PET) überreicht. Sie sah eine Ausweitung des Verbots auf Geschlechtsidentität vor, was etliche ablehnende Stellungnahmen hervorrief, etwa der Europäischen Gesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit Österreich (EGGö), der Elterngruppe Österreich und von Dr. Bettina Reiter, die einen wichtigen Aspekt (viele Jugendliche, die sich im „falschen“ Körper wähnen, hadern ja in Wirklichkeit mit ihrer Homosexualität) zusammenfassend so treffend auf den Punkt bringt: Wogegen die Petition des Abg. Lindner sich scheinbar richtet („Konversion“), stellt sie selbst – unwillentlich – her: die Konversion vieler zukünftiger homosexueller Frauen und Männer.
Ich sage es ja ungern, aber: Einmal mehr muss man froh sein, dass sich die ÖVP und nicht die SPÖ durchgesetzt hat.
Unter besagtem Aufzählungspunkt (Verbot von Konversionstherapien) steht auch der kryptische Satz: Einseitige pseudowissenschaftliche Umerziehungen, die auf die Geschlechtsinkongruenz (ICD-11) abzielen, werden untersagt. Was hier mit „Umerziehungen“ gemeint ist, bleibt rätselhaft. Und man fragt sich unwillkürlich: Sollen „wissenschaftliche Umerziehungen“ erlaubt bleiben? Oder soll das bloß eine alternative Formulierung für ein Verbot der Konversionstherapie aufgrund von Geschlechtsidentität sein, worauf der Verweis auf die ICD 11 schließen ließe? Sollte das beabsichtigt sein, ist dieser Versuch jedoch sprachlich-inhaltlich misslungen. Sollten mit Umerziehungen hingegen Therapien gemeint sein, dann fallen wohl unter „einseitige pseudowissenschaftliche Therapien“ in erster Linie die momentan in Österreich noch gängigen „affirmativen“ Therapieansätze, da sie nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Und die sind daher in der Tat kritisch zu hinterfragen und können meinetwegen gerne verboten werden, was ja im Ausland bereits vielerorts de facto passiert.
Dieser Punkt ist wohl in Zusammenschau mit einem anderen Punkt zu lesen, nämlich jenem betreffend die Datenerhebung in Bezug auf die Behandlung Minderjähriger wegen Geschlechtsinkongruenz. Dort heißt es: Wissenschaftliche Prüfung der Behandlungsrichtlinien für eine strengere Handhabung bei Pubertätsblockern, sofern diese medizinisch nicht notwendig sind.
Eine ähnliche Problematik besteht bei der Forderung aus der Trans-Szene nach Verabreichung gegengeschlechtlicher Hormone bzw. geschlechtsanpassenden Operationen an Minderjährige/n. Dazu steht – beunruhigenderweise – nichts im Regierungsprogramm. Dabei sollte Österreich aus den diesbezüglichen Skandalen in Großbritannien oder bei der WHO (WPATH!) dringend die nötigen Lehren ziehen und wie andere Länder (Finnland, Schweden etc.) die Notbremse ziehen.
Zudem hat man im Ausland gesehen, dass sich hier ein lukrativer Geschäftszweig etabliert hat – wenn die Zahl der Jugendlichen, die den Wunsch äußern, ihr Geschlecht ändern zu wollen, dank gezielter Beeinflussung plötzlich um tausende Prozent ansteigt – und in der Folge auch die Zahl der Behandlungen. Dieses Phänomen zeigt sich mittlerweile auch in Österreich, wo z. B. in den letzten zehn Jahren die Zahl der wegen Geschlechtsdysphorie vorgenommenen Mastektomien (Brustabnahmen) bei Frauen in der Altersgruppe 18–24 Jahre um 4000 Prozent gestiegen ist!
Hier könnte im übrigen viel Geld eingespart werden; bei den Spitalskosten, den sozialen Kosten, den weiteren medizinischen Kosten für die immer zahlreicher werdenden Fälle von Detransition, wenn also Betroffene ihre Transition bereuen und wieder in ihr ursprüngliches Geschlecht zurückwollen, was indes dann nur mehr rudimentär möglich ist.
Nicht außer Acht lassen darf man in diesem Zusammenhang das eigennützige Interesse der Pharmafirmen, die Hormone herstellen. Sie können sich über eine immer größer werdende Kohorte von Patienten freuen, die ihnen lebenslang ihre Produkte abnehmen müssen. Kein Wunder, dass dieselben Pharmafirmen, die Pubertätsblocker und Hormone produzieren, gerne die Finanzierung von „Studien“ zum Einsatz dieser Produkte übernehmen.
Weiteres Einsparungspotential angesichts der maroden Staatsfinanzen besteht bei den Förderungen der einschlägigen Beratungseinrichtungen, die ein nicht unwesentliches Rädchen in dieser gut geölten und geschmierten Industrie darstellen. Ihnen könnte damit auch ihr unwissenschaftliches manipulatives Handwerk gelegt werden. Stattdessen sollte man Beratungseinrichtungen fördern, die auf einen nicht von vornherein affirmativen Therapieansatz setzen und die Selbstdiagnose der minderjährigen Klienten und Klientinnen nicht unhinterfragt als bare Münze nehmen, sondern in bewährter psychotherapeutischer Manier diese Wünsche der Kinder und Jugendlichen nach Einnahme von Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen oder nach Brustentfernung hinterfragen und explorieren und nicht sofort unterstützend erfüllen.
Die vorhin erwähnte EGGö hat übrigens große Expertise auf diesem Gebiet und ein fundiertes Dossier über das Phänomen der Rapid-Onset Gender Dysphoria (ROGD) vorgelegt.
Das Regierungsprogramm sieht weiters die Aufsetzung eines nationalen Aktionsplans gegen Hassverbrechen und entsprechende Maßnahmen und Initiativen vor.
Außerhalb des Unterkapitels „LGBTIQ“ gibt es weitere relevante Stellen und Aspekte.
Höchst interessant ist das Kapitel „Frauen“. Hier haben sich die queerfeministischen Akteure und Akteurinnen mit ihren bizarren und eigentlich anti-feministischen Positionen, etwa dass auch Männer mit Penis Frauen sein können, offensichtlich nicht durchsetzen können. Im Unterkapitel „Keine Unterwanderung bzw. Rückschritte bei Frauenrechten“ wird dem Gender-Geschwurbel eine klare Absage erteilt, wenn es heißt:
– Frauenspezifische Einrichtungen und Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen stehen selbstverständlich nur Frauen und Mädchen zur Verfügung;
– Frauensport-Wettbewerbe für Frauen unter Erarbeitung einheitlicher Richtlinien gemeinsam mit den Sportverbänden;
– Frauen sollen im Sprachbild abgebildet sein und nicht zulasten ausschließlich genderneutraler oder männlicher Formulierungen unsichtbar gemacht werden.
Frauen und Mädchen ganz ohne Gendersternchen also, auch keine FLINTA. Letzter Unterpunkt wendet sich ausdrücklich gegen die zu geschlechtsneutralen Hauptwörtern abgewandelten Partizipformen, die sich seuchenartig verbreiten und unfassbare (Stil-)Blüten treiben, etwa Forschende, Mitarbeitende, Flugbegleitende, Fischende, Absendende, Empfangende, Einwohnende usw. usf. Viele Leute schrecken ja vor keiner sprachlichen Peinlichkeit zurück – und nehmen dabei ohne schlechtes Gewissen in Kauf, Frauen in der Sprache wieder unsichtbar zu machen.
Apropos Gendersternchen. Non-binäres Gendern hat ebenfalls keinen Einzug ins Regierungsprogramm gehalten. Es wird darin (fast) ganz den amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung folgend mit der Paarform/Beidnennung gegendert (also auch ohne Binnen-I). Allerdings: Während man es einerseits doch etwas übertrieben hat („Whistleblowerinnen oder Whistleblower“), war man dafür an anderer Stelle nicht konsequent und hat die „Sexualstraftäterinnen“ einfach unter den Tisch fallen lassen.
Nur an je einer Stelle hat ein Gendersternchen und ein Binnen-I die redaktionelle Säuberung überlebt, und nur 18mal, wenn ich richtig gezählt habe, wurde die Entfernung des Doppelpunkts übersehen („Mitarbeiter:innen“). Ich will dieses Bekenntnis zur amtlichen deutschen Rechtschreibung als gutes Omen werten. Hoffe, das bleibt in der Textproduktion aller Ministerien auch so.
Gleich an zwei Stellen (S. 125 und S. 135) wird festgelegt, dass die Ehe künftig erst ab 18 Jahren erlaubt sein wird (Verbot der Kinderehe im Ehegesetz).
Das hatte die HOSI Wien übrigens immer schon gefordert und stets als einen jener Unterschiede zwischen eingetragener Partnerschaft und Ehe angeführt, die sie positiv sah und daher immer befürwortete. Die HOSI Wien unterstützte später auch einen entsprechenden Vorstoß der ÖVP im August 2017 (vgl. ihre Aussendung vom 1. August 2017).
Das Hinaufsetzen des Heiratsalters von 16 auf 18 Jahre war übrigens schon in der Koalitionsvereinbarung 2020 zwischen ÖVP und den Grünen paktiert (vgl. Blog-Beitrag vom 23. Jänner 2020), wurde aber nicht umgesetzt.
In Sachen Leihmutterschaft bestätigt das Regierungsprogramm den Status quo in vorbildlicher Weise: Explizites Verbot der Leihmutterschaft und Einsatz für ein Verbot auf europäischer und internationaler Ebene vorantreiben (S. 134).
Das wichtigste Projekt, das die schwul/lesbische Bewegung noch umzusetzen hätte, fehlt leider im Regierungsprogramm: das Levelling-up im Gleichbehandlungsrecht, selbst wenn es sich erweisen sollte, dass es nur symbolische Bedeutung hätte. Da ein solches Levelling-up auf europäischer Ebene nun endgültig gestorben ist (vgl. Blog-Beitrag vom 23. Februar 2025), müsste die Beseitigung dieser Diskriminierung beim Schutz vor Diskriminierung auf nationaler Ebene erfolgen. Und das ist offensichtlich in den nächsten fünf Jahren nicht geplant.
Allerdings war ich immer etwas skeptisch, was die praktische Bedeutung beim Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung etwa beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen betrifft. Diese Skepsis hat sich leider bewahrheitet bzw. verstärkt, als mir im Vorjahr die Volksbank wegen meiner Homosexualität die Eröffnung eines Bankkontos verweigerte und sich dabei einfach hinter „geschäftspolitischen Gründen“ verstecken konnte (vgl. Blog-Beitrag vom 3. Jänner 2025).
Ulrica says:
Scheinbar haben unter Babler und vielleicht sogar Stocker echte Feministinnen stärkeres Gewicht bekommen. Das ist erfreulich, und die Vorhaben bestätigen die alte Erfahrung: Wenn sich Planungen an den Bedürfnissen von Frauen orientieren, dann geht es auch anderen Benachteiligten gut.
Und SCHANDE über die Volksbank!
Kurt Krickler says:
Bleibt abzuwarten und wird spannend, was davon nun konkret umgesetzt wird – und wie.