In meinem Blog-Beitrag vom 10. März 2024 habe ich erläutert, warum ich nach Jahrzehnten mit dem (binären) „Gendern“ (mittels Binnen-I) wieder aufhöre. Durch die neuen nicht-binären Formen, die sprachlich und grammatikalisch oft unrichtig sind und/oder keinen Sinn ergeben, wurde es mir völlig verleidet. Am fanatischsten sind ja meist diejenigen, denen es an Sprachgefühl und Sprachlogik besonders mangelt – offensichtlich wollen und müssen sie dieses Defizit durch missionarischen Übereifer kompensieren – ein Phänomen, das in vielen Bereichen zu beobachten ist. Da das Ganze mittlerweile zum reinen Vandalismus an der Sprache verkommen ist, will ich das nicht mehr unterstützen. Noch dazu ist ein ursprüngliches Ziel des Genderns, nämlich Frauen in der Sprache sichtbarer zu machen, durch die neuen Formen – Stichwort: krampfhafte Partizipformen, wie Zusehende oder Forschende etc. – verlorengegangen.
Als ein Beispiel für diese Entwicklung nannte ich in meinem Blog damals die Anrede der Österreichischen Post AG: „Lieber*liebe Kund*in“, die wegen des bewussten Weglassens der männlichen Form diskriminierend ist. Im Juli 2024 habe ich deswegen an den dafür zuständigen Senat III der Gleichbehandlungskommission (nicht zu verwechseln mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft) den Antrag gestellt, zu prüfen, ob hier eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vorliegt, und zwar konkret eine „Belästigung“ aufgrund des Geschlechts (der Antrag findet sich im vollen Wortlaut am Ende dieses Beitrags).
Am 17. Jänner 2025 wurde mir mitgeteilt: Ihr Antrag auf Einleitung eines Verfahrens wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vom 24. Juli 2024 wurde mit Beschluss des Senates III der Gleichbehandlungskommission beim Bundeskanzleramt vom 19. November 2024 abgewiesen.
Begründet wurde die Entscheidung wie folgt: Nach Ansicht des Senates III liegt durch die Anrede „Lieber*liebe Kund*in“ in Schriftstücken der Österreichischen Post AG, die sich ersichtlich um eine Anrede bemüht, die alle Geschlechter im Rechtssinn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einbezieht, ein nach objektiven Kriterien die Würde verletzendes Verhalten nicht vor und war der Antrag daher abzuweisen. Grammatik und/oder sprachliche Gewandtheit sind nicht von der Gleichbehandlungskommission zu prüfen.
Ehrlich gesagt, hatte ich mit einer Abweisung gerechnet. Und ich bin damit genauso zufrieden wie mit einer Nichtabweisung, denn im Umkehrschluss bedeutet diese Entscheidung letztlich, dass die Nichtverwendung der „non-binären“ (und auch der weiblichen) Form ebenfalls keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots bzw. kein die Würde verletzendes Verhalten darstellt. Und es ist beruhigend zu wissen, dass die Gleichbehandlungskommission nicht als Sprachpolizei auftreten kann. Es wird ja oft so getan, als ob Unternehmen und Behörden geradezu rechtlich verpflichtet seien, sprachlich zu gendern.
Problematisch finde ich allerdings die Formulierung betreffend die Post, die sich ersichtlich um eine Anrede bemüht, die alle Geschlechter im Rechtssinn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs einbezieht. Da schimmern schon wieder die Vorstellung, es gebe mehr als zwei Geschlechter, und die Fehl- und Überinterpretation des VfGH-Erkenntnisses G 77/2018 durch, mit der ich mich in meinem Blog-Beitrag vom 25. September 2024 eingehend beschäftigt habe.
Die Post verwendet mittlerweile mindestens drei verschiedene Fassungen ihrer gelben Hinterlegungszettel. Neben dem von mir beanstandeten auch einen, auf dem (fast) perfekt binär gegendert wird, also mit Beidnennung der männlichen und weiblichen Form, also „Empfänger/Empfängerin“, „Absender/Absenderin“ – siehe PDF hier. Dieses Exemplar wird offenbar für behördliche Schriftstücke, wie RSa- und RSb-Briefe verwendet. In diesem offiziellen Zusammenhang will sich die Post offenbar an die gesetzlich vorgeschriebenen Rechtschreibregeln halten, die eben keine Wortbinnenzeichen vorsehen (vgl. meinen Blog-Beitrag den 23. Dezember 2024). Allerdings haben sie auch da das Konzept nicht bis zum Ende durchgezogen: Im letzten Absatz (auf der Rückseite) steht nur mehr die männliche Form („desjenigen, dem“; „Inhaber“).
Und dann gibt es da noch eine dritte Version eines Hinterlegungszettels, wo sich die Post AG in ihrem woken Sprach-Delirium an Peinlichkeit und Lächerlichkeit wirklich selbst übertrifft (siehe Faksimile): Da werden die Absender und Empfänger zu „Absendenden“ und „Empfangenden“. Die „Sprachgenies“ bei der Post kennen offenbar den semantischen Unterschied nicht. Niemand ist „Empfangende/r“, wenn das Poststück noch irgendwo in einer Abholstation herumliegt. Aber das kommt dabei heraus, wenn sich Leute, die ein Sprachgefühl wie ein Ziegelstein oder eher ein ausgetrocknetes Schlammloch haben, sich anmaßen, der Menschheit neues Deutsch beibringen zu müssen.
Das merkt man auch im folgenden Satz: „Postauftrag: Geldbeträge werden im Auftrag der Absendenden von den Empfangenden eingezogen.“ Es klingt nicht unbedingt logisch, jemanden, dem man im Zuge eines Inkassos Geld abnimmt, als „Empfangenden“ zu bezeichnen.
Übrigens schwächelt die Post auch hier und schafft es nicht, ihre Form des „Genderns“ konsequent durchzuziehen, denn es kommen immer noch „ungegenderte“ Wörter vor – wie „Führerschein“ und „Kundenservice“.
Bleibt noch die Frage, warum die Post dermaßen ideologisch verbissen und verbohrt diesen woken Schmarrn durchzieht. Was will sie uns damit beweisen?
Die Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski hat es in einem Aufsatz schon vor einiger Zeit so schön auf den Punkt gebracht: Solch eine Sprachverwendung mag im Ansatz gut gemeint sein, verkommt aber immer häufiger zum woken Awareness-Marker – und damit zur standardisierten Hülle und leeren Phrase eines selbstbezogenen (PR-)Egos. Nicht nur einzelne Sprecher, sondern vor allem Unternehmen und Institutionen nutzen gegenderte Sprache, um Sensibilität, Aufgeklärtheit und Inklusion zu suggerieren. Ob diese in Sprachsymbolik verpackte Selbstpositionierung in der Realität eingelöst wird (z. B. durch gleiche Löhne für m/w/d) oder nur ein oberflächliches, kapitalgenerierendes „Pink-Washing“ darstellt (in Analogie zum Green-Washing), steht auf einem anderen Blatt.
In dem Fall – also der Post AG – bin ich jedenfalls voll auf Trump-Linie: Diversitätsabteilungen, die einen solchen Scheißdreck produzieren und ideologisch verteidigen, sollten aufgelöst werden! (Ja, sorry, aber mir fällt kein anderes Wort ein, um diese Sache tatsächlich adäquat zu bezeichnen.)
(Mein) Antrag auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
Meine Beschwerde richtet sich gegen die Österreichische Post AG, Rochusplatz 1, 1030 Wien, die in ihren Drucksorten beim sprachlichen „Gendern“ vorsätzlich und absichtlich (unter bewusster Missachtung der sogenannten Weglassprobe) Formen verwendet, mit denen männliche Personen ausdrücklich nicht angesprochen und somit diskriminiert werden.
Konkret geht es um die Anrede in den Hinterlegungsanzeigen der Post, also jenen gelben Zetteln, mit denen abwesende Empfänger/innen eines eingeschriebenen Briefes oder Pakets über den Zustellungsversuch benachrichtigt werden. Die etwas eigenwillige und in mehrfacher Hinsicht missglückte Anrede lautet wie folgt: „Lieber*liebe Kund*in“.
Mein Ersuchen, als „Kunde“ angesprochen zu werden, wurde von der Post AG abgelehnt, obwohl ich ganz konkrete Vorschläge für geschlechtergerechte Lösungen unterbreitete, etwa „die Kunde“, ein gerade im Österreichischen gebräuchliches (geschlechtsneutrales) Wort, das nicht nur die Bedeutung von Nachricht, sondern eben auch die Bedeutung von Kundschaft hat; oder die Dreierform: „Liebe Kundin, lieber Kunde, lieb(*) Kund(*)“ – mit oder ohne Asterisk bzw. einem allfälligen anderen Sonderzeichen.
Die Post AG lehnte, wie gesagt, mein Anliegen kategorisch ab und begründete ihr Bestehen auf der Form „Kund:in“ noch dazu mit dem absurden Argument, man habe sich für diese Form „inklusiver“ (sic!) Sprache entschieden, denn diese sei „wertschätzend“, „respektvoll“ und „diskriminierungsfrei“ allen (sic!) Geschlechtern gegenüber – ich möge mich doch gefälligst im Gendersternchen wiederfinden. Ich empfinde diese Vorgangsweise als Belästigung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes.
Mit der Abweisung meines Ansinnens und meiner Vorschläge und in der Folge der systematischen Fortsetzung einer diskriminierenden, weil nicht geschlechtergerechten Anrede hat die Post AG ein zumindest entwürdigendes und demütigendes Umfeld für meine Person geschaffen. Dieses entwürdigende und demütigende Umfeld wird noch durch den Umstand verstärkt, dass mir die Post AG Argumente zumutet, die blanker Hohn sind.
Es grenzt schon an „Gaslighting“, von mir zu verlangen, ich möge mir einreden, die verwendete Form „Kund:in“ sei „inklusiv“, „wertschätzend“, „respektvoll“ und „diskriminierungsfrei“ allen Geschlechtern, also auch dem männlichen Geschlecht gegenüber. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Der Umstand, dass die Post AG keine rationale Begründung für ihr Festhalten an dieser diskriminierenden Form ins Treffen führt, sondern offenbar bloß aus dogmatisch-ideologischem Justament heraus handelt, ist ebenfalls erschwerend und verstärkt die Intensität des diskriminierenden und meine Würde verletzenden Verhaltens der Post AG.
Da die Österreichische Post AG in etlichen Bereichen gewissermaßen ein Monopol besitzt, etwa bei der Zustellung behördlicher RSa- und RSb-Briefe, und man ihr daher im Alltag nicht einfach aus dem Weg gehen kann, halte ich es für umso notwendiger, besagte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch dieses Unternehmen abzustellen, zumal ohnehin bloß minimale Änderungen und Anpassungen in den Texten der Post AG erforderlich sind, um diese tatsächlich geschlechtergerecht bzw. diskriminierungsfrei zu machen.
Solidarität mit Faika El-Nagashi
Geschlechtswechsel durch bloße Selbsterklärung? (Die Presse)
„Inklusiver Feminismus“: Kritik wird lauter
Warum ich nach Jahrzehnten mit dem „Gendern“ aufhöre (Kurzfassung davon im Falter)
Der „Genderwahn“ existiert tatsächlich
Erste Bank – Pseudo-inklusives Gendern
Warum ich mir keine „linke“ Mehrheit mehr wünsche
„Non-binäres Gendern“: Parlamentsdirektion rudert zurück
Parlamentarisches Gender-Geschwurbel
Der gesellschaftliche Backlash ist auch hausgemacht (KURIER)
Über die Leseschwäche bei der Stadt Wien und der Gleichbehandlungsanwaltschaft
Billiger Marketing-Schmäh „Diversity“
Zum Thema „Gendern“ habe ich schon seinerzeit einige Kommentare in den LAMBDA-Nachrichten verfasst. Hier eine Zusammenfassung samt Verlinkung zu den einzelnen Glossen.