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Moralischer Abschaum: Kuscheln mit dem Kriegsverbrecher

Veröffentlicht am 12. April 2023

Am 5. Juni 2018 empfing Bundeskanzler Sebastian Kurz den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Arbeitsgespräch. Ebenfalls im Bild (v. l. n. r.): Sergej Katyrin, Präsident der russischen Handels- und Industriekammer, Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bundesministerin Margarete Schramböck (ÖVP).

Aufruf zur Demo am 8. September 2013

Die HOSI-Wien-Obleute CHRISTIAN HÖGL und CÉCILE BALBOUS auf der Kundgebung am 31. Jänner 2014. Zuvor waren rund 300 AktivistInnen bei fast sibirischen Temperaturen von der Staatsoper über den Sitz des ÖOC am Rennweg zur russischen Botschaft gezogen.

Anfang April 2017 sorgte die oppositionelle russische Zeitschrift „Nowaja Gasjeta" mit ihren Berichten über Folterungen von Schwulen in Tschetschenien weltweit für Entsetzen.

Nicht nur die FPÖ-Abgeordneten boykottierten die Videoansprache Wolodymyr Selenskyjs im österreichischen Parlament, sondern auch mehr als die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten!

Seit über einem Jahr führt Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wladimir Putin ist inzwischen wegen fürchterlichster Kriegsverbrechen international per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Und immer noch verharmlosen viele österreichische PolitikerInnen ihre frühere Nähe zum autokratischen Despoten und zeigen kaum Reue über ihre Arschkriecherei. Man habe es nicht wissen können, man habe sich getäuscht. Unsinn! Natürlich hätte man es sogar in Echtzeit wissen können – wenn man es denn gewollt hätte. Man hat jedoch absichtlich weggeschaut und sämtliche Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf genommen.

Man musste keineswegs besonders sensibel oder aufmerksam sein, um zu sehen, was in Russland passierte. Die „schleichende“ Faschisierung Russlands unter Putin fand ganz offen vor unser aller Augen statt. Egal, ob es um die Zerschlagung der Opposition, der freien Medien oder der Zivilgesellschaft ging – alles fand und findet auf offener Bühne statt – genauso wie die Ermordung hunderter RegimekritikerInnen, wie Anna Politkowskaja (1958–2006) oder Boris Nemzow (1959–2015), um nur zwei prominente Fälle zu erwähnen. Auch bei der Verfolgung von Kreml-KritikerInnen, wie Pussy Riot oder Alexej Nawalny, hat sich das Regime nie um Diskretion bemüht. Mit Hilfe einer willfährigen Justiz werden mittlerweile alle, die auch nur die leiseste Kritik am Regime oder am Präsidenten üben, in Straflager gesteckt.

Eigentlich wollte ich die Geschichte dieser toxischen Verhaberung österreichischer Politiker und Wirtschaftstreibender mit dem Putin-Regime – mit Schwerpunkt auf LSBT-Aspekten – schon zu Beginn des Angriffskrieges für einen Blog-Beitrag aufarbeiten, habe es aber dann zeitlich nie geschafft. Nun, da sich vor kurzem das Internationale und das Österreichische Olympische Comité für eine Teilnahme russischer und belarussischer SportlerInnen bei den olympischen Bewerben 2024 ausgesprochen haben, habe ich mich doch entschlossen, diesen Text zu schreiben. Denn IOC und ÖOC sind hier Wiederholungstäter und offenbar überhaupt nicht lernfähig. Beim ÖOC sind dieselben jämmerlichen und verabscheuungswürdigen Figuren am Werk, die Putin schon anlässlich der Winterspiele 2014 in Sotschi hofierten: ÖOC-Präsident Karl Stoss und ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel haben nichts dazugelernt und besorgen weiterhin unverdrossen das Geschäft eines gesuchten Kriegsverbrechers. Dazu später.

 

LSBT als Seismograf

Hätte man die Verfolgung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen als Maßstab genommen, hätte man noch früher auf kritische Distanz zu Putin gehen müssen, denn diese Unterdrückung zieht sich wie ein roter Faden von Beginn an durch Putins Amtszeiten. Aber das verlangt ja eh niemand – es würde ja schon reichen, orientierten sich PolitikerInnen an den allgemeinen Menschenrechten und demokratischen Mindestanforderungen.

Die LSBT-Bewegung, allen voran die HOSI Wien und auch ich als Journalist, nicht zuletzt in den LAMBDA-Nachrichten, waren „von Anfang an“ nicht nur gegenüber Putins Politik kritisch eingestellt, sondern eben auch gegenüber der höchst problematischen Nähe österreichischer PolitikerInnen zum Putin-Regime.

Beim Blick ins Archiv – speziell in die alten LN-Ausgaben – bin ich auf einige Vorfälle gestoßen, die wohl nicht nur ich schon längst wieder vergessen habe, die aber symptomatisch und bezeichnend für Österreichs Verhältnis zu Putins Russland waren und sind, etwa die Affäre Golowatow (siehe später). Dieses Verhältnis war und ist immer noch durch Servilität und Unterwürfigkeit, ja kaum verdeckte Komplizenschaft geprägt.

Dass Putin ein Problem mit Homosexualität hat, das schon sehr früh in seiner politischen Karriere zu Tage trat, zeigt sich bei dieser Recherche ebenfalls. Bereits in den LN 2/2000 findet sich dazu eine unscheinbare Meldung in der Rubrik „Aus aller Welt“ (S. 31). Putin war zu dem Zeitpunkt Ministerpräsident und nach dem Rücktritt Boris Jelzins (1931–2007) am 31. Dezember 1999 zugleich interimistischer Präsident und stellte sich für das Präsidentenamt im Jahr 2000 erstmals einer Wahl: Im Wahlkampf war Grigori Jawlinski, liberaler Kandidat für die Präsidentenwahl am 26. März, Zielscheibe wüster antisemitischer und homophober Propaganda im mehrheitlich staatlichen und vom Kreml kontrollierten TV-Sender ORT. Jawlinski hatte man nämlich zugetraut, Wladimir Putin genug Stimmen wegzunehmen, sodass dieser im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erringen würde, was nicht nur seinem Image geschadet, sondern einen zweiten Wahlgang im April erforderlich gemacht hätte. In der heißen Phase des Wahlkampfs wurde eine Fernsehsendung ausgestrahlt, in der angebliche Mitglieder einer Schwulengruppe namens Blaues Herz als begeisterte Jawlinski-Fans präsentiert wurden („blau“ ist im Russischen das Äquivalent für „schwul“). Offenbar wollte man Jawlinski damit schaden. Ein Konkurrenzsender meinte, die ganze Show schien inszeniert gewesen zu sein, die Gruppe würde gar nicht existieren.

Später ging es dann mit dem Verbot von Pride-Paraden (ab 2006) und mit einem Informations- bzw. „Homo-Propaganda“-Verbot (ab 2013) weiter. Letzteres sahen homophobe Hetzer als Einladung an, straflos Gewalttaten gegen Schwule zu verüben. Die homo- und transphobe Verfolgung erlebte schließlich ihren Höhepunkt 2017 in Tschetschenien, wo es zu regelrechten Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Schwulen kam.

Meine zahlreichen Beiträge in den LAMBDA-Nachrichten über die LSBT-Verfolgung in Russland habe ich hier im Überblick zusammengestellt und mit Links zum Weiterlesen versehen. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang an dieser Stelle bloß, dass die HOSI Wien auch schon früh die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche (ROK) problematisiert und bereits 2012 (!) von den österreichischen Behörden verlangt hatte, ihr in Österreich den Status einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft abzuerkennen; vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 14. 9. 2012. Zudem hatte die HOSI Wien – ebenfalls gemeinsam mit der Initiative „Religion ist Privatsache“ – dem damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung übermittelt und eine Überprüfung verlangt, ob die ROK nicht als kriminelle Organisation einzustufen und zu verbieten sei, zumal sie alle Kriterien erfüllt, die gemäß § 278a StGB eine solche Organisation definieren; vgl. Medienaussendung am 10. Oktober 2012. Geschehen ist natürlich damals genau gar nichts. Und auch heute schaut man immer noch weg.

In diesem Blog-Beitrag will ich mich auf die österreichische Komplizenschaft mit Putins Regime konzentrieren.

 

Nützliche Idioten und fünfte Kolonnen

Einleitend sei dazu festgestellt, dass es für mich vier Arten von Kollaborateuren gibt: Da sind die nützlichen IdiotInnen, die – wie der Name schon sagt – vor allem aus Dummheit bzw. geistiger Beschränktheit Putins Geschäft betreiben – ohne jegliche Gegenleistung. Eine zweite Gruppe sind Putins Huren und Schoßhündchen, die sich einen – meist finanziellen – Vorteil erwarten und in der Regel auch bekommen; dazu zählen Figuren wie Wolfgang Schüssel, Sebastian Kurz, Karin Kneissl, Sigi Wolf und andere Wirtschaftstreibende und Manager – von Raiffeisen bis OMV. Dann gibt es da noch die fünfte Kolonne, die aus Überzeugung Putins Geschäft besorgt; in diese Kategorie fällt vor allem die FPÖ. Und schließlich sind die Opportunisten zu nennen, die keine Probleme haben wollen und aus purer Bequemlichkeit den Interessen Russlands zum Durchbruch verhelfen.

Bestes Beispiel für Letztere ist die Affäre Golowatow: Im Juli 2011 leisteten sich Österreichs Justizbehörden im Verein mit der Bundesregierung einen besonderen Kniefall vor Putin: Sie ließen den von Litauen wegen Kriegsverbrechen mittels europäischen und internationalen Haftbefehls gesuchten Ex-KGB-Offizier Michail Golowatow (1949–2022) kurz nach seiner Festnahme am Wiener Flughafen mit fadenscheiniger Begründung wieder laufen. In meinem LN-Kommentar (# 4/2011, S. 21 ff) ging ich damals hart mit der ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl ins Gericht, die mit wortreichen Sprechschablonen diesen Affront gegenüber dem EU-Partnerland Litauen zu rechtfertigen versucht (…). Ist es doch so offensichtlich, dass die Bundesregierung dem russischen Druck nachgegeben hat, offenkundig jeden „Wickel“ mit Moskau vermeiden möchte. (…)

Warum traut sich die Regierung nicht die Wahrheit zu sagen? – Auch wir halten sie aus bzw. müssen sie wohl aushalten: Wir wollen die – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Beziehungen mit Russland nicht trüben, womöglich die Erdgasversorgung im nächsten Winter gefährden; da pfeifen wir auf die Sühne und Gerechtigkeit für ein Dutzend ermordeter FreiheitskämpferInnen in Wilna vor 20 Jahren. Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen hätte das geschluckt – denn politischer Anstand ist für sie ohnehin ein Fremdwort. Sonst hätten wir ja nicht die Regierung und die Mehrheit im Nationalrat, die wir haben. (…)

Eigentlich wollten wir der Justizministerin im Sommer schreiben und sie – quasi für unseren Antrittsbesuch – um einen Termin ersuchen. Aber nach ihrer unerträglichen Handhabung der Affäre Golowatow und Verarschung des denkenden Publikums ist die Lust vergangen, mit der Frau Karl zusammenzutreffen. Da drängte sich wieder die Frage auf: Muss man wirklich unbedingt mit solchen Leuten im selben Zimmer sitzen? Muss man sich wirklich zumuten, mit jeder zu reden, deren vorrangigste Anstrengung anscheinend dem Versuch gilt, möglichst überzeugend den Blondinenwitz zu verkörpern – nur weil sie durch irgendwelche nicht wirklich nachvollziehbare Umstände in der Bundesregierung gelandet ist? Nein, definitiv nicht! Und so wurde der Brief nie abgeschickt.

 

Homophobe Gesetze beschlossen

Als 2013 das „Propaganda-Verbot“ verabschiedet wurde, fasste ich in den LN 3/2013 die besorgniserregenden Entwicklungen wie folgt zusammen (S. 33):

Putins Russland macht in den letzten Monaten seinem Diktatur-Image alle Ehre. Die paranoiden Anwandlungen des Regimes werden immer skurriler. Nachdem sich MitarbeiterInnen von NGOs, die finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland erhalten, als ausländische AgentInnen registrieren lassen müssen, hat die Staatsduma am 11. Juni 2013 das umstrittene Gesetz über das Verbot der „Homo-Propaganda“, sofern sie auch von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen werden könnte, beschlossen. Am 21. Juni wurde schließlich ein Gesetz verabschiedet, dass die Adoption russischer Kinder an gleichgeschlechtliche Paare sowie an unverheiratete Einzelpersonen in Ländern, wo die Homo-Ehe möglich ist, verbietet.

In der Folge kam es zu regelrechten Hexenjagden auf Schwule (vgl. LN 4/2013, S. 27 ff), was internationale Proteste und Aktivitäten auslöste. In Österreich wurde die Initiative ToRussiaWithLoveAustria (TRWLAT) ins Leben gerufen (vgl. LN 5/2013, S. 15 ff), in der sich GERD PICHER (1974–2022) jahrelang federführend engagierte. Die Olympischen Winterspiele in Sotschi im Februar 2014 waren Anlass und Aufhänger, auf diese Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen.

In aller Welt wurden Regierungs- und Staatschefs und -chefinnen aufgefordert, sich nicht für Putins Propagandashow einspannen zu lassen und die Spiele durch ihre Abwesenheit zu boykottieren. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zählte zu den Beschwichtigungshofräten, die meinten, sie könnten durch Gespräche und Dialog Putin positiv beeinflussen. In einem satirischen Beitrag, der auf der Homepage der HOSI Wien gepostet wurde, machte ich mich darüber lustig.

In einem Kommentar im Standard am 18. November 2013 zog ich Parallelen zu Berlin 1936 und meinte: Weder das Internationale noch das Österreichische Olympische Comité sollte daher noch länger wegschauen und schweigen. Sie müssen aus Berlin 1936 die Lehren ziehen, sonst machen sie sich wieder mitschuldig! Sollte es ein paar Jahre nach Sotschi zu einer Art „Reichskristallnacht“  – diesmal gegen Lesben und Schwule – kommen, dann möchte man jedenfalls nicht in der Haut der IOC- und ÖOC-Funktionäre stecken. Sie werden dann nicht behaupten können, sie hätten das nicht ahnen können! Sie sind gewarnt worden – eindringlich!

 

PR-Desaster Sotschi

Sotschi wurde jedenfalls für Putin zu einem echten PR-Desaster. Die Kritik an der Menschenrechtslage in Russland dominierte die internationale Berichterstattung über die Spiele. Faymann mag sich redlich bemüht haben, aber spätestens damals musste klar sein, dass Putin sein Ding ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht und sich von salbungsvollen Worten oder Appellen nicht die Spur beeindrucken lässt. Umso grotesker muss es wirken, wenn es nach all diesen Erfahrungen heute – zehn Jahre später – immer noch Leute gibt, die ernsthaft die Ansicht vertreten, man müsse mit Putin reden und verhandeln.

Für Putins Hofschranzen wurde Sotschi dann ebenfalls eine herbe Enttäuschung und zur Blamage: Denn die Spiele in Sotschi waren kaum vorbei und die Paralympics noch in vollem Gang, als Russland völkerrechtswidrig die Krim annektierte und im ukrainischen Donbass einmarschierte (vgl. LN 1/2014, S 16 ff). In meinem Kommentar in den LN 1/2014 rechnete ich mit diesen Heuchlern ab. Die von mir befürchteten Anti-Homosexuellen-Pogrome sollten dann drei Jahre später in Tschetschenien traurige Wirklichkeit werden (siehe später).

Vier Monate (!) nach dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Krim und den Donbass kam Putin im Juni 2014 auf Staatsbesuch nach Wien – EU-Sanktionen hin und ukrainische Proteste her. Neben Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ), Bundeskanzler Werner Faymann und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) stellten sich auch zahlreiche Wirtschaftsvertreter an – in besonders schändlicher Erinnerung der damalige WKÖ-Präsident Christoph Leitl –, um Putins Speichel und Stiefel zu lecken.

Damals ging es nicht unwesentlich um den Bau der umstrittenen Gaspipeline South Stream, den Österreich trotz der EU-Sanktionen weiterbetrieb (vgl. Kurier vom 24. Juni 2014). Brüssel schob dem Projekt dann aber einen Riegel vor (siehe detaillierte Hintergrundinfo hier). Knapp drei Wochen nach Putins Staatsbesuch in Österreich wurde von russischen Kämpfern eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines über der Ukraine abgeschossen, 298 Menschen starben.

 

Kuscheln mit dem Kriegsverbrecher

Anfang 2017 wurde die systematische Verfolgung, Folterung und auch Ermordung von Homosexuellen durch staatliche Akteure in Tschetschenien bekannt (vgl. LN 2/2017, S. 20 ff). Meine ärgsten Befürchtungen, wie ich sie im November 2013 in meinem vorhin erwähnten Standard-Kommentar zum Ausdruck gebracht hatte, waren wahr geworden. Doch die Fähigkeit zur Einsicht ist offensichtlich nicht jedem und jeder gegeben. Da habe ich auch die ÖOC-Funktionäre total überschätzt, als ich meinte, sie würden sich im Fall einer Art „Reichskristallnacht“  – diesmal gegen Lesben und Schwule – vermutlich in ihrer Haut nicht mehr wohl fühlen.

Von wegen – weit gefehlt: Noch heute (!) findet sich ein Beitrag auf dem Website des ÖOC, in dem vom Besuch Putins im „Austria Tirol House“ in Sotschi geschwärmt wird – samt Galerie mit 22 Bildern von diesem Ereignis: Die Uhr zeigte kurz nach 19 Uhr, als ein Konvoi mit Limousinen vor dem Austria Tirol House hielt und Wladimir Putin samt Entourage von ÖOC-Präsident Karl Stoss, Generalsekretär Peter Mennel, Karl Schranz, Sigi Wolf und Botschafterin Margot Klestil-Löffler empfangen wurde. [Im Zuge einer völligen Neugestaltung der ÖOC-Homepage wurde der Beitrag später entfernt.]

Dass es diesen Leuten immer noch nicht peinlich ist, mit diesem Kriegsverbrecher abgebildet zu sein! Nur mehr zum Kotzen! Es ist Zeit, dass dieser moralische Abschaum aus dem ÖOC entfernt wird. Der ist ohnehin schon viel zu lange dabei. Steht zu hoffen, dass der grüne Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler hinter (oder gerne auch vor) den Kulissen die Weichen für deren ehebaldigste Ablösung stellt. Stoss und Mennel sind eine Schande für das Land!

Die ÖOC-Kriegsverbrecherhuren waren indes nicht die einzigen Sportfunktionäre, denen die Lage der Menschenrechte im allgemeinen und von LSBT-Personen im besonderen völlig egal ist. So wurde 2018 die Männer-Fußball-WM der FIFA – unbeeindruckt von Putins Verbrechen – in Russland ausgetragen, was ich in einem Kommentar in den LN 2/2017 kritisierte:

Putin verarscht die Welt – Einmarsch in die Ukraine, Unterstützung des syrischen Schlächters Assad, Abschuss von Zivilflugzeugen, Dopingskandale bei jeder größeren Sportveranstaltung, jede Menge Menschenrechtsverletzungen, darunter an Homosexuellen – und das ungestraft. Warum hat man Russland die Lizenz für die Austragung der Fußball-WM 2018 nicht schon längst wieder entzogen? Und wieso kriecht [Außenminister Sebastian] Kurz Putin immer noch bis zum Anschlag in den Arsch, während er gegenüber der Türkei den Scharfmacher gibt?

Apropos Kurz: In Zusammenhang mit den homophoben Verbrechen in Tschetschenien wandte sich die HOSI Wien mehrmals an den damaligen Außenminister (vgl. Presseaussendung vom 22. Mai 2017) – denn die russische Regierung müsse dafür zur Verantwortung gezogen werden:

Da kaum zu erwarten ist, dass sich die Opfer ohne internationale Unterstützung in Straßburg wehren können, fordern wir Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, auf, dafür zu sorgen, dass die österreichische Regierung eine Staatenbeschwerde gemäß Artikel 33 EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention] gegen Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einbringt und bei dieser Gelegenheit Entschädigungszahlungen für die Opfer erkämpft, die dieser Verfolgung durch Flucht entrinnen konnten und jetzt gezwungen sind, sich in anderen Teilen Russlands oder sogar im Ausland ein neues Leben aufzubauen. (Vgl. auch LN 3/2017, S. 22 ff)

Diese Forderung griff ich später in einem Kommentar im Standard am 29. Jänner 2019 auf, wobei ich die diesbezügliche Untätigkeit des Außenministers, der inzwischen Bundeskanzler geworden war, kritisierte:

Kurz blieb als Außenminister in dieser Frage untätig. Und als Kanzler verfolgt er eine völlig verfehlte Appeasement-Politik gegenüber Russland, die er als Dialog und Brückenbau anpreist. Dabei merkt er offenbar gar nicht, dass er bloß ein nützlicher Idiot und Schoßhündchen Putins ist. Wann sagen seine Hofschranzen dem Kanzler endlich, dass er hier nackt ist?

Im Juni 2018 war Putin abermals mit allem Pomp als Staatsgast empfangen worden; diesmal hatte Alexander van der Bellen als neuer Bundespräsident die zweifelhafte Ehre. Bei dieser Gelegenheit wurde u. a. der Gasliefervertrag zwischen Russland und Österreich bis 2040 verlängert und damit auch die Abhängigkeit Österreichs vom russischen Gas für mehr als zwei Jahrzehnte prolongiert. Der Vertragsunterzeichnung wohnten Kurz und Putin bei (siehe ORF-Beitrag). Die Verlängerung war eigentlich zu dem Zeitpunkt gar nicht notwendig, da der bestehende Vertrag sowieso bis 2028 gelaufen wäre. Die Rolle der OMV und ihres Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele, der 2021 unrühmlich aus dem Unternehmen schied, ist bekannt.

Endgültig scheiterten übrigens 2018 die mehr als zwei Jahre dauernden Bemühungen Seeles, der russischen Gazprom über die OMV Zugang zur norwegischen Gasförderung zu verschaffen. Die Norweger waren nicht so blöd und verhinderten ein entsprechendes Tauschgeschäft (die Hintergründe sind hier nachzuhören – Ö1-Morgenjournal vom 4. 10. 2018). Stattdessen kaufte sich die OMV dann direkt bei einem sibirischen Gasfeld ein. Zur diesbezüglichen Vertragsunterzeichnung im Oktober 2018 trafen sich Kurz und Putin in St. Petersburg wieder. Schiffbruch erlitt die OMV mit ihrer Beteiligung an der Nordstream-Pipeline, die ja bekanntlich von unbekannten Tätern in die Luft – bzw. eigentlich ins Wasser – gesprengt wurde.

Jedenfalls ist es Seele und Kurz zu verdanken, dass die ohnehin schon sehr große Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas noch weiter ausgebaut wurde. Damals, 2018, wäre es hingegen höchste Zeit gewesen, die Reißleine zu ziehen. Die Zeichen an der Wand waren unübersehbar. Aber natürlich war von Kurz kein staatsmännischer Weitblick zu erwarten.

 

Niedertracht hat einen Namen: SPÖ

Aber nicht nur das ÖOC, Teile der Wirtschaft, die Wirtschaftskammer und die ÖVP haben sich von Putin korrumpieren lassen – sondern auch die SPÖ. Welche Abgründe sich dort auftun, wurde bei der Videoansprache von Wolodymyr Selenskyj im österreichischen Parlament am 30. März 2023 offenbar. Mehr als die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten schwänzte die Veranstaltung. Was für ein erbärmliches Bild und Zeichen! Damit hat man nicht nur dem geschundenen ukrainischen Volk und seinem Präsidenten ein Minimum an Respekt und Empathie verweigert, sondern sich auf die Seite des Kriegsverbrechers Putin gestellt – denn Neutralität kann es hier nicht geben!

Die SPÖ-Abgeordneten hätten an der Veranstaltung ja zumindest aus Protest gegen das homophobe Putin-Regime und dessen jahrelangen Menschenrechtsverletzungen (siehe oben) teilnehmen können – wenn schon nicht aus Sympathie mit dem drangsalierten ukrainischen Volk, das schon zehntausende Tote zu beklagen hat. Wo waren die SoHo und Mario Lindner? Wieso haben sie den SPÖ-Klub nicht in diesem Sinne briefen und beeinflussen wollen und können? Aber vermutlich sind ihnen LSBT-Rechte nur zwecks Eigen-PR ein Anliegen und ansonsten ohnehin scheißegal.

Wer auch immer als Kanzlerkandidat/in für die SPÖ bei den nächsten Wahlen antreten wird, meine Stimme wird die SPÖ nicht mehr bekommen. Dieses jämmerliche und niederträchtige Verhalten an jenem 30. März ist unentschuldbar und unverzeihlich: SPÖ, es ist vorbei!

Als trauriges deprimierendes Resümee bzw. Fazit muss man feststellen, dass diese Entwicklungen über die letzten Jahrzehnte bis hin zum Angriffskrieg im Februar 2022 nur möglich waren durch die Nachgiebigkeit vieler PolitikerInnen im Westen gegenüber den kontinuierlich gesteigerten Grenzüberschreitungen Putins. Er wurde nie zur Rechenschaft gezogen für seine Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen; diese Straflosigkeit war eine Einladung an ihn, die Sache immer weiter auszureizen. Die Ukraine zahlt jetzt die Zeche für dieses feige Verhalten des Westens. Wir alle tragen Mitschuld, weil wir das zugelassen haben. Ja, und so ist es nur gerecht, dass wir alle – durch Wohlstandsverlust – für unsere Gleichgültigkeit und Passivität ebenfalls mitzahlen müssen.